Peter Bieri philosophiert über Formen der intimen Begegnungen

Manchmal haben Menschen das Bedürfnis, anderen den intimen Raum zu öffnen, in dem sie leben. Sie lassen sie ihre Räume betreten und teilweise sogar darin wohnen. Sie dürfen die Bücher und Bilder betrachten, das Bad benutzen und in der Küche kochen. Umgekehrt gilt das genauso. Peter Bieri erklärt: „Dadurch entstehen Beziehungen, die wir intime Beziehungen nennen. Für die geteilte Intimität gibt es Abstufungen. Es ist eine Frage, wie weit wir uns öffnen und wie viel wir von uns sichtbar werden lassen.“ Die Intimität wächst seiner Meinung nach in dem Maße, in dem Menschen über den intimen Raum hinaus auch Einblick in ihre Innenwelt gewähren, in den innersten Bezirk ihres Denkens, Fühlens und Wünschens. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

Weiterlesen

Den Ausgleich von Leid nennt man Rache oder Vergeltung

Wenn jemand einem anderen Menschen wissentlich Leid zufügt, verspürt das Opfer Empörung, Groll oder sogar Hass. Solche Empfindungen verlangen, dass etwas geschieht: ein Ausgleich von Leid, der zur Besänftigung des Zorns beiträgt. Peter Bieri erklärt: „Diesen Ausgleich nennen wir Rache oder Vergeltung. Das ist es, was die Opfer von den Richtern erwarten: dass sie den Täter hinter Gitter bringen und so Leid mit Leid vergelten.“ Wer ein mildes Urteil ungerecht nennt, dann meint er: Das ist nicht Leid genug, um begangenes Leid aufzuwiegen. Und auch wenn Menschen ohne Richter Vergeltung üben, sprechen sie manchmal von Gerechtigkeit. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

Weiterlesen

Die Vermeidung von Feindschaften ist ein erstrebenswertes Ziel

Feindschaften im Beruf, Ehekriege und andere persönliche Auseinandersetzungen beginnen oft mit Nichtigkeiten, die in manchen Fällen immer mehr eskalieren und sich dann sogar in jahrelangen Stellungskriegen austoben können. Andreas Salcher erläutert: „Gelingt es nicht, private Konflikte ganz am Anfang mithilfe von Freunden, Meditatoren oder aus eigener Einsicht zu lösen, erreichen diese schnell einen Punkt, an dem beide Seiten glauben, nicht mehr zurückzukommen.“ Je mehr Energie man seinen Feinden widmen muss, desto weniger steht einem zur Verfügung, um seine Ziele zu erreichen und sein Leben zu genießen. Diejenigen Menschen, die sich von ihrer Vernunft leiten lassen, wägen daher genau ab und kommen meistens zu dem Ergebnis, dass es mutiger ist, sich nicht auf irgendein Scharmützel einzulassen, als vielleicht zu siegen. Dr. Andreas Salcher ist Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule in initiierte die Waldzell Meetings im Stift Melk. Er ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs.

Weiterlesen

Die menschliche Existenz ist absurd und vom Zufall bestimmt

Jean-Paul Sartre, der von 1905 bis 1980 lebte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu dominierenden Identifikationsfigur des französischen Existentialismus. Angesichts der katastrophalen und auch ideellen Zerstörungen und Verwüstungen schien lediglich die aus sich selbst zurückgeworfene einzelne Existenz übrigzubleiben. Jean-Paul Sartre analysiert diese Situation umfassend in seinem Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“. Darin stellt er das Für-sich-sein des Menschen in Bewusstsein und Freiheit, dass bewusstlose An-sich-sein der Objektivität gegenüber. Das Für-sich-sein ist durch das Nichts begründet. Existenzdialektisch formuliert, heißt das dann: Die Menschen sind, was sie nicht sind, und sie sind nicht, was sie sind. Faktizität und Transzendenz bestimmen einander. Entsprechend radikal ist das Verständnis der Freiheit bei Jean-Paul Sartre: Die Menschen sind zur Freiheit verurteilt. Die menschliche Existenz ist vom Zufall bestimmt und absurd.

