Die Wiedervereinigung machte Deutschland zur Großmacht

Mit der Wiedervereinigung von 1990 hat sich die Bundesrepublik verändert. Sie ist territorial größer und bevölkerungsreicher geworden. Und gleichsam über Nacht ist dieses neue Deutschland, die Berliner Republik, in die Rolle einer kontinentalen Großmacht mit weltpolitischem Gewicht gerutscht. Auch die Selbstdarstellung der Bundesrepublik Deutschland wandelte sich allmählich. Dadurch machten sich in Europa Ängste breit, wie dieser bis dahin relativ „gütige Hegemon“ agieren werde. Edgar Wolfrum fügt hinzu: „Gleichzeitig wiesen weltweite Umfragen darauf hin, dass Deutschland zum beliebtesten Land der Welt geworden sei, eine Entwicklung, die 1945 völlig unvorstellbar gewesen war.“ Auf dem Land selbst lasteten die Probleme der „inneren Einheit“. Deutschland war ein zwischen Ost und West gespaltenes Land. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Russland ist als Großmacht ein „Scheinriese“

Wenn man über die Weltordnung und über Weltmächte redet, denken viele – auch knapp dreißig Jahre nach Ende des Kalten Kriegs – nicht nur an die USA und China, sondern auch an Russland. Die Russische Föderation ist flächenmäßig der größte Staat der Erde, umfasst mit etwa 140 Millionen Einwohnern etwa ein Drittel so viele Bürger wie Europa und ist eine von fünf offiziell anerkannten Atommächten. Wolfgang Ischinger stellt fest: „Doch eine moderne Großmacht braucht nicht nur Fläche und militärische Macht, sondern auch wirtschaftliche und politische Innovationskraft – also neben >Hard Power< auch >Soft< und >Smart Power<.“ In dieser Hinsicht ist Russland seiner Meinung nach eher ein „Scheinriese“ mit einem Bruttosozialprodukt, das kleiner ist als das von Italien, einer lahmenden Wirtschaft und einem problematischen Gesundheitssystem. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

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In vielen Teilen der Welt ist ein Rüstungswettlauf im Gange

Die ungewöhnlich große Fülle an gefährlichen und blutigen Krisen und Konflikten wird aktuell gekrönt durch eine fortlaufende nukleare Bedrohung, die zu einer solchen Normalität geworden ist, dass sie kaum noch im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit steht. Wolfgang Ischinger weist darauf hin, dass die Gefahr einer Konfrontation der Großmächte und damit auch einer nuklearen Eskalation keineswegs gebannt ist. Während in Deutschland aufgeregt darüber diskutiert wird, ob man das Budget für die Bundeswehr überhaupt erhöhen sollte, ist in vielen Teilen der Welt bereits längst ein Rüstungswettlauf im Gange: Chinas zunehmend selbstbewusstes Auftreten schlägt sich immer deutlicher auch in seinem militärischen Geltungsanspruch nieder. Peking rüstet auf. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

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Beim „Russland-Feldzug“ war der Sieg fest eingeplant

Von allen Optionen, die sich für die deutsche Führung nach dem Scheitern des Luftkriegs gegen Großbritannien boten, war die Entscheidung für den „Russland-Feldzug“ die riskanteste, nicht nur weil sie die eigenen Kräfte maßlos über- und den Gegner unterschätzte, sondern auch weil sie dem extremen Zeitdruck, unter dem die deutsche Seite ohnehin stand, noch weiter zuspitzte. Ulrich Herbert erklärt: „Die Rote Armee sollte nach den deutschen Planungen in drei Monaten geschlagen sein. Die Siegeszuversicht war so groß, dass es nicht einmal nötig schien, den Rüstungsschwerpunkt komplett auf den Krieg gegen die Sowjetunion umzustellen.“ Sollte der Krieg länger dauern, das war sichtbar, wäre die gesamte deutsche Strategie hinfällig. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Ulrich Herbert beleuchtet die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg

