Multikulti versus Monokulti spaltet Deutschland

Als der Göttinger Politikwissenschaftler Bassam Tibi 1998 den Begriff „Leitkultur“ ins öffentliche Gespräch brachte, ging das intellektuelle Ringen um das Selbstverständnis einer erwachsen gewordenen Nation nach dem Historikerstreit Mitte der 80er- Jahre in eine neue Runde. Christian Schüle erläutert: „Bassam Tibi hatte versucht, mit Demokratie, Laizismus, Aufklärung, Menschenrechten und Zivilgesellschaft eine kollektive Identität europäischer Nationen zu begründen.“ Zwei Jahre später nationalisierte Friedrich Merz, der damalige Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, den so eingeführten Begriff mit dem Satz, Migranten hätten sich einer „gewachsenen, freiheitlichen deutschen Leitkultur“ anzupassen – was gewiss als Gegenentwurf einer multikulturellen Gesellschaft zu verstehen war. Eine heftige Debatte folgte, Publizisten, Herausgeber, Juristen und Politiker ergriffen das Wort, und die Grünen konterten Merz` Forderungen mit dem Vorwurf, von nun an sei ein „Feuerwerk des Rassismus“ aus der Union zu befürchten. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Andreas Wirsching nennt Gründe für die Globalisierung

Das nachhaltigste Schlagwort der beiden Jahrzehnte nach dem Umbruch von 1989 lautete ohne Zweifel „Globalisierung“. Das damit bezeichnete Phänomen hat laut Andreas Wirsching, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, eine Unmasse von Beschreibungen und Analysen hervorgebracht. Und kaum ein anderes zeitgenössisches Thema ist seiner Meinung nach ähnlich unterschiedlich, ja konträr bewertet worden. Andreas Wirsching schreibt: „Geradezu messianischem Lobpreis stand und steht nicht selten ein Verdammungsurteil entgegen, das praktisch alle sozialen und politischen Probleme des neuen Europa durch die Globalisierung bedingt sieht.“ Andreas Wirsching zitiert auch Pierre Bourdieu, der die Globalisierung als bloßes Schlagwort betrachtet, das sachlich nur wenig aussagt, sich dafür aber umso besser als pseudo-argumentatives Druckmittel eignet, um neoliberal definierte Interessen im Diskurs durchzusetzen.

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Die Globalisierung ist für Daniel Goeudevert ein Irrweg

Daniel Goeudevert vertritt die These, dass für die Klassiker der modernen Ökonomie, für Adam Smith, David Ricardo, John Stuart Mill oder Vilfredo Pareto, ein funktionierender Markt tatsächlich so etwas wie ein Gerechtigkeit herstellender Mechanismus ist. Daniel Goeudevert erklärt: „Ein entscheidender Gedanke hierbei ist, dass sich sowohl die Produktion von Gütern und Dienstleistungen als auch deren Konsum nicht unendlich steigern lassen, sondern dass solche Steigerungen dem „Gesetz der rückläufigen Erträge“ sowie dem „Gesetz des rückläufigen Grenznutzens“ unterworfen sind.“ Auf solchem rückläufigen Nutzen wiederum beruht laut Daniel Goeudevert das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage und damit letztlich auch der Wert oder Preis von Waren. Der Topmanager Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Paul Nizon wird immer noch als Geheimtipp gehandelt

Zu den Bewunderern des Schweizer Schriftstellers Paul Nizon zählten unter anderem Max Frisch, Elias Canetti und Frédéric Beigbeder, der ihn als einen der wichtigsten Autoren der Gegenwart bezeichnete. Paul Nizon war der erste deutsch schreibende Schriftsteller, der seine Figuren neben einem Herz und einem Hirn auch mit einer Sexualität ausstattete. Paul Nizon sagt: „Ich habe den Sexus in die deutsche Literatur eingeführt.“ Seine eigenen Beziehungen mit dem weiblichen Geschlecht sind seiner Meinung nach vor allem deswegen alle gescheitert, weil er zu sehr mit dem verdammten Schreiben liiert ist. Erst kürzlich hat er seine Tagebücher aus den Jahren 2000 bis 2010 veröffentlicht, die den Titel „Urkundenfälschung“ tragen.

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Nathan Wolfe sucht im Dschungel nach Killerviren

Den wesentlichsten Grund, warum er viel im Dschungel unterwegs ist, beschreibt der Virologe Nathan Wolfe wie folgt: „Da draußen leben endlos viele unbekannte Viren. Sie bedrohen die Menschheit stärker als die heftigsten Vulkanausbrüche, Wirbelstürme oder Erdbeben, die wir uns vorstellen können.“ Seiner Meinung nach ist es ein großer Fehler, dass Infektionskrankheiten vor allem in der westlichen Welt überwacht werden, denn die Killerviren kommen tatsächlich aus der Wildnis. Nathan Wolfe arbeitet vor allem deshalb im Dschungel, weil er die Viren möglichst in dem Moment erkennen möchte, in dem sie auf den Menschen überspringen. Der Wissenschaftler sagt: „Ich möchte sie entdecken, bevor sie uns Menschen finden. Dazu muss man sie gut beobachten.“ Der Virologe Nathan Wolfe hat im Jahr 2007 die Global Viral Forecasting Initiative gegründet, mit der er versucht, neuartige Infektionskrankheiten aufzuspüren. Sein neues Buch „Virus – Wiederkehr der Seuchen“ ist im Rowohlt-Verlag erschienen.