Weiterlesen

Kurt Tucholsky ist dem Erbe der Aufklärung verpflichtet (3. Teil)

Bereits im Jahr 1913 steigt Kurt Tucholsky zum wichtigsten Autor der „Schaubühne“ auf, obwohl es erst das erste Jahr seiner Mitarbeit ist. Er schreibt nicht nur unter seinem eigenen Namen, sondern auch unter den Pseudonymen Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel. Kurt Tucholsky verbirgt sich hinter seinen verschiedenen Namen, sucht damit auch sein eigentliches, verletzliches Ich unsichtbar zu machen. Er legt auch falsche Spuren für die, die den Menschen Kurt Tucholsky hinter dem Schriftsteller suchen. Er ist ein Mann, der zwar in der Öffentlichkeit steht und doch meist Sehnsucht nach der Zurückgezogenheit hat, nach der Geborgenheit der Einsamkeit und Stille, die er sucht, während er sich aber gleichzeitig darüber beklagt, dass sein tiefstes Gefühl sei, immer allein zu sein.

Weiterlesen

Der Regisseur David Fincher stiftet mit seinen Filmen Unruhe

Seit seinem Film „Seven“ gilt der Regisseur David Fincher in Hollywood als Fürst der Unterwelt. Jetzt kommt sein Ehedrama „Gone Girl“ in die Kinos. David Fincher sucht nicht wie mancher seiner Regiekollegen die Distanz zu den großen Hollywood-Filmstudios, denn sie lassen ihm bei seiner Regiearbeit die Freiheiten, die er braucht. Aber er sieht Vorteile in seiner Eigenständigkeit, die er sich durch ein 1.000 Quadratmeter großes Privatstudio geschaffen hat. Hier steht ihm auch die ganze Technik, die er zum Filmemachen braucht, zur Verfügung: Schnitträume, Nachbearbeitung am Computer, Postproduction. David Fincher geht ein Ruf als Künstler voraus, der alles perfekt kalkuliert. Ganz so möchte er diese Annahme dann doch nicht stehen lassen: „Sagen wir lieber durchdacht. Das Nachdenken über bestimmte Entscheidungen ist der schwierigste Teil des Filmemachens – und einer, der praktisch nie gewürdigt wird.

Weiterlesen

Erich Fromm stellt das Paradoxe und Wesen der Hoffnung vor

Die Hoffnung ist für Erich Fromm von paradoxer Gestalt. Sie ist weder ein untätiges Warten noch ein unrealistisches Herbeizwingenwollen von Umständen, die nicht eintreffen können. Sie gleicht seiner Meinung nach einem kauernden Tiger, der erst losspringt, wenn der Augenblick zum Springen gekommen ist. Erich Fromm fügt hinzu: „Weder ein müder Reformismus noch ein pseudo-radikales Abenteurertum ist ein Ausdruck von Hoffnung. Hoffen heißt, jeden Augenblick bereit sein für das, was noch nicht geboren ist, und trotzdem nicht verzweifeln, wenn es zu unseren Lebzeiten nicht zur Geburt kommt.“ Es hat für ihn keinen Sinn, auf etwas zu hoffen, was bereits existiert oder was nicht sein kann. Erich Fromm behauptet, dass ein Mensch mit einer schwachen Hoffnung, sich entweder für das Bequeme oder für die Gewalt entscheidet.

Weiterlesen

George Packer schildert hautnah den Niegergang Amerikas

Seit dem Irakkrieg hat George Packer den Eindruck, dass Amerika die großen Dinge nicht mehr gelingen. Schon im Jahr 2008 als er über die Wahl und die Finanzkrise schrieb, war das Bild in den Vereinigten Staaten von Amerika apokalyptisch. George Packer erklärt: „So viele große Institutionen versagten: die Banken, die Kreditfirmen, die Autoindustrie.“ Die amerikanischen Eliten haben seiner Meinung nach damals total versagt. Heute ist Amerika völlig zersplittert, sein Kapitalismus herzlos. Die Gegenwart ähnelt dem Amerika vor rund 120 Jahren. George Packer wurde durch seine Essays und Reportagen im Wochenmagazin „The New Yorker“ zu einem der bekanntesten politischen Journalisten in den USA. In seinem neunen Buch „Die Abwicklung“ schildert er Amerikas wirtschaftliche und soziale Erosion.

