Schon Aristoteles fragte nach dem Zweck des Lebens

Eine der Varianten der Sinnfrage fragt ganz konkret nach dem Zweck der Existenz eines Menschen. Und das scheint Christian Uhle durchaus logisch, wenn es um das Thema Sinn geht: „In sehr vielen Fällen ist der Sinn einer Sache ja sein Zweck.“ Nach dem Zweck des menschlichen Lebens zu fragen hat eine lange Tradition in der Philosophiegeschichte. Vor mehr als zweitausend Jahren überlegte schon Aristoteles, was der „télos“ des Lebens sei. Der Begriff „télos“ lässt sich ungefähr mit Zweck oder Ziel übersetzen. Diesen Sinn, der als Zweck verstanden werden kann, bezeichnet Christian Uhle fortan als zweckhaften Sinn. Also, was ist der Zweck des menschlichen Daseins? Das Anliegen des Philosophen Christian Uhle ist es, Philosophie in das persönliche Leben einzubinden.

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Das „Gefühl des Absurden“ ist total berechtigt

Die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir (1908 – 1986) beschrieb, wie insbesondere Frauen sich selbst fremd werden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn man sie gesellschaftlich aus der Norm ausschließt und sie stattdessen als das „andere“ Geschlecht aufwachsen. Für sie seien Sinnkrisen geradezu vorprogrammiert. Immerhin sah Simone de Beauvoir auf dieser Ebene einen möglichen Ausweg. Christian Uhle ergänzt: „Demgegenüber betonte Albert Camus, dass auf einer noch tieferen Ebene, jenseits gesellschaftlicher Machtverhältnisse, sämtliche Menschen mit dem gleichen Schicksal konfrontiert sind.“ Er nannte die Empfindung sinnsuchender Menschen das „Gefühl des Absurden“. Und dieses Gefühl erklärte er für absolut berechtigt, ja, zutreffend. Denn es entspringe der Bereitschaft, das eigene Leben durch einen klaren, unverfälschten Blick zu sehen als das, was es ist: absurd. Das Anliegen des Philosophen Christian Uhle ist es, Philosophie in das persönliche Leben einzubinden.

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Edmund Husserl erschafft die Phänomenologie

Fast unmittelbar nach Immanuel Kant versuchen Philosophen Denken und Wirklichkeit wieder zusammenzubringen. Sei es nun durch eine „Phänomenologie des Geistes“ wie bei Hegel oder durch eine „Philosophie des Willens“ wie bei Arthur Schopenhauer. Ger Groot weiß: „Am Ende dieses Jahrhunderts gibt der Mathematiker und Philosoph Edmund Husserl dem Denken Immanuel Kants eine bedeutende Wendung. Auch Husserl geht davon aus, dass die primäre Gegebenheit unserer Erkenntnis darin besteht, dass uns die Dinge erscheinen.“ Sie sind Phänomene – daher der Name der philosophischen Schule, die er ins Leben ruft: Phänomenologie. Auf Basis dieser Feststellung geht er, ebenso wie Immanuel Kant, auf die Möglichkeitsbedingungen der Phänomene zurück. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Sartre war ein atheistischer Existentialist

Im Jahr 1945, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, hielt Jean-Paul Sartre seine berühmt gewordene Rede „Der Existenzialismus ist ein Humanismus“. Darin ist keine Spur von Religiosität und nicht einmal mehr des Ringens darum zu finden. Ger Groot weiß: „Sartre geht von einem unproblematischen Atheismus aus, der keiner Rechtfertigung bedarf – und auch keine erhält.“ Er stellt fest, dass es zwei Arten von Existentialisten gibt: „Die ersten sind Christen, zu ihnen würde ich Karl Jaspers und Gabriel Marcel zählen. Und dann gibt es die atheistischen Existentialisten, zu denen man Matin Heidegger sowie die französischen Existentialisten und mich selbst zählen muss.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Die menschliche Freiheit ist absolut

