Der Kulturkonsument ist kein Allesfresser

Die Grenze zwischen Hochkultur und Populärkultur löst sich zukünftig auf. Die traditionelle Hochkultur hat für die neue Akademikerklasse ihren privilegierten Status als Ausdruck des legitimen Geschmacks verloren. Andreas Reckwitz nennt als Beispiele die klassische Musik, die Literatur und die bildende Kunst. Vielmehr greift man nun vorurteilslos auch auf vormals eindeutig als populärkulturell qualifizierte Quellen zurück. Andreas Reckwitz nennt Beispiele: „Man besucht Pop-Konzerte, schaut Hollywood-Blockbuster oder begeistert sich im Fußballstadion.“ Der amerikanische Soziologe Richard Peterson hat daraus den Schluss gezogen, dass der postmoderne Kulturkonsument zu einem „Allesfresser“ geworden ist. Dabei geht es hier nicht um eine wie auch immer entstandene Geschmacksdifferenz. Denn nun ist potenziell alles geeignet, zur Entfaltung eines nach Authentizität und Selbstverwirklichung strebenden Lebensstils beizutragen. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Kultur kann auch eine Form des Widerstands sein

Intelligenz ist kein Kriterium für die Beurteilung kultureller Praktiken. Weder ist es intelligent, Bacardi zu trinken, noch besonders dumm, ein Flamenco-Tänzer zu sein. Anders sieht es bei der Ideologie aus. Terry Eagleton erläutert: „Obwohl sie in weiten Teilen plausibel, komplex und theoretisch anspruchsvoll sein kann, macht sich ihre Gegenwart häufig in einem plötzlichen und unerklärlichen Rückgang des intellektuellen Niveaus bemerkbar.“ Das ist der Fall, wenn gescheite, weltkluge Menschen plötzlich mit Äußerungen aufwarten wie „Wer Arbeit will, findet auch welche“ oder „2025 wird es in Großbritannien mehr Muslime als Nicht-Muslime geben“. Man spürt, dass hier Kräfte am Werk sind, die die Vernunft zum Schweigen bringen. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Die Nation funktioniert nur als Imagination

Seit Benedict Anderson weiß man: Die Nation ist eine „imaginated community“ eine vorgestellte Gemeinschaft. Dieser Titel des wohl bekanntesten Buches (1983) des amerikanischen Politikwissenschaftlers ist zu einem geflügelten Wort geworden. „Imaginated community“ bedeutet, dass die Nation als Vorstellung, als Imagination funktioniert. Isolde Charim fügt hinzu: „Man könnte auch sagen: Die Grundlage der homogenen Gesellschaft war die politische Vorstellungskraft. Die Leute haben an die Nation geglaubt. Sie haben an die Nation als eine Realität geglaubt.“ Und deshalb hat die Nation, so fiktiv sie auch immer gewesen sein mag, funktioniert. Deshalb hat diese Vorstellung, die Vorstellung „wir sind eine Nation“, tatsächlich eine nationale Gesellschaft hervorgebracht. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Arthur Schopenhauer verfügte über eine enorme Originalität

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) ist für Vittorio Hösle einer der größten Stilisten unter den deutschen Philosophen. Wo Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) nur sprachgewaltig ist, ist Arthur Schopenhauer zugleich unübertrefflich klar und elegant. Vittorio Hösle rät jedem, der deutsch zu schreiben wagt, seinen Essay „Über Schriftstellerei und Stil“ zu lesen. Vittorio Hösle fügt hinzu: „Sein phänomenologischer Blick ist durchdringend, die Fülle seiner Interessen ähnlich enzyklopädisch wie bei Hegel, sein architektonisches Talent beim Systembaubeachtlich.“ Die Originalität Arthur Schopenhauers ist enorm. Er ist es, der die seit den Griechen bestehende Logosphilosophie radikal herausgefordert hat, ohne auf die flache und ebenfalls seit der Antike vertraute Alternative des Materialismus zu verfallen. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Die Bedeutung und der Umgang mit Zahlen in alten Kulturen

