Fotoalben bedürfen mündlicher Erklärungen

Lange vor dem Zeitalter der sozialen Medien waren Fotos von einem selbst selten. Sie retteten einige denkwürdige Augenblicke vor dem Vergessen und schluckten die Farbe und das Licht des Lebens, das sie verkörperten. Man bewahrte sie in dicken Alben auf, die man selten durchblätterte und noch seltener herzeigte. Als wären es heilige Bücher, die man nur Eingeweihten enthüllen durfte. Emanuele Coccia erklärt: „Diese Alben enthielten normalerweise nichts Schriftliches, sondern bedurften langer mündlicher Erklärungen. Denn sich in sie zu vertiefen, bedeutete jedes Mal, eine Evidenz wiederzuentdecken, die wir lieber vergessen würden.“ Auf diesen Seiten nahm das Leben die Gestalt einer langen Parade autarker Silhouetten an, die breite dunkle Schattenkränze voneinander trennten. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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„Shape of Water“ von Guillermo del Toro ist für dreizehn Oscars nominiert

Guillermo del Toros neuer Film „Shape of Water“ – Das Flüstern des Wassers – gilt mit dreizehn Nominierungen als Favorit bei der Verleihung der diesjährigen Oscars. Schon längst ist der mexikanische Regisseur kein Geheimtipp mehr. Gemeinsam mit seinen Landsleuten Gonzáles Iñárritu und Alfonso Cuarón zählt Guillermo del Toro zu den Star-Regisseuren in Hollywood. Spezialisiert auf Fantasy und Horror, begeisterte er ein globales Publikum mit so unterschiedlichen Filmen wie dem rot-gehörten Superhelden „Hellboy“ (2004), dem Märchendrama „Pans Labyrinth“ (2006) und dem Actionfilm „Pacific Rim“ (2013). Der 53-jährige Regisseur sagt über sich selbst: „Ich kann in jedem Format meine Filme drehen, solange ich meine eigenen Geschichten erzähle. Manchmal mache ich einen Film für eine Million Dollar, manchmal für 195 Millionen Dollar – aber ich wechsle ab. Sonst werde ich süchtig.“

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Jeder Mensch sollte sein subjektives Erleben kennen

Eine beredte Verteidigung der Praxis der Introspektion, die so gewaltig aus der Mode gekommen ist, verfasste Ralph Waldo Emerson. Sein Ratschlag an einen jungen Autor lautet: „Wenn er in die Geheimnisse seines eigenen Geistes hinabgestiegen ist, erfährt er, dass er damit auch in die Geheimnisse aller Geister eingetaucht ist.“ Edmund Husserl und andere Phänomenologen machen eines deutlich: Die Introspektion aufzugeben heißt, gegenüber dem subjektiven Erleben die Waffen zu strecken.“ David Gelernter erläutert: „Um zu verstehen, müssen wir zunächst unser eigenes subjektives Erleben kennen. Wir müssen es auf systematische, disziplinierte Weise kennenlernen.“ Das Ziel muss transzendentale Einsicht im Sinne Edmund Husserls sein: in den kleinen, heimischen Vorfällen, die ein Mensch in seinem eigenen Geist erlebt, nicht weniger zu sehen als die Gestalt des Geistes. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Sex ist gefährlich und mit Schmerz verbunden

Sex kann einzigartige Empfindungen der Lust erzeugen, aus Fremden Liebende werden lassen und einer Zweierbeziehung Dauer und Leidenschaft verleihen. In den Medien wird er oft als harmloses Vergnügen präsentiert, das für Fitness, Gesundheit und Wellness sorgt. Ihn darf nichts stören, weder Eifersucht noch Liebeskummer, noch Scham, noch die Angst vor dem Versagen. Thomas Junker fügt hinzu: „Für die negativen Seiten hat man oft die traditionelle, vor allem die religiöse Sexualmoral verantwortlich gemacht und sich von einer liberaleren Gesellschaft eine bessere, angst- und stressfreiere Sexualität erhofft.“ Ganz falsch ist das sicher nicht. Aber es ist für Thomas Junker auch nicht die ganze Wahrheit. Denn die Tatsache, dass Sex gefährlich, anstrengend und mit Schmerz verbunden ist, liegt in seiner biologischen Natur.“ Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Bei Auguste Rodin bricht die Leidenschaft aus dem Marmor hervor