Das „Ich“ ist nicht, was es ist. Ger Groot erklärt: „Es steht immer in Distanz zu sich und in Distanz zu der Welt, in der es sich befindet.“ Auf diese Feststellung gründet Jean-Paul Sartre die menschliche Freiheit. Diese ist absolut, nicht deshalb, weil ein Mensch imstande wäre, eine Welt nach seinem eigenen Willen zu schaffen, sondern weil er eine souveräne Deutungshoheit darüber hat, welche Bedeutung die Welt, in der er sich befindet, für ihn hat. Jeder Mensch mag mit allen erdenklichen Eigenschaften zur Welt kommen. Nämlich als Mann oder Frau, mit mehr oder weniger Intelligenz, als Niederländer oder Rumäne. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Jeder Mensch ist für alle und alles verantwortlich

Die Geschwister Scholl und ihre Freunde von der Weißen Rose folgten ihren moralischen Prinzipien und ihrem Gewissen. Sie bezahlten dafür mit dem Tod. Klaus-Peter Hufer erklärt: „Das zu tun, was ihnen als richtig geboten erschien, stand für sie höher als das eigene Leben. Sie übernahmen Verantwortung.“ Verantwortung meint laut Duden die „Verpflichtung, für etwas Geschehenes einzustehen“. Synonyme von Verantwortung sind Moral, Gewissenhaftigkeit und Pflichtgefühl. Doch wie weit geht die persönliche Verantwortung? Der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 – 1861) war der Ansicht, dass die Verantwortung eines jeden Menschen sehr weit reicht. Ein berühmter Satz von ihm lautet: „Jeder Mensch ist für alle und alles verantwortlich.“ Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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Menschen müssen täglich Entscheidungen treffen

In die „Freiheit geworfen“ wie es bei Jean-Paul Sartre heißt, ist der Mensch ständig gefordert, Entscheidungen zu treffen. Und egal, was er tut, es geht weiter und weiter. Ina Schmidt ergänzt: „Wir haben die Wahl, in den großen Fragen wie in den ganz normalen Alltäglichkeiten. Täglich entscheiden wir uns viel Hundert Mal, selbst wenn wir es nicht immer bemerken.“ In einer Welt voller Möglichkeiten jagt eine Entscheidung die nächste. Und wie man damit umgeht, hängt vielfach davon ab, welche Perspektive man einnimmt, wenn man auf diesem Grat des Möglichen entlangwandert. Es geht Ina Schmidt nicht darum, die Inhalte von Entscheidungen auf den Prüfstand zu stellen. Sondern sie denkt darüber nach, was ein Mensch eigentlich tut, wenn er eine Wahl trifft. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Das Kaffeehaus ist ein Ort der öffentlichen Schönheit

Die Geschichte des Kaffees ist verbunden mit der Tradition der europäischen Kaffeehäuser. In diesen trafen sich die Intellektuellen der Aufklärung, in ihnen wurde debattiert und es lagen in ihnen republikanische Zeitungen aus. Frank Berzbach ergänzt: „Bis heute verorten wir den modernen Dichter im Café.“ Vor allem die Kaffeehäuser in Wien waren berühmt, die Cafés von Paris legendär und vor dem zweiten Weltkrieg auch diejenigen von Berlin. Sie alle böten genug Stoff, um eine ganze Literaturgeschichte zu schreiben. Jean-Paul Sartre, schreibend im Café, bietet für Frank Berzbach ein Urbild dieser öffentlichen Schönheit. Das Kaffeehaus ist ein Ort, der eine verlässlich gleiche Kuchenauswahl bietet. Stilvolle Kellner üben dort ihren Beruf aus. Sie blicken auf jeden leicht abfällig herab, lassen aber einen generell in Ruhe. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

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Baruch de Spinoza lehrt den Pantheismus

Die Idee, das die Liebe weniger ein individuelles Gefühl, ein allein menschlichen Prinzip oder so sei, ist alt. Am prominentesten hat das der Philosoph Baruch de Spinoza dargestellt. Peter Trawny fasst es kurz und daher grob zusammen: „Spinoza erklärt, dass es nur eine Substanz, eine Natur, einen Gott, überhaupt nur eines geben könne. Da darum Gott und Natur, das heißt die Gesamtheit aller Dinge plus ihrem Ursprung, nicht zwei sein können, ist Gott Natur, Natur Gott.“ Man hat das dann Pantheismus genannt und als eine Lehre, dass Alles Gott und Gott Alles sei, verdammt und gefeiert. Für einen Christen des 17. Jahrhunderts war das gelinde gesagt mehr als unglaubwürdig. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