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Daniel Goeudevert nennt die Regeln der Globalisierung

Auf den internationalen Märkten geht es scheinbar zu wie immer. Es wird gekauft und verkauft, es gibt Angebot und Nachfrage, Produzenten und Konsumenten. Und dennoch hat dies laut Daniel Goeudevert immer weniger mit der Ökonomie im klassischen Sinne zu tun, auch wenn die Verfechter der Globalisierung ständig das Gegenteil behaupten. Die Anhänger des weltweiten Freihandels fordern ständig Programme und Maßnahmen, die Länder fit machen sollen, um den Stürmen der Globalisierung zu trotzen. Daniel Goeudevert schreibt: „Die Antreiber solcher Fitnesskuren sind multinationale Konzerne und eine weltweit sehr agile Finanzindustrie sowie deren Lobbyisten in den einflussreichen internationalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Welthandelsorganisation (WHO) und der Weltbank. Der Topmanager Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Spekulationen mit Währungen müssen verboten werden

Für Heiner Flassbeck ist die Marktwirtschaft nicht ein System, in dem jeder tun und lassen kann, was er will, sondern ein dienendes Element, aber nur ein Teil einer funktionierenden Demokratie. Die Blüte des marktwirtschaftlichen Systems war seiner Meinung nach die unmittelbare Folge des dramatischen Kollapses der gesamten Weltwirtschaft zu Beginn der 30iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Heiner Flassbeck erklärt: „Nur weil nach der großen Depression die wichtigsten Regierungen die Finanzmärkte strikt reguliert und auch international verhindert haben, dass mit der Nichtregulation der globalen Märkte Schindluder getrieben wurde, hat es das Wirtschaftswunder auf der ganzen Welt gegeben.“ Ohne das System von Bretton Woods und die amerikanische Regulierung der Finanzmärkte hätte es laut Heiner Flassbeck das deutsche Wirtschaftswunder nicht gegeben. Heiner Flassbeck arbeitet seit dem Jahr 2000 bei den Vereinten Nationen in Genf und ist dort als Direktor zuständig für die Division Globalisierung und Entwicklung.

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Tony Judt beklagt die Privatisierung von Staatsbetrieben

Eine allgemeine Folge der geistigen Wende, die das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts geprägt hat, ist für Tony Judt die Verherrlichung des Privatunternehmers und der Privatisierungskult. Für die Anhänger dieser Ideen ist die Abschaffung staatlicher Dienstleistungen rein pragmatisch gewesen. Man verspricht sich in Zeiten knapper öffentlicher Kassen, Einsparungen. Unwirtschaftliche Staatsunternehmen oder teure öffentliche Dienstleistungsbetriebe wie zum Beispiel Wasserwerke oder Eisenbahn werden privatisiert. Auf diese Weise fließt sofort Geld in die leeren öffentlichen Kassen und durch das Interesse der neuen Eigentümer am Profit steht das privatisierte Unternehmen bald viel effizienter da. Auf den ersten Blick ist die Privatisierung gemäß Tony Judt eine Abkehr von der politischen Ideologie und eine Hinwendung zu strikter Wirtschaftlichkeit.

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Ralf Dahrendorf fordert eine Weltbürgergesellschaft

Unter allen wichtigen Dingen, die es zu tun gibt, sind für Ralf Dahrendorf diejenigen am wichtigsten, die Menschen in bisher benachteiligten Teilen der Welt helfen, den Weg zu freien Bürgergesellschaften zu finden. Die Bewohner in unterentwickelten Staaten brauchen nicht nur ein größeres wirtschaftliches Angebot, sondern auch die vollen Anrechte des Bürgerstatus und beide müssen in einem breiten Spektrum von Assoziationen und autonomen Institutionen verankert werden. Ralf Dahrendorf schreibt: „Regierungen können helfen, den Angebotsprozess in Gang zu bringen; internationale Organisationen können bürgerliche Anrechte stabilisieren helfen. Alles Übrige aber ist die Aufgabe von nationalen und internationalen „NGOs“, also Nicht-Regierungs-Organisationen.“

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Okwui Enwezor wird neuer Direktor am Haus der Kunst

Okwui Enwezor, unbestritten ein Kurator von Weltrang, übernimmt ab 1.Oktober 2011 die Leitung des Münchner Hauses der Kunst und tritt die Nachfolge des bisherigen Direktors Chris Dercon an, der an die Spitze der Londoner Tate Modern wechselt. Zu den Ruhmestaten von Okwui Enwezor zählen, dass er wie vielleicht kein anderer Kurator die Gegenwartskunst in den vergangenen fünfzehn Jahren internationalisiert hat. Außerdem hat er sich radikal von der Selbstbezogenheit der Kunst verabschiedet, soziale und politische Anliegen in den Vordergrund gerückt sowie die Museen für Fotografen, Videokünstler und Meister der Installation aus Arabien, Asien und Schwarzafrika geöffnet.

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