Der Mann, der für die berühmteste Plastik von Auguste Rodin „Denker“ Modell stand, war kein Intellektueller, sondern der französische Preisboxer Jean Baud, ein Mann aus dem Pariser Rotlichtmilieu, der im Hauptberuf Holzbauer war. Als Thema für seinen Denker hatte Auguste Rodin Dantes göttliche Komödie ausgewählt; sein Denker sollte den Autor Dante Alighieri darstellen. Doch der geniale Bildhauer bricht mit der Tradition des melancholischen, erschlafften Grübler, die sonst die Darstellungen des Denkens in der Kunstgeschichte prägen, und hat auch nichts mit den gelassen auf antiken Treppen lagernden Denkern der Schule von Athen zu tun: Auguste Rodins martialisch, muskulöse, kauernde Gestalt erinnert viele Kunstexperten eher an einen Athleten, der jeden Augenblick lossprinten könnte. Die ganze Figur ist reine Anspannung und Verzerrung und Energie vor dem Aus- und Aufbruch. Mit einer gewaltigen Schau im Grand Palais begehrt Paris den hundertsten Todestag des Bildhauers Auguste Rodin.

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Die Literatur der Spätromantik war düster und sarkastisch

Die frühromantische Aufbruchsstimmung wich in der Spätphase der Romantik einer eher düsteren, sarkastischen und gebrochenen Sicht auf die Verhältnisse. Beispielhaft für diese neue Phase der romantischen Bewegung ist das Werk von E. T. H. Hoffmann(1776 – 1822), das schon bald über Deutschland hinaus beachtet wurde und auf Autoren wie Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe entscheidende Wirkung hatte. E. T. H. Hoffmann führte ein Doppelleben wie so viele seiner Figuren, die sich in verschiedene Ichs aufspalten. Tagsüber arbeitete er in dem ungeliebten Beruf eines Kammergerichtsrats, nachts führte ein sein „eigentliches“ Leben. Seine Begabungen waren weit gespannt und machten es ihm schwer, sich zu entscheiden. Er zeichnete, musizierte und komponierte und schrieb immer wieder über jenen Zwiespalt zwischen „Künstler“ und „Philister“, dem nicht nur er, sondern dem sich auch andere romantische Autoren ausgesetzt fühlten.

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Kunst und Leben stimmen nicht immer überein

Julian Schnabel (64) kam Ende der siebziger Jahre als einer der Hauptvertreter des Neoexpressionismus zu Ruhm. Zu seinem Markenzeichen wurden riesige Formate und die zerbrochenen Teller, Lastwagenplanen und Segel, auf die er malte. Ab Mitte der neunziger Jahre machte er als Filmregisseur Furore, mit „Basquiat“ (1996), „Before Night Falls“ (2000) und „Miral“ (2010). Für „Schmetterling und Taucherglocke“ (2007) wurde Julian Schnabel mit dem Golden Globe als bester Regisseur ausgezeichnet. Das Grundinteresse des New Yorker Malers liegt allerdings in der Erfahrung des Malens. Julian Schnabel erklärt: „ Ich mag die Beziehung, die ich mit Objekten und der Leinwand habe, und das Zusammenspiel der verschiedenen Materialien. Es öffnet mir eine Türe, durch die ich verschwinden kann. Ich kann durch meine Malerei auf irgendeine Weise verändert werden, und ich beziehe daraus etwas für mich.“

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Sogar Könige sind als Minnesänger bekannt

Wie die höfische Versepik ist auch der Minnesang der Literaturepoche der Stauferzeit zuzuordnen. Auch er wird vom Ritterstand getragen und ist für ihn ein wesentliches Ausdrucksmittel. Anders als das Versepos spielt der Minnesang als einstimmiger Solovortrag, der gelegentlich schriftlich notiert und von Fiedel, Harfe, Flöte, Dudelsack, Schalmei begleitet wird, eine zentrale Rolle im höfischen Festtagsablauf. Oftmals treten Minnesänger zum Wettstreit gegeneinander an – eine verfeinerte Form des ritterlichen Turniers. Die Minnesänger kommen aus allen Ständen. Sogar Könige wie Wilhelm IX. von Aquitanien, Heinrich VI., Friedrich II. und Alfons von Kastilien befinden sich unter ihnen. Auch zahlreiche Burggrafen sind als Minnesänger bekannt. Und wenn schon die soziale Wirklichkeit ein immenses Gefälle innerhalb des Ritterstandes kennt, in der Gestalt des Minnesängers stehen Ritter von Geburt und Vermögen, ärmliche Ministeriale der niedersten Stufe und Unterständige gleichrangig nebeneinander.