Weiterlesen

Mihály Csíkszentmihályi ist ein weltberühmter Glücksforscher

 

Mihály Csíkszentmihályi hat über viele Jahrzehnte in Studien mit vielen Menschen erforscht, wann sie glücklich sind. Dabei hat er herausgefunden, dass die meisten Menschen mehr Erlebnisse des Glücks haben, wenn sie arbeiten, als wenn sie Freizeit haben. Das ist überraschend, da die wenigsten Menschen ihre Arbeit als Glücksbringer ansehen. Irgendetwas scheint sie an ihrer Tätigkeit zu stören. Wenn sie im Beruf dennoch häufig Glücksgefühle haben, ihren Job aber trotzdem nicht mögen, dann liegt das nicht an der Tätigkeit, sondern am Drumherum. Mihály Csíkszentmihályi glaubt auch nicht, dass die Leute ihre Arbeit heute mehr hassen als vor hundert Jahren. Aber es gibt natürlich immer noch viele Arbeitsplätze, die Menschen unglücklich machen. Mihály Csíkszentmihályi ist einer der bekanntesten Glücksforscher der Welt.

Weiterlesen

Religionen trugen wesentlich zur Einigung der Menschheit bei

Religion gilt heutzutage als Inbegriff der Ausgrenzung, Streit und Hass. Doch laut Yuval Noah Harari war die Religion die dritte große Kraft, die zur Einigung der Menschheit beitrug. Da alle Gesellschaftsordnungen von den Menschen erfunden worden sind, sind sie zerbrechlich – und je größer eine Gesellschaft, desto fragiler ist sie. Den Religionen kam eine zentrale Aufgabe zu, weil sie diese zerbrechlichen Gefüge legitimierten, indem sie auf einen übermenschlichen Willen verwiesen. Yuval Noah Harari erläutert: „Die Religionen behaupten nämlich, dass unsere Gesetze nicht etwa einer menschlichen Laune entspringen, sondern von einer absoluten Autorität angeordnet wurden. Auf dieser Grundlage lassen sich einige Prinzipien formulieren, die nicht in Zweifel gezogen werden können und der Gesellschaft ein stabiles Fundament geben.“ Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Weiterlesen

Die Ursprünge der Philosophie liegen im antiken Griechenland

Der griechische Begriff der Philosophie der Antike, definiert als Liebe zur Weisheit oder Freude am Wissen, ist wesentlich umfassender, als der moderne Philosophiebegriff. Er bleibt immer eng verbunden mit den Naturwissenschaften und nimmt mit diesen um 600 vor Christus ihren Anfang in den Küstenstädten Kleinasiens, die für ihre Weltoffenheit bekannt waren. Das Viele aus Einem zu erklären, bleibt ein Grundzug der ionischen Philosophie. Thales nimmt zum Beispiel das Wasser als Ursprungselement an, Anaximenes die verdünnte oder verdichtete Luft, Anaximander das chaotisch Grenzenlose, ápeiron genannt, das sich in Festes und Flüssiges, Heißes und Kaltes ordnet. Alle diese Philosophen waren auch bedeutende Naturwissenschaftler und leisteten wesentliche Forschungsarbeit auf den Gebieten der Astronomie, der Geographie und der Mathematik. Im klaren Gegensatz dazu steht die aus der Mystik hervorgegangene elitäre Geheimwissenschaft, die Pythagoras aus Samos im unteritalienischen Kroton in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts vor Christus entwickelt.  