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Die Existenz geht der Essenz voraus

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2020 lautet: „Ins Offene – Wie lebe ich mit der Ungewissheit?“ Nichts ist sicher, nichts vorhersehbar. In der Coronakrise spitzt sich die Unsicherheit zu, die fundamental für das Leben vieler Menschen ist. Selten war die so planungsbedürftige Zivilisation mit so viel Ungewissheit konfrontiert wie derzeit. Doch so historisch einmalig die aktuelle Situation auch wirken mag, offenbart sich in ihr dennoch nichts grundsätzlich Neues, sondern vielmehr die Intensivierung eines menschlichen Grundgefühls. Denn es ändert sich im Grundsatz eben nichts daran, dass Menschen ungewiss in die Welt gestellt sind. Sie müssen also mit der Offenheit ihrer Existenz umgehen. Exemplarisch mag dafür der berühmte Satz von Jean-Paul Sartre stehen: „Die Existenz geht der Essenz voraus.“ Das heißt: Der Mensch tritt in die Welt ein, ohne in seinem Wesen festgelegt zu sein.

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Carol Gilligan reklamiert eine eigene weibliche Auffassung der Moral

Carol Gilligan, die in Harvard als Psychologie-Professorin lehrte, erhebt gegen die ihrer Ansicht nach männlich geprägte individualistische und rationale Moral der Gerechtigkeit „Die andere Stimme“ eines solidarischen, gemeinschaftsorientierten Entwurf einer Moral, der aus Beziehungen und Kontexten erwachsende Pflichtgefühl in den Mittelpunkt stellt. Ludger Pfeil erklärt: „Gilligan fand in ihren Untersuchungen zur Moralpsychologie heraus, dass Frauen moralische Konflikte lösen, indem sie auf bestimmte Tugenden wie Rücksichtnahme und Hilfeleistung Bezug nehmen, während sich Männer eher an Gerechtigkeitsidealen orientieren und eine damit verbundene abstraktere Perspektive einnehmen.“ Rollen- und kontextbezogene Informationen wie persönliche Bindungen sind für Frauen wichtiger, um eine Entscheidung zu treffen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Die Menschen machen ihr eigenes und das Leben der anderen zur Hölle

Konrad Paul Liessmann, der wissenschaftliche Leiter des Philosophicum Lech hat für das 22. Symposium den provokanten Titel „Die Hölle. Kulturen des Unerträglichen“ gewählt. Die Hölle, das sind die anderen. Die hochkarätigen Teilnehmer beleuchteten die vielen Gesichter des Fegefeuers: von den Torturen der Sucht über das Leben mit Gewalt bis zu quälender Armut und von der Beziehungshölle über die Tücken der Blutsbande bis hin zur teuflischen Desinformation im digitalen Zeitalter. Seit Jean-Paul Sartres existentialistischer Deutung der Hölle ist klar: Es sind die Menschen selbst, die sich ihr eigenes und das Leben der anderen zur Hölle machen. Konrad Paul Liessmann zitiert in seinem Beitrag den deutschen Schriftsteller Botho Strauß, der in einem seiner Texte noch einmal die ursprünglichsten Funktionen der Hölle verweist: eine Imagination der Gerechtigkeit, gespeist aus dem Geist der Rache und Vergeltung bei gleichzeitigem Eingeständnis der eigenen Ohnmacht.

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Beim Ich könnte es sich um eine Illusion handeln

„Das Ich“ ist ein ominöser Begriff, der heute neben „dem Selbst“ vage als Name für die Schaltzentrale des Denkens, Fühlens und Wollens verwendet wird. Neurozentriker argumentieren üblicherweise dafür, dass es kein Ich oder Selbst gibt, da es sich im Gehirn nicht nachweisen lässt. Markus Gabriel erklärt: „Es ist völlig richtig, dass das Ich oder das Selbst kein Ding unter Dingen ist. Es existiert nicht in derselben Ordnung der Dinge neben Ratten, Katzen oder Matratzen. Wer dies meint, täuscht sich in der Tat.“ Es ist nämlich die Philosophie, den Ichbegriff entwickelt hat. Dass es sich beim Ich um eine Illusion handeln könnte, ist ein alter Verdacht, für den prominent Buddha, David Hume und Friedrich Nietzsche stehen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Das Freiheitsstreben der Menschen ist die mächtigste Kraft in der Geschichte