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Das Nibelungenlied setzt sich aus zwei Liedfabeln zusammen

Das Nibelungenlied ist im Zeitraum der staufischen Literaturepoche das einzige Heldenepos geblieben, das erhalten wurde. Vom 13. bis ins 16. Jahrhundert sind drei Dutzend Handschriften bekannt. Wahrscheinlich ist das Nibelungenlied zwischen 1200 und 1210 entstanden. Der unbekannte Dichter war vielleicht zwischen Passau und Wien beheimatet. Er hat dem Nibelungenlied sein ritterlich-höfisches Gepräge gegeben und gleichzeitig zu einer Sprache gefunden, die sein höfisches Publikum mitreißen musste. Nicht nur der ungewöhnliche Stoff, deren heidnisch-germanischen Grundzüge immer wieder unter der ritterlichen Patina durchbrechen, sondern vor allem dessen Bändigung in einer schmucklos-klaren, selbstbewussten Strophik muss einen exotischen Reiz ausgeübt haben. Das Nebeneinander älterer und jüngerer Schichten ist für das Nibelungenlied charakteristisch. Es ist allerdings nicht aus einem Guss einer einmaligen und energischen Bearbeitung.

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Hans-Georg Gadamer verehrt Jaspers und Heidegger

Laut Hans-Georg Gadamer hängt die Menschlichkeit eines Individuums vor allem davon ab, wieweit es die natürlichen Grenzen, die es in seinem Wesen gegenüber denjenigen seiner Mitmenschen hat, sehen zu lernen vermag. Seiner Meinung nach profiert ein Mensch auch von denen, die von einem selbst lernen. Eine eminent politische Tätigkeit ist für den Philosophen Hans-Georg Gadamer das Denken und die Schulung von anderen im Denken.  Außerdem gilt es die die freie Urteilskraft zu wecken und in anderen zum Leuchten zu bringen. Er erklärt: „In diesem Sinne glaube ich, dass auch meine eigene Urteilsfähigkeit immer an dem Urteil des Anderen und seiner Urteilsfähigkeit seine Grenze findet und von ihm bereichert wird. Das ist die Seele der Hermeneutik.“

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Hoffnung ist für das menschliche Leben konstitutiv

C. G. Jung definiert den Begriff Hoffnung wie folgt: „Das Gefühl, dass das Leben nicht festgeschrieben ist, dass die Zukunft offen ist, dass immer etwas Neues vor uns liegt.“ Hoffnung ist die Grundbedingung für die Suche nach Sinn. Uwe Böschemeyer bestätigt diese Ansicht: „Sie ist der stärkste Anstoß zur Sinnsuche und damit der stärkste Beweg-Grund zum Leben. Denn nur wer darauf hofft, Sinnvolles finden zu können, sucht danach. Wer hofft, hat ein Gefühl für Sinn. Wer ein Gefühl für Sinn hat, will Sinn leben. Hoffnung ist für menschliches Leben konstitutiv.“ Im Jahr 1975 erwarb Uwe Böschemeyer bei Prof. Viktor Frankl sein Zertifikat in Logotherapie und Existenzanalyse. 1982 gründete er das Institut für Logotherapie in Hamburg. Die Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Wertimagination und die Wertorientierte Persönlichkeitsbildung.

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Das Glück ist niemals etwas anderes als das Liebesglück

Zu den Erscheinungsformen des Phänomens Liebe gehört zum Beispiel auch die Freundschaft, genauer gesagt, die Freundesliebe In der Nikomachischen Ethik des Aristoteles heißt es: „Freundschaft braucht Zeit“. Sie entzündet sich laut Josef Pieper normalerweise auch nicht einfachhin am Anblick des anderen, sondern an der Überraschung, dass das jemand existiert, der die Dinge genauso sieht wie man selbst und von dem man dann beglückt sagt: „Gut, dass du da bist!“ Freunde reden, sehr im Unterschied zu den erotisch Liebenden, kaum einmal von ihrer Freundschaft. Ihr Blick ist auf die Dinge gerichtet, für die sie sich gemeinsam interessieren. Deswegen, so ist gesagt worden, finden Leute, die einfachhin sich einen Freund wünschen, mit ziemlicher Sicherheit keinen. Josef Pieper war ein deutscher Philosoph, der von 1904 bis 1997 lebte.