Weiterlesen

Große Denker philosophieren über die vergangenen 100 Jahre

Die Sonderausgabe des Philosophie Magazins „1914 – 2014. Das Jahrhundert im Spiegel seiner großen Denker“ umfasst eine einzigartige Sammlung von Artikeln, die Philosophen in den vergangenen hundert Jahren zu den wichtigsten Ereignissen ihrer Epoche veröffentlicht haben. Das Heft ist in vier große Zeitblöcke gegliedert, wobei der erstem vom Jahr 1914 bis zum Jahr 1932 reicht. In ihm schreibt zum Beispiel Ernst Bloch über den Aufstieg Adolf Hitlers, Karl Kraus über den Zynismus des Alltags, Walter Benjamin über die Macht der Technik und Albert Einstein gemeinsam mit Sigmund Freund über den bedrohten Frieden. Der Pazifist Albert Einstein fragt in einem Brief, ob Sigmund Freud eine Möglichkeit kenne, die psychischen Entwicklungen der Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und der Vernichtung gegenüber widerstandfähiger würden. Die Sonderausgabe des Philosophie Magazins ist seit 5. Dezember im Handel und kostet 9,90 Euro.

Weiterlesen

Francis Bacon macht sich philosophische Gedanken über den Neid

Für Francis Bacon können keine den Menschen bekannten Empfindungen so stark bezaubern und verzaubern wie die Liebe und der Neid. Er schreibt: „Sie beide führen zu heftigem Verlangen, sie regen die Phantasie und Einbildung an, und sie fallen leicht ins Auge, besonders wenn der Gegenstand der Empfindung in der Nähe ist. Dies sind die Merkmale, die auf eine Bezauberung hindeuten, wenn es denn so etwas überhaupt gibt.“ Francis Bacon weist auf die Heilige Schrift hin, in der Neid als böser Blick bezeichnet wird. Das deutet seiner Meinung darauf hin, dass beim Neid etwas aus dem Auge austritt oder von ihm abstrahlt. Der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon, der von 1561 bis 1626 lebte, trug mit seinen Schriften maßgeblich zur Begründung des Empirismus bei.

Weiterlesen

Wilhelm Schmid philosophiert über den Begriff der Heimat

Heimat kann vieles sein, für jeden Menschen etwas anderes bedeuten. Immer aber ist sie zunächst eine räumliche Heimat, ein Platz im Raum, in einer menschlichen Siedlung oder in der Natur, in einer gewachsenen oder gestalteten Landschaft. Heimat ist laut Wilhelm Schmid zumeist der Ort, der einen Menschen präg, ohne dass er ihn sich selbst ausgesucht hat. Er findet ihn vielmehr vor, wächst an ihm auf und kommt somit von ihm her. Wilhelm Schmid schreibt: „Diese Herkunftsheimat ist ihm vollkommen vertraut und er liebt sie innig, egal, wie es dort aussieht. Je unübersichtlicher die Welt, desto stärker die Erfahrung einen solchen überschaubaren Heimat.“ Wilhelm Schmid lebt als freier Autor in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt.

Weiterlesen

Bei der Partnerwahl sollte der Mensch auf seine Nase achten

Sonia Laszlo macht auf eine wenig beachtete Quelle des Glücks aufmerksam: die menschliche Nase. Gerüche als Faktoren des Glücks bringen den Menschen näher an seine Urvorfahren in ihm als viele seiner anderen Sinne. Patrick Süskind schreibt zum Beispiel in seinem Buch „Das Parfüm“: „Und mitten hinein in sie ging der Duft, direkt ans Herz, und unterschied dort kategorisch über Zuneigung, Verachtung, Ekel oder Lust, Liebe oder Hass.“ Die Reaktion auf einen Geruch, die einem Menschen in die Nase steigt, stellt sich sofort ein. Viele Gerüche, vor allem die aus der Kindheit, manchen viele Menschen glücklich. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Schauspielerin Sonia Laszlo befasst sich mit dem „Glücklichsein“ und Film in Europa sowie in den USA. Die Journalistin ist in Medien und am Institut für Europäische Glücksforschung tätig, Gastvortragende an Universitäten und schreibt an ihrer Dissertation.

Weiterlesen

Seneca siedelt den Geist weit über dem Körper an

Um sich Seelenruhe zu verschaffen, erforscht Seneca zuerst sich selbst und erst später seine Umwelt. Der Körper ist für ihn eine Last und eine Strafe für den Geist, der von ihm eingezwängt und in Fesseln gehalten wird. Dieser Zustand ändert sich aber, wenn die Philosophie auftaucht und dem Geist befiehlt, beim Betrachten des Naturgeschehens aufzuatmen und ihn von der Erdenwelt ins Göttliche entrückt. Seneca schreibt: „Darin erweist sich ja des Geistes Freiheit, sein Umherschweifen: er entzieht sich zuweilen der ihm auferlegten Bewachung und stärkt sich im Himmelslicht.“ Der Geist der sich in der trübseligen und dunklen Behausung des Körpers nicht wohl fühlt, strebt deshalb sooft er nur kann, ins Freie und erquickt sich an der Betrachtung der Natur.