Das Thema der Ausgabe 03/2018 des philosophischen Wirtschaftsmagazins agora42 lautet „Befreiung“. Befreiung ist ein schönes Wort schreibt Chefredakteur Frank Augustin. Doch wer realistisch ist, für den bedeutet es zunächst Entzug; den Entzug von der Normalität. Gegliedert ist das Heft in drei Teile. Im ersten Abschnitt werden Begriffe, Theorien und Phänomene vorgestellt, die für das gesellschaftliche Selbstverständnis grundlegend sind. Da geht es zum Beispiel um das Pathos der Freiheit oder um die Befreiung vom destruktiven Wachstum. Im Porträt stellt Katalin Bolyhos den französischen Existenzialisten Jean-Paul Sartre vor. Der zweite Teil enthält ein Interview mit Johannes Galli, der Scheitern als Befreiung begreift. Im dritten Teil des Magazins brechen die Autoren zu neuen Ufern auf. Sie stellen sich die Frage, wie sich eine andere gesellschaftliche Wirklichkeit denken lässt und wie sich konkrete Veränderungen herbeiführen lassen.

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Selbststeuerung ist keine angeborene Eigenschaft

Besonders hilfreich kann das Wissen um die Geheimnisse der Selbststeuerung bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen sein, deren Selbststeuerung meistens noch zu wünschen übrig lässt. Diesen Mangel kann man den Jungen allerdings nicht verübeln, denn eine funktionierende Selbststeuerung ist keine angeborene Eigenschaft. Angeboren ist lediglich die Fähigkeit, sie zu erwerben. Bei diesem Erwerb spielen die Erwachsenen eine entscheidende Rolle, der sie allerdings seit geraumer Zeit nicht mehr hinreichend nachkommen. Joachim Bauer stellt fest: „Jeder Mensch ist anders. Daher gibt es nicht den einen, richtigen Weg zu guter Selbststeuerung. Jede und jeder muss sie eigene, für sich persönlich richtige Route finden.“ Zur Kunst der Selbststeuerung gehört, auf zahlreiche, der bewussten Wahrnehmung leicht entgehende Versuche der Beeinflussung zu achten. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

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Die individuelle Freiheit ist das höchste Gut der menschlichen Existenz

Viele Menschen in den reichen Staaten des Westens sind so frei wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und doch fühlen sie sich oft gefangen, erdrückt von Anforderungen, getrieben durch inneren Leistungszwang. Das neue Philosophie Magazin 05/2018 versucht in seinem Titelthema die Frage zu beantworten, warum diese Menschen nicht mehr aus ihrer Freiheit machen. „Mach die Ding!“, „Lebe deinen Traum!“ – das sind die Imperative der Gegenwart. Aber wie das so ist mit großen Sehnsüchten verweisen sie umso deutlicher auf einen Mangel. Zeitnot, Stress, Beschleunigung, Angst vor der Zukunft, Burn-out. Von einem geglückten Leben scheinen die meisten Menschen nach wie vor weit entfernt. Eine Ausrede, die auf die widrigen Verhältnisse verweist, würde ein Denker wie Jean-Paul Sartre niemals gelten lassen. Denn seiner Meinung nach ist der Mensch dazu verurteilt, seine Existenz selbst zu entwerfen und sich in jeder konkreten Situation für die Freiheit zu entscheiden.