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Die Figur des Bürgers ist das logische Subjekt der Aufklärung

Immanuel Kant betrachtet die Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist dabei das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Der Verstand ohne Leitung eines anderen dagegen, ist von Vernunft geleitete Geisteskraft. Laut Theodor W. Adorno und Max Horkheimer ist Denken im Sinn der Aufklärung die Herstellung von einheitlicher, wissenschaftlicher Ordnung und die Ableitung der Erkenntnis von Tatsachen aus Prinzipien. Diese können als willkürlich gesetzte Axiome, eingeborene Ideen oder höchste Abstraktionen gedeutet werden. Die Sozialforscher fügen hinzu: „Die logischen Gesetze stellen die allgemeinsten Beziehungen innerhalb der Ordnung her, sie definieren sie. Die Einheit liegt in der Einstimmigkeit. Der Satz vom Widerspruch ist das System in nuce. Erkenntnis besteht in der Subsumtion unter Prinzipien.“

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Die erotische Liebe ist die sterblichste Gestalt der Liebe

Der Eros verwirklicht das Wesen von Liebe am reinsten, solange er regiert. Denn obwohl kaum irgendwo sonst das Wort >ewig< so heimisch ist wie im Vokabular des Eros, entfaltet sich , so scheint es, die erotische Liebe nur für eine kurze Spanne Zeit zur vollen, schönen Blüte, zu Anfang vor allem, in der >ersten< Liebesbegegnung. Eros sei, so hat man gesagt, von Natur eine Vorrede. Aber diese Vorrede wird, wenn es mit glücklichen Dingen zugeht, nicht vergessen, denn sie hat einen Maßstab gesetzt und einen unaufzehrbaren Vorrat geschaffen. Josef Pieper fügt hinzu: „Andererseits ist es zweifellos nur realistisch, die erotische Liebe die notorisch >sterblichste Gestalt< der Liebe zu nennen. Josef Pieper, der von 1904 bis 1997 lebte, war ein deutscher christlicher Philosoph.

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Träume sind kostbar für das Verstehen der eigenen Person

Die Menschen könnten ihre Selbsterfahrung erheblich bereichern, wenn sie ihre Träume als das nähmen, was sie sind, nämlich wertvolle Ergänzungen des Unbewussten zu dem, was dem Bewusstsein verborgen geblieben ist. Uwe Böschemeyer erläutert: „Sie erinnern an vergangenes, sinnvolles Leben. Sie erinnern an vergangenes, aber unerledigtes Leben, an nicht überwundene Verletzungen ebenso wie an nicht ergriffene Möglichkeiten. Sie erhellen nicht nur Vergangenes, sondern werfen auch Lichter auf Kommendes.“ Die Träume zeigen auch die inneren Widerstände, die die Entwicklung eines sinnvollen Lebens stören. Ebenso zeigen sie die Möglichkeiten des Geistes, die noch nicht bewusst geworden sind. Uwe Böschemeyer zählt dazu zum Beispiel die Freiheit, die Kreativität, die Hoffnung und die Religiosität. Im Jahr 1975 erwarb Uwe Böschemeyer bei Prof. Viktor Frankl sein Zertifikat in Logotherapie und Existenzanalyse. 1982 gründete er das Institut für Logotherapie in Hamburg. Die Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Wertimagination und die Wertorientierte Persönlichkeitsbildung.

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Die Liebe jeglicher Art hat immer eine Tendenz zur Einswerdung

So verschieden die Definitionen von Liebe ausfallen und so unterschiedlich ihre vielfältigen Gestalten sind – ein Element kehrt in allen Kennzeichnungen wie auch in allen Realisierungen wieder: das Tendieren auf Einswerdung. Josef Pieper erklärt: „Was in der Liebe unter den Menschen geschieht, ist, dass aus zweien sozusagen eine Person wird.“ Allerdings setzt Einswerdung in der Liebe voraus, dass die Verschiedenheit und Selbstständigkeit der beiden Liebenden dieser neuen Einheit dennoch bestehen bleibt. Jules Michelet, ein französischer Historiker, formuliert dies wie folgt: „Um eins zu werden, muss man zwei bleiben.“ Die Einswerdung und Verschmelzung von Menschen realisiert sich auf einzigartige und unvergleichlich intensive Weise in der engeren Sinnes erotischen Liebe, da die Geschlechterliebe eine paradigmatische Form der Liebe überhaupt ist. Josef Pieper, der von 1904 bis 1997 lebte, war ein deutscher christlicher Philosoph.