Mit Zahlen umgehen zu können, war in alten Zeiten die Schlüsselkompetenz für ein reiches und sorgenfreies Leben. Vermessungsbeamte in Ägypten hatten bereits einen wichtigen Schritt in diese Richtung vollzogen: Sie konnten mit Zahlen rechnen, die über ein Dutzend hinausgingen und bei einigen Hundert endeten. Rudolf Taschner ergänzt: „So weit musste man rechnen können, um den Bauern die Felder nach den Anzahlen der Klafter, die diese Äcker lang und breit waren, zuteilen zu können. Auch um die Getreidesäcke zählen zu können, welche die Bauern ablieferten.“ Ganz hoch auf der Karriereleiter konnten jene Beamten und Schreiber im alten Ägypten klettern, die sogar über mehrere Hundert, ja über tausend hinaus zu zählen und zu rechnen verstanden. Rudolf Taschner ist Professor an der Technischen Universität Wien. Im Jahr 2004 wurde er zum Wissenschaftler des Jahres gewählt. Seine Bücher wurden vielfach ausgezeichnet.

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Die Kopffüßler von Horst Antes erfreuen sich großer Popularität

Anfang der sechziger Jahre machten die Kopfmenschen den deutschen Maler Horst Antes berühmt. Die Kopffüßler, wie sie später genannt wurden, wirkten wie Monolithen mit riesigen Füßen und markanten Gesichtern, die wie in Stein gemeißelt erschienen. Die surrealen Schönheiten erinnern auch an die Statuen der Osterinseln, an die magischen Figuren einer längst versunkenen Hochkultur. Seine Kopfwesen haben es inzwischen zu großer Popularität gebracht. Sie hängen als Drucke in Wohnzimmern und den Lobbys von Unternehmen. Im Gegensatz zu den Werken von Georg Baselitz, Anselm Kiefer oder Markus Lüpertz wirken seine Gemälde freundlich und dem Betrachter zugewandt. Exzesse, Gräuel und spektakuläres Berserkertum sucht man auf seinen Bildern vergeblich. Horst Antes wurde 1936 an der Bergstraße geboren. Im Jahr 1963 war er Stipendiat der Villa Massimo und nahm während seiner Künstlerkarriere allein bis 1977 dreimal an der weltberühmten Documenta in Kassel teil und gewann Preise auf der Kunstbiennale.

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Vietnam wird von Reiseexperten als Perle Indochinas bezeichnet

Vietnams Aufstieg vom weißen Fleck auf der Landkarte zum populären Reiseziel ist für das Autorenduo Wolf-Eckart Bühler und Hella Kothmann atemberaubend. Das Handbuch für individuelles Reisen über Vietnam ist nun schon innerhalb von zwanzig Jahren in der 11. Auflage im Reise Know-how Verlag erschienen. Kamen 1989 etwa 70.000 ausländische Touristen nach Vietnam, waren es im Jahr 2010 schon über fünf Millionen. Ein Jahr später waren es schon sechs Millionen. Allein aus Deutschland wählten 175.000 Urlauber Vietnam als Reiseziel. Fast 50 Seiten haben Wolf-Eckart Bühler und Hella Kothmann Hanoi gewidmet. Kein Wunder, verzaubert doch die tausendjährige Altstadt alle Besucher und zählt ohne Zweifel zu einer der schönsten Städte Asiens. Die Autoren schreiben: „Hanoi hat Stil und Anmut und wirkt im Gegensatz zum kommerzorientierten Saigon elegant, vornehm, ja großbürgerlich.“

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George Steiner kämpft gegen die Sinnzerstörer

Der Philosoph George Steiner hat einmal über seine Zunft gesagt, dass sie Flöhe im Pelz der Löwen seien. Der große Denker ist von einer grundlegenden weltanschaulichen Perspektive geprägt: dass die heutige Menschheit zu den Spätgeborenen zählt und die wirklich großen Leistungen auf dem Gebiet des Denkens und der Künste in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtigen Philosophen und Künstler leben in dürren Zeiten und sind höchstens der Epilog einer einst vitalen Hochkultur. Sie gehören einem byzantinischen Zeitalter an, das nichts mehr Eigenes schafft, sondern nur die Überlieferungen kommentiert. Sie sind für George Steiner melancholische Bewohner der Abenddämmerung, die in die untergehende Sonne blinzeln. Die einzige vertretbare Haltung gegenüber den Kulturmonumenten der Vergangenheit ist deshalb die Demut.

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