Weiterlesen

Das Streben nach Wahrheit führt zum Leben in der Unendlichkeit

Wahrheit und Glück erscheinen Rudolf Eucken unter menschlichen Verhältnissen oft als unversöhnliche Gegner. In der Sehnsucht nach Wahrheit empfindet der Mensch sein unmittelbares Dasein als zu klein und zu eng. Er möchte solcher Einengung entfliehen und ein Leben mit der ganzen Weite der Unendlichkeit führen. Hier scheint für ihn die größte aller Befreiungen zu wirken. Rudolf Eucken ergänzt: „Die Befreiung von allen Niederungen der Selbstsucht und von der Zufälligkeit einer besonderen Art; ein reineres, edleres, unendliches Leben steigt damit auf, ein Leben, das selbst ein so maßvoller Denker wie Aristoteles für mehr göttlich als menschlich erklären konnte.“ Von so hohem Streben ergriffen, scheint der Mensch laut Rudolf Eucken sein eigenes Befinden gänzlich zurückzustellen, ja es willig aufopfern zu müssen, wenn es der Dienst der Wahrheit verlangt.

Weiterlesen

Hermann Hesse liebt als einzige Tugend den Eigensinn

Für Hermann Hesse gibt es nur eine einzige Tugend, die er sehr liebt. Sie heißt Eigensinn. Von den anderen Tugenden hält der weltberühmte Schriftsteller nicht viel. Hermann Hesse nennt den Grund dafür: „Und doch könnte man alle die vielen Tugenden, die der Mensch sich erfunden hat, mit einem einzigen Namen umfassen. Tugend ist: Gehorsam.“ Es stellt sich nur die Frage, wem der Mensch gehorchen soll. Denn selbst der Eigensinn ist für Hermann Hesse, der 1946 den Nobelpreis für Literatur erhielt, nichts anderes als Gehorsamkeit. Der Eigensinn gehorcht allerdings einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem Gesetz des Eigenen, während alle anderen mensachlichen Tugenden Gehorsam gegenüber Gesetzen sind, die von anderen Menschen erlassen wurden.

Weiterlesen

Max Frisch reflektiert über den Beruf des Schauspielers

Für Max Frisch ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Schauspieler, im Gegensatz zu jedem anderen Künstler, kein anderes Instrument hat als sich selbst, seine eigene leibliche Persönlichkeit. Auch die Maler, die Bildhauer, die Schriftsteller und die Musiker sind eitel. Aber in einer Gesellschaft treten sie immer ohne ihre Werkzeuge auf, das heißt sie kommen ohne Palette, ohne Meißel, ohne Computer und ohne Kontrabass. Der Schauspieler dagegen, ob er will oder nicht, kann sein Instrument nicht zu Hause lassen. Max Frisch schreibt: „So kommt der Schauspieler, wenn nicht gerade ein Haus einstürzt, nie ganz aus seiner Begabung heraus; das ist sein Fluch, sein Gehäuse, seine besondere Wirkung, die verblüfft und später langweilt, je mehr er nämlich, kraft seiner immer gegenwärtigen Mittel, die Gesellschaft dominiert.“

Weiterlesen

Das Internet darf keine eigenen Gesetze haben

Der Journalist und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros in Berlin, stellt in einem Essay in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ die Frage, was die Internetgemeinde am Thema Freiheit interessiert. Dirk Kurbjuweit gibt folgende Antwort: „Der harte Kern will Freiheit von Kontrolle, Verbot und Zensur, er will Freiheit zur Anonymität und bildet damit die Möglichkeit zum „Shitstorm“, zum digitalen Mob, der andere ungestraft mit Schmähungen übelster Art überziehen kann, und er will die Freiheit vom Urheberrecht. Das alles möglichst total: totale Freiheit im Netz.“ Laut Dirk Kurbjuweit begünstigt die totale Freiheit im Internet Orgien der Gewalt und die Ausbreitung einer Sexualität, der jegliche Scham verloren gegangen ist.

