Aristoteles zählt die Dichter zu den besten Lehrern des Volkes

Aristoteles zählt in Übereinstimmung mit der griechischen Tradition die Dichter zu den besten Lehrern des Volkes. Dabei spricht er ihnen laut Otfried Höffe nachdrücklich die Aufgabe zu, starke emotionale Wirkungen hervorzurufen. Aristoteles billigt der Dichtung eine eigene vorrangig nicht intellektuelle, sondern affektive Form von Rationalität zu, was auf ein Plädoyer für ein erhebliches Maß an ästhetischer Autonomie hinausläuft. Der griechische Philosoph befasst sich mit dem Wesen der Dichtung, mit ihren verschiedenen Gattungen und mit ihrer anthropologischen Grundlage. Dabei sieht er das Wesen in jener Mimesis, Nachahmung, die nicht etwa täuschende Echtheit sucht. Vielmehr besagt die Mimesis, dass selbst eine geniale Fiktion an vorgängig existierende Wirklichkeit, insbesondere an die emotionale, soziale und politisch Natur und Kultur des Menschen, zurückgebunden bleibt. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Renaissance hat ihren Ursprung in Italien

Die Renaissance war eine neuartige kulturelle Erscheinung, die zahlreiche bis in die Gegenwart nachwirkende künstlerische und wissenschaftliche Impulse hervorbrachte. Die Zeitgenossen bezeichneten sie als „rinascita“, mit einem italienischen Begriff, den die französische und deutsche Geschichtsschreibung im 19. Jahrhundert den inzwischen geläufigeren der „Renaissance“ ersetzten. Beide Begriffe bedeuten „Wiedergeburt“. Die Antike sollte der Renaissance als Vorbild dienen. Die Renaissance hat ihre Ursprünge in Italien, also in einem Land, indem zahlreiche Überreste der römischen Antike vorhanden waren und die Erinnerung an diese gespeist hatten. Die Anfänge der Renaissance werden von der neueren Forschung überwiegend in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vermutet. Nach 1250, dem Todesjahr Kaiser Friedrich II. beziehungsweise nach dem Ende der Stauferzeit mit dem Jahr 1254 entstand in Italien ein politisches Machtvakuum.

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Tony Judt beschreibt das Berufsethos des Historikers

Der Historiker Tony Judt hegt keinen Zweifel daran, dass man die Vergangenheit nicht für gegenwärtige Zwecke erfinden noch in den Dienst nehmen kann. Das ist seiner Meinung nach allerdings nicht so offensichtlich, wie es vielleicht scheint. Denn für viele Historiker ist die Geschichtsschreibung heutzutage tatsächlich eine Übung in angewandter Polemik. Tony Judt erklärt: „Man will etwas aufdecken, was in herkömmlichen Narrativen ignoriert wird – eine bestimmte Interpretation der Vergangenheit zurechtrücken, weil man in der Gegenwart Partei ergreifen will.“ Wenn dies ganz unverhohlen praktiziert wird, findet das Tony Judt deprimierend. Denn das ist seiner Ansicht nach Verrat an der Geschichtsschreibung, deren Aufgabe darin besteht, die Vergangenheit zu verstehen! Der britische Historiker Tony Judt lehrte in Cambridge, Oxford und Berkeley. Er starb 2010 in New York.

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Ohne Otto von Bismarck hätte es kein Deutsches Reich gegeben

Die große Biographie von Ernst Engelberg über Otto von Bismarck wird von vielen Historikern und Politikwissenschaftlern als ein Meisterwerk deutscher Geschichtsschreibung bezeichnet. Ernst Engelberg, einer der bedeutendsten Historiker des 20. Jahrhunderts, schuf darin das faszinierende Bild einer einzigartigen Persönlichkeit und einer herausragenden politisches Werkes, das zuletzt allerdings Züge von Tragik annahm. Zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks liegt der Klassiker nun in einer aktualisierten und gekürzten Neuausgabe im Siedler Verlag vor. In seiner Biographie über Otto von Bismarck breitet Ernst Engelberg gleichzeitig vor seinen Lesern das breite Panorama einer Epoche und ihrer widerstreitenden Kräfte aus. Er beschreibt den Lebensweg Otto von Bismarcks, der mit der Schaffung des Deutschen Reiches letztlich jenes Altpreußen aufhob, dem er mit allen Wurzeln anhing und dem seine ganze Liebe gehörte.

