Migration ist ein weltweites Phänomen

Die Menschheit lebt gerade in einem Zeitalter großer Migrationsbewegungen. Diese werden zum ganz überwiegenden Teil von Krieg, Zerstörung, Klimawandel und krasser Armut ausgelöst. Menschen, die ihre Lebensgrundlage verloren haben, müssen sich auf die Flucht begeben. Die Mehrheit der seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten sind Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan, also aus Ländern, die eine sogenannte Gemeinschaftskultur pflegen. Joachim Bauer ist seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv: „Bereits zur Zeit der Jugoslawienkriege gehörte ich zu einem Kollegennetzwerk, das aus dem Balkan geflohenen Frauen geholfen hat.“ Diesen war teilweise der Aufenthalt in Deutschland verweigert worden, obwohl sie schwere Traumatisierungen hinter sich hatten. Daher lebten sie zum Teil ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

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