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Glücklichsein ist keiner freien Entscheidung unterworfen

Die Liebe, das Glücksverlangen und die Freude sind sehr eng ineinandergeschlungen. Könnte es dann nicht sein, dass alle Liebe, wenn auch noch so verborgene Selbstliebe ist? Unter Eros versteht Josef Pieper das Verlangen nach der vollen Existenz, nach Daseinserhöhung, nach Glück und Glückseligkeit. Josef Pieper fährt fort: „Es ist ein Verlangen, das gar nicht außer Kurs und außer Kraft zu setzen ist und das natürlicherweise sämtliche Regungen und auch alle bewussten Entscheidungen, vor allem aber unsere liebende Zuwendung zur Welt und zu anderen Menschen beherrscht und durchwirkt.“ Das heißt, der Mensch will die Glückseligkeit naturhaft und mit Notwendigkeit. Glücklich sein wollen ist nicht die Sache einer freien Entscheidung. Josef Pieper definiert die Glückseligkeit als den Inbegriff all der Dinge, die nicht zu wollen der Wille unvermögend ist. Josef Pieper, der von 1904 bis 1997 lebte, war ein deutscher christlicher Philosoph.

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Die Philosophie wird mit der Wissenschaft verknüpft

Philosophie bedeutet nach Hans-Georg Gadamer theoretische Interessen verfolgen und eine Lebensführung, die die Fragen nach der Wahrheit und nach dem Guten so stellt, dass dabei weder auf den eigenen Gewinn, noch auf den öffentlichen Nutzen reflektiert wird. Die Philosophie ist mit der europäischen Zivilisation aufs engste verknüpft und hat in der allgemeinen Bedeutung von Theoria lange den Sammelbegriff für Wissenschaft überhaupt gebildet. Hans-Georg Gadamer schreibt: „Noch Isaac Newtons berühmte „Grundlagen der Naturwissenschaft“, durch die er der Begründer der modernen Physik geworden ist, hießen Philosophiae naturalis pricipia mathematika, die Elemente und Grundlagen der Naturerkenntnis.

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Wissen sind wahre und gerechtfertigte Überzeugungen

In der Gegenwartsphilosophie ist es laut Herbert Schnädelbach weitgehend unumstritten, das Wissen als den Inbegriff wahrer und gerechtfertigter Überzeugungen aufzufassen, die unhintergehbar sprachliche Gestalt besitzen, da sie nur so kommunizierbar sind. Herbert Schädelbach ergänzt: „Eine zweite Bedingung ist, dass sie propositional verfasst sind, also in Satzform geäußert werden können, denn nur Aussagesätze können wahr oder falsch sein; es gibt keine falschen Eigennamen oder Begriffe.“ Wenn ein solcher Aussagesatz der Wahrheit entspricht, könnte es allerdings auch purer Zufall sein. Also muss man gute Gründe haben, die einen dazu erheben, einen Wahrheitsanspruch zu postulieren, und genau dies meint Herbert Schnädelbach mit dem Begriff „gerechtfertigt“. Herbert Schädelbach war vor seiner Emeritierung Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Für die Schönheit gibt es keine rein rationalen Begründungen

Ein ebenmäßiges Gesicht, eine schlanke Gestalt verbinden sehr viele Menschen mit dem Begriff schön. Aber hinter dem Wort Schönheit verbirgt sich möglicherweise wesentlich mehr. Es ist schwer zu sagen, was wirklich schön ist. Der schottische Philosoph David Hume drückt dies wie folgt aus: „Schönheit ist keine Eigenschaft der Dinge selbst. Sie existiert in dem Geist, der sie betrachtet, und jeder Geist nimmt eine andere Schönheit wahr.“ Daher ist es für Rebekka Reinhard gut möglich, dass vielen Menschen Heidi Klum oder David Beckham gefallen, nicht weil sie objektiv schön sind, sondern weil sie subjektiv so wahrgenommen werden. Dr. Rebekka Reinhard studierte Philosophie, Amerikanistik und Italianistik und promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Zu ihren erfolgreichen Büchern zählen „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder Die Kunst des Irrens“ und „Würde Platon Prada tragen?“

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Die Philosophen können die Menschen nicht glücklich machen

Eine große Kränkung für die Eitelkeit des Menschen bedeutet es, dass die Hervorbringungen seiner größten Kunstfertigkeit und seines größten Fleißes den geringsten Werken der Natur nicht ebenbürtig sind, nicht an Schönheit und auch nicht an Wert. Selbst bei jenen Stücken, die man Kunstwerke nennt, findet David Hume, dass an den besten ihrer Art die besondere Schönheit der Kraft und dem glücklichen Einfluss der Natur geschuldet ist. David Hume fügt hinzu: „Dem naturgegebenen Enthusiasmus der Dichter verdanken wir, was ihre Werke bewunderungswürdig macht. Das größte Genie, wenn die Natur es einmal im Stich lässt, wirft seine Leier auf die Seite und gibt sich nicht der Hoffnung hin, nach Regeln der Kunst solch göttliche Harmonie zu erreichen, die allein aus natürlicher Eingebung hervorgehen kann.“ David Hume, der von 1711 bis 1776 lebte, gehört zu den Klassikern der europäischen Philosophie.