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Im Existenzialismus ist der Mensch zur Freiheit verurteilt

Wer den Existenzialismus als bloße Modeerscheinung betrachtet, der irrt sich gewaltig. In seinem Kern möchte er das Denken auf das konkrete Leben zurückführen. Die Grundeinsicht der Moderne, dass Gott tot ist und der Mensch in der Welt keinen Sinn finden kann, betrachteten die Existentialisten nicht als Bürde, sondern als Chance. Catherine Newmark, Chefredakteurin der Sonderausgabe des Philosophie Magazins „Die Existenzialisten“ schreibt in ihrem Vorwort: „Sie folgerten daraus, dass jeder Mensch vollkommen frei ist, sein eigenes Schicksal zu gestalten.“ Eine starke Anziehungskraft übte der Existenzialismus auf die Emanzipationsbewegungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus, welche die Gesellschaften des Westens nachhaltig verändert haben. Sie reichen vom Antikolonialismus über die Studentenrevolte der 60iger Jahre bis zum Feminismus und zur Schwulenbewegung. Auch in der Gegenwart haben die Gedanken der Existenzialisten wieder eine herausragende Aktualität. Denn die Freiheit, die jeder Einzelne besitzt, ist untrennbar mit der Verantwortung für sich selbst und die Welt verbunden.

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Der Mensch muss das Wesen seiner Existenz selbst bestimmen

Søren Kierkegaard vertritt die Ansicht, dass alle Menschen und Situationen einzigartig sind, sodass auch die Entscheidungen und Verpflichtungen ganz individuell getroffen werden müssen. Søren Kierkegaard erhebt auch den Anspruch, den Einzelnen und das Allgemeine zusammenzubringen. Die Pflicht ist für ihn nicht etwas, das sich aus den Abwägungen der Vernunft erschließt, sondern auch etwas Gefühltes, für das vor allem die Tiefe als Maßstab gilt. Søren Kierkegaard schreibt: „Und beim Ethischen kommt es ja nicht auf die Mannigfaltigkeit der Pflichten, sondern auf ihre Intensität an.“ Ludger Pfeil stellt fest: „Viele Menschen fühlen sich heute nicht mehr in gleicher Weise an Prinzipien gebunden, die ihnen von Autoritäten vorgegeben werden, sondern wollen von Fall zu Fall eigenständig entscheiden, was das Richtige in einer bestimmten Situation darstellt.“ Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Alles wirklich Wichtige kann der Mensch selbst bestimmen

Als Daniel Klein Jean-Paul Sartre und seinen existentialistischen Mitstreiter Albert Camus zum ersten Mal las, war er hingerissen. Das war eine Philosophie, in der es um das Leben ging, um Sinnfindung und das persönliche Verhalten. Es war die Art von Philosophie, nach der er von Anfang an gesucht hatte. Jean-Paul Sartre sagt, dass menschliche Wesen im Unterschied zu den Gegenständen in der Welt nicht durch ihre Eigenschaften definiert werden können. Denn Menschen können über ihr ganzes Leben hinweg ihre grundlegenden Eigenschaften und Zwecke selbst erschaffen und verändern. Es ist also sinnlos zu sagen, ein Mensch hätte eine unveränderliche, ihn festlegende Essenz. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Für Außenstehende wirkt Polyamorie erst einmal bizarr

Die Scheidungsraten tendieren in den modernen Gesellschaften des Westens fast überall gegen 50 Prozent. Einer der Hauptgründe für das Aus einer Ehe ist die Untreue. Während das für viele ein unverzeihlicher Bruch des Vertrauens ist, sehen immer mehr Menschen im „Zweigleisig-Fahren“ allerdings keinen Grund zur Trennung. Im Gegenteil, sie lösen sich von der Vorstellung der romantischen Zweierbeziehung und machen „Untreue“ zur Normalität. Die Definition von Beziehung ist dabei sehr unterschiedlich. Die einen öffnen sich für die Sexualität mit Dritten, die anderen wenden sich der Polyamorie zu. Letzteres bezeichnet ein Beziehungskonzept, in dem mehrere Beziehungen parallel geführt werden können. Vor nicht allzu langer Zeit sahen Beziehungen noch ganz anders aus. Meist war die Frau vom Mann stark abhängig – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich.