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Die einzige noble Kunst im Römischen Imperium war die Rhetorik

Im Römischen Imperium spielte die bildende Kunst nur eine untergeordnete Rolle. Die Fresken, Mosaiken und griechischen Statuen wurden im Auftrag der Römer von fremden Handwerkern geschaffen. Bildende Künstler, Architekten, Pädagogen und Ärzte spielten in der römischen Gesellschaft der damaligen Zeit nur eine bedeutungslose Rolle. Das ganze Mittelalter hindurch sollte sich dieser Zustand in ganz Europa nicht mehr wesentlich verändern. Musik und Tanz waren den Frauen und Kindern vorbehalten, Männer hätten mit einem solchen Firlefanz ihre Ehre aufs Spiel gesetzt. Auch die Wissenschaften wurden im Römischen Imperium nicht gepflegt, man war mit von den Griechen Überlieferten zufrieden. Die eingesetzte Technik entsprang der Erfahrung, nicht theoretischen Fragestellungen. Dadurch unterschieden sich die alten Römer grundlegend von den griechischen Denkern.

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Die Erinnerung ist die Schwester des kritischen Bewusstseins

Die Geschichtsschreibung ist eine uralte Form der Dokumentation der Vergangenheit. Als Beispiele für frühe Dokumentoren nennt Helmut Reuter Caesar, Tacitus und Herodot. Eine solche Arbeit hat mehrere Funktionen, die offenen und versteckten Zielsetzungen, Ideologien oder Zeitstilen folgen. Die Geschichtswissenschaft erklärt, welche Akzente dabei eine Rolle spielen und wie diese Akzente sich abhängig vom gesellschaftlichen und politischen Wandel verbünden können. Als Beispiel nennt Helmut Reuter zunächst die Geschichte der großen Männer, eine weit bis in das 20. Jahrhundert als selbstverständlich verwendete Form der Darstellung. Neueren Datums ist dagegen die Beschreibung des sozialen Wandels einer Gesellschaft, oft mit einem deutlichen Akzent von unten. Damit sind die Erzählungen und die Lebenserfahrungen des Alltags und der Menschen, die den Alltag gestalten, gemein. Helmut Reuter ist seit 2004 Professor am Institut für Psychologie und Kognitionsforschung (IPK) der Universität Bremen.

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Die Geschichte erklärt ihre Unabhängigkeit von der Biologie

Die gewaltige Vielfalt der Realitäten, die der Homo sapiens entwickelte, und der enorme Variantenreichtum von Verhaltensweisen, die sich daraus ergab, machen das aus, was die Menschen als Kultur bezeichnen. Nachdem die verschiedenen Kulturen einmal entstanden waren, veränderten und entwickelten sie sich ständig weiter, und diese konstanten Umwälzungen bezeichnet man als Geschichte. Die kognitive Revolution in der Menschheitsentwicklung ist der Moment, an dem die Geschichte ihre Unabhängigkeit von der Biologie erklärt. Yuval Noah Harari betont: „Von diesem Zeitpunkt an wird die Entwicklung der Menschheit nicht mehr durch biologische Theorien erklärt, sondern durch die Geschichtsschreibung.“ Das bedeutet allerdings nicht, dass sich der Homo sapiens und die menschliche Kultur von sämtlichen Gesetzen der Biologie befreit hätten. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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In der Geschichte blitzt das Glück nur ganz kurz auf

Benedetto Croce hat in seinen Werken immer wieder Stellung bezogen sowohl gegen voluntaristische als auch deterministische Konzepte des Fortschritts. Vor allem kritisierte er die Varianten der letzen Spielart einer teleologischen Geschichtstheorie. Im Anbetracht beider Möglichkeiten befürchtete er eine Verdinglichung und Erstarrung des geistigen Fortschritts, wobei er klar erkannte, dass der Voluntarismus oft getarnt als wissenschaftlicher Determinismus auftritt. Von einer utopischen Fortschrittseuphorie, die in Kürze ein widerspruchsfreies Reich der Freiheit propagiert, fühlt er sich abgestoßen. Denn er weiß, dass in allen solchen Fällen die Enttäuschung so groß gewesen ist, das man schnell die Kraft der Illusionen zu Hilfe rufen musste.

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Joseph Pulitzer: "Die Leser wollen sex and crime"

Joseph Pulitzer, ein gebürtiger Ungar, der nach Amerika ausgewandert war, machte in St. Louis bei der „Westlichen Post“ erste journalistische Erfahrungen und erkannte dabei, dass eine Zeitung nicht nur belehren müsse, sondern auch unterhalten könne. Als er mit 31 Jahren selbst Zeitungsbesitzer der „Post and Dispatch“ geworden war, manifestierte sich die zweite Säule des „Pulitzer-Stils“ Enthüllung und Angriff. In einer der ersten Ausgaben seiner Zeitung schrieb er: „Post and Dispatch wird allen Betrug und allen Schwindel bekämpfen, wo immer und wie immer sie sich zeigen.“

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