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Blaise Pascal wettet in den „Gedanken“ auf die Existenz Gottes

Für den Philosophen, Wissenschaftler und Verteidiger der christlichen Religion Blaise Pascal, liegt es im Interesse der Ungläubigen, auf die Existenz Gottes zu wetten. Wenn er nämlich existiert, ist das für denjenigen, der an ihn glaubt, der Jackpot – das ewige Glück – und wenn er nicht existiert, ist der Verlust gleich Null. Blaise Pascal macht aus Gott kein Objekt rationaler Erkenntnis, sondern des wohlbegründeten persönlichen Engagements. In seiner Schrift „Gedanken“, die gewöhnlich „Die Wette“ genannt wird, entwickelt Blaise Pascal einen Dialog zwischen einem Sprecher und einem Ungläubigen. Die beiden Protagonisten stellen sich der Aufgabe, die Frage nach der Existenz Gottes dem natürlichen Erkenntnisvermögen entsprechend, zu diskutieren. Dabei erkennen sie keine Schlussfolgerungen an, zu denen nicht der Gebrauch der menschlichen Vernunft führt.

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Bertrand Russell sucht die unumstößliche Erkenntnis

Eine der schwierigsten Fragen, die es in der Philosophie gibt, ist für Bertrand Russell folgende: Gibt es auf dieser Welt eine Erkenntnis, die so unumstößlich gewiss ist, dass kein vernünftiger Mensch daran zweifeln kann? Denn in der Philosophie spielt ein Unterschied eine große Rolle, nämlich der Unterschied zwischen Erscheinung und Wirklichkeit, zwischen dem, was die Dinge zu sein scheinen, und dem, was sie sind. Ein Maler beispielsweise will wissen, wie die Dinge, die er darstellt, erscheinen; der Praktiker und der Philosoph wollen wissen, was sie sind. Dabei ist der Erkenntnisdrang des Philosophen in der Regel stärker als der des Praktikers.

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Seneca erkennt in der Vernunft die wahre Ursache

Seneca unterscheidet bei den Stoikern zwei Grundursachen alles Naturgeschehens, die Ursache und die Materie. Dabei ist die allseitig verwendbare Materie der passive Teil, die ohne Anstoß zur Trägheit neigt. Die Ursache dagegen, das heißt die Vernunft, formt die Materie, weist ihr den Weg in die gewünschte Richtung und bildet aus ihr die unterschiedlichsten Gestalten. Seneca schreibt: „Es muss also für alles Werden ein Woher und danach ein Wodurch geben. Letzteres ist die Materie, ersteres die Ursache. Jede Kunst ist Nachahmung der Natur.“ Was im Ganzen von der Welt gilt, ist im Kleinen auch für alles von Menschenhand Geschaffene gültig.

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Erich Fromm stellt das Paradoxe und Wesen der Hoffnung vor

Die Hoffnung ist für Erich Fromm von paradoxer Gestalt. Sie ist weder ein untätiges Warten noch ein unrealistisches Herbeizwingenwollen von Umständen, die nicht eintreffen können. Sie gleicht seiner Meinung nach einem kauernden Tiger, der erst losspringt, wenn der Augenblick zum Springen gekommen ist. Erich Fromm fügt hinzu: „Weder ein müder Reformismus noch ein pseudo-radikales Abenteurertum ist ein Ausdruck von Hoffnung. Hoffen heißt, jeden Augenblick bereit sein für das, was noch nicht geboren ist, und trotzdem nicht verzweifeln, wenn es zu unseren Lebzeiten nicht zur Geburt kommt.“ Es hat für ihn keinen Sinn, auf etwas zu hoffen, was bereits existiert oder was nicht sein kann. Erich Fromm behauptet, dass ein Mensch mit einer schwachen Hoffnung, sich entweder für das Bequeme oder für die Gewalt entscheidet.

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