In der europäischen Außenpolitik hatte sich seit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Paradigmenwechsel ergebe. Durch den Bau der Flotte und der Propagierung der deutschen Weltpolitik hatte sich das Deutsche Reich in einen Gegensatz zu der einzigen tatsächlichen Weltmacht der Zeit, Großbritannien, gesetzt, ohne ein starkes Bündnis aus seiner Seite zu haben. Ulrich Herbert ergänzt: „Dieser Gegensatz dominierte in den folgenden Jahren die Entwicklung in Europa.“ In Reaktion auf die Herausforderung Deutschlands legte Großbritannien seine Konflikte mit Russland und Frankreich bei und baute die Verbindungen zu beiden Mächten in weniger als fünf Jahren zu einem so festen, wenngleich informellen Bündnis aus, dass Deutschland dadurch in jene Isolation geriet, die es zuvor selbst mit in Gang gebracht hatte und nun als Einkreisung wahrnahm. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Das europäische Modell droht seine Strahlkraft zu verlieren

Eine wichtige Triebkraft der europäischen Integration war das Bestreben der Europäer, sich gemeinsam in der Welt an der Spitze zu behaupten. Zusammen wollten die Staaten Europas weiter eine entscheidende Rolle als globale Macht spielen, die ein Einzelstaat nicht mehr ausfüllen konnte. Politisch ging es laut Dominik Geppert darum, sich als eigenständige diplomatische und geostrategische Kraft zu etablieren. Zunächst gegen die beiden Supermächte USA und Sowjetunion, in jüngster Zeit gegen den machtpolitischen Aufstieg Chinas. Wirtschaftlich stand anfangs vor allem das Ziel im Vordergrund, durch die Europäische Union ein Gegengewicht zu den USA zu schaffen und im 21. Jahrhundert auch gegen aufstrebende Wirtschaftsmächte wie China und Indien bestehen zu können. Dominik Geppert ist seit 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

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Es gibt Parallelen zwischen der Juli-Krise 1914 und der Gegenwart

Die Juli-Krise des Jahres 1914 jährt sich bald zum hundertsten Male. Es lohnt sich laut Dominik Geppert sie näher zu betrachten, auch wenn die Staaten der Gegenwart kaum noch etwas mit jener Welt der halbautokratischen Monarchien und Großmachtrivalitäten verbindet, die damals gleichsam unaufhaltsam dem Ersten Weltkrieg entgegentaumelten. Die Staaten Europas haben inzwischen dem Wettlauf der Aufrüstung ihrer Flotten und Heere abgeschworen. Der Glaube an den Krieg als ultimativer Test für die Standortbestimmung von Nationen in der internationalen Politik ist den europäischen Gesellschaften fremd geworden. Dominik Geppert fügt hinzu: „In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so könnte man sagen, existierten die europäischen Staaten durch den Krieg und für den Krieg. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden sie durch und durch für den Frieden umgebildet.“ Dominik Geppert ist seit 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.  

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Richard Wilhelm beschreibt die Geburt der Philosophie

Für Richard Wilhelm entsteht Philosophie nicht voraussetzungslos. Vielmehr ist sie seiner Meinung nach stets zunächst ein Bewusstwerden eines Kultur- und Weltanschauungsbesitzes. Dieser beginnt anschließend durch irgendwelche historischen Ereignisse in Frage gestellt zu werden und bedarf deshalb einer gedanklichen Rechtfertigung, Weiterentwicklung oder Umgestaltung. Dazu kommt noch ein weiterer Umstand. Richard Wilhelm schreibt: „Wir finden nämlich um die Wende des 6. zum 5. vorchristlichen Jahrhunderts um die ganze Erde eine Welle geistiger Produktivität gehen, die unbewusst schlummerndes Weltanschauungsgut dem Individuum auf bisher ungekannte Weise zu eigen macht.“ Richard Wilhelm, der 1873 in Stuttgart geboren wurde und 1930 in Tübingen starb, war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Sinologen. Zudem war er als Theologe und Missionar tätig.

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Der Friedensnobelpreisträger Gustav Stresemann

Es ist vor allem Gustav Stresemann zu verdanken, der der Weimarer Republik sechs Jahre als Außenminister diente, dass sich Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg politisch wieder Anerkennung verschaffen konnte. Er hatte großes rhetorisches Talent und eine hohe diplomatische Begabung. Diese Fähigkeiten halfen ihm beim Kampf, Deutschland erneut als gleichberechtigte Macht neben den Alliierten zu etablieren. Nachdem er 1918 aus den Resten der Nationalliberalen Partei die Deutsche Volkpartei gegründet hatte verstand er es wie kein anderer Politer seiner Epoche, seine Partei zu führen und zusammenzuhalten.

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