Weiterlesen

Hermann Hesses Ansichten über Krieg und Frieden

Hermann Hesse stimmt jenen zu, die den Krieg den natürlichen Urzustand nennen. Da der Mensch ein Tier ist, lebt er durch den Kampf, auf Kosten anderer und fürchtet und hasst seine Mitmenschen. Leben ist also Krieg. Der Friede ist laut Hermann Hesse viel schwerer zu definieren. Der Friede ist seiner Meinung nach weder ein paradiesischer Urzustand, noch eine Form des geregelten Zusammenlebens, über das sich die Menschen verständigt haben. Hermann Hesse schreibt: „Friede ist etwas, was wir nicht kennen, was wir nur suchen und ahnen. Friede ist ein Ideal. Er ist etwas unsäglich Kompliziertes, Labiles, Bedrohtes – ein Hauch genügt, um ihn zu zerstören.

Weiterlesen

Hermann Hesse macht sich Gedanken über das Alter

Das Greisenalter ist für den Schriftsteller Hermann Hesse eine Stufe des menschlichen Lebens und hat wie alle anderen Lebensphasen ein eigenes Gesicht, eine eigene Atmosphäre und Temperatur sowie eigenen Freuden und Nöte. Auch die Alten haben ihre Aufgaben, die ihrem Dasein einen Sinn verleiht, selbst ein Todkranker und Sterbender hat noch Wichtiges und Notwendiges zu erfüllen. Hermann Hesse schreibt: „Altsein ist eine ebenso schöne und heilige Aufgabe wie Jungsein, Sterbenlernen und Sterben ist eine ebenso wertvolle Funktion wie jede andre – vorausgesetzt, dass sie mit Ehrfurcht vor dem Sinn und der Heiligkeit allen Lebens vollzogen wird.“ Ein Alter, der sein Altsein und die Todesnähe hasst oder fürchtet, ist seiner Meinung nach kein würdiger Vertreter seiner Lebensstufe.

Weiterlesen

„Der Pate“ mach Francis Ford Coppola weltberühmt

Obwohl der Filmregisseur Francis Ford Coppola inzwischen 72 Jahre alt ist, dreht er immer noch Filme. Er begründet dies damit, dass er durch das Filmemachen auch im Alter ständig etwas dazu lernt – über sich selbst, über die Menschen, über die Welt. Er findet es wunderbar, wenn er am Abend vom Dreh nach Hause kommt und zu seiner Frau sagen kann: „Liebling, heute habe ich wieder so viel gelernt.“ Auch in jungen Jahren war Francis Ford Coppola schon ein kleiner Abenteurer. Er hatte nie davor Angst, ein Wagnis einzugehen. Damit steht er im krassen Gegensatz zu den meisten Bossen in Hollywood, die nichts mehr hassen, als ein Risiko einzugehen. Francis Ford Coppola sagt: „Filmemachen ohne Risiko funktioniert ebenso wenig wie Kinderkriegen ohne Sex. Es gibt nur eine Sache, die man nicht riskieren sollte: sein Leben zu verschwenden.“

Weiterlesen

Die drei spezifischen Merkmale der Bürgergesellschaft

Der Bürgerstatus markiert für Ralf Dahrendorf eine tief greifende Veränderung der sozialen Dinge, auch wohl einen bemerkenswerten Fortschritt im Sinne der Erweiterung der menschlichen Optionen. Als solcher begründet er allerdings noch nicht die Art von Gesellschaft, in der die Freiheit verankert ist. Ralf Dahrendorf schreibt: „Er ist ein Element der Bürgergesellschaft, doch verlangt diese andere, subtilere Bedingungen.“ Bei der Bürgergesellschaft geht es um das schöpferische Chaos der vielen, vor dem Zugriff des Staates geschützten Organisationen und Institutionen. Die Bürgergesellschaft als Medium der Freiheit hat für Ralf Dahrendorf drei spezifische Merkmale.

Weiterlesen