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Jean-Paul Sartre: „Alle Menschen sind frei“

Jean-Paul Sartre (1905 – 1980) ist der berühmteste Philosoph des Existenzialismus. Er war auch Romanautor, Theaterdichter und Biograph. Häufig befand er sich in der Gesellschaft einer schönen, hochintelligenten Frau – Simone de Beauvoir (1908 – 1986). Sie war seine langjährige Lebensgefährtin. Genau wie Jean-Paul Sartre war Simone de Beauvoir Philosophin und schrieb Romane. Die verfasste das wichtigste feministische Werk „Das andere Geschlecht“ (1949). Jean-Paul Sartre hatte ein langes, schwieriges Buch mit dem Titel „Das Sein und das Nichts“ (1943) geschrieben, das während des Kriegs veröffentlicht wurde. Nigel Warburton erklärt: „Das zentrale Thema des Werks war die Freiheit. Die Menschen sind frei.“ Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Nur der Mensch hat die Fähigkeit zur Selbstbestimmung

Das Wählen ist für den Menschen eine Pflichtaufgabe. Das hat der Philosoph Jean-Paul Sartre den „Zwang zur Freiheit“ genannt. Ein Mensch wählt immer, ob er sich nun dessen bewusst ist oder nicht. Reinhard K. Sprenger betont: „Aber das bewusste Wählen ist es gerade, dass der Wahl die Würde gibt. Echte Verantwortung erwächst also aus einer bewussten Wahlentscheidung.“ Ein Weiser sagt: „Wähle, was du tust, dann tust du immer, was du gewählt hast.“ Wer sich dagegen als Opfer der Umstände erlebt, macht andere verantwortlich, lebt nicht selbstbestimmt. Dann hat das Jammern kein Ende. Dann zahlt man den höchsten Preis, den man in diesem Leben zahlen kann: den Verlust der Selbstachtung. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Menschen brauchen soziale Resonanz

Eine passende Rückmeldung der Umwelt ist nicht nur in den ersten Lebensjahren essenziell für einen Menschen. Ulrich Schnabel erklärt: „Auch in späteren Jahren sind wir auf „Resonanz“ von außen angewiesen.“ Zwar reagieren Menschen mit zunehmenden Alter weniger labil auf äußere Einflüsse, weil sich die Persönlichkeit ausgeformt und an Stabilität gewinnt. Dennoch bleibt man ein soziales Wesen, das bis ins hohe Alter offen ist für den Austausch von Liebe und Zuneigung, das Teilen von Trauer und Trost und die Auseinandersetzung über unterschiedliche Standpunkte. Diese Resonanz mit der Außenwelt ist umso ausgeprägter, je mehr man sich mit den jeweiligen Mitmenschen verbunden fühlt und je mehr Zeit man mit ihnen verbringt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Markus Gabriel verteidigt die geistige Freiheit

Markus Gabriel zählt zu den Verteidigern des Begriffs „geistiger Freiheit“. Zu diesem gehört, dass Menschen sich täuschen und irrational sein können. Zu dem gehört aber auch, dass Menschen imstande sind, herauszufinden, was der Fall ist. In der Philosophie ist es wie in jeder anderen Wissenschaft auch: Wissenschaftler formulieren Theorien, geben Gründe für diese, berufen sich auf Tatsachen, die man erkennen und in einem bestimmten Licht verstehen sollte und so weiter. Markus Gabriel erklärt: „Eine Theorie besteht aus Überlegungen, die wahr oder falsch sein können. Infallibel ist niemand, auch und vor allem nicht auf dem Gebiet der Selbsterkenntnis. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Beim Existenzialismus geht die Existenz der Essenz voraus

Jean Paul Sartre sagt über die Handlung eines Menschen folgendes: „Sie sind frei, wählen Sie, das heißt, erfinden Sie. Keinerlei allgemeine Moral kann Ihnen einen Hinweis geben, was zu tun ist.“ Jean Paul Sartre, der von 1905 bis 1980 lebte, war einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Was der Existenzialismus ist, lässt sich laut Rupert M. Scheule erstaunlicherweise recht präzise sagen. Es hat zu tun mit dem in Philosophie und Leben immer schon bekannten Unterschied zwischen Essenz und Existenz, zwischen dem Wesen und dem Sosein in einer bestimmten Situation. Eine Philosophie, die stark an der Kategorienlehre des Aristoteles geschult ist, würde sagen, dass sich aus der Essenz die Existenz ergebe und ergeben müsse. Rupert M. Scheule ist Professor für Moraltheologie und Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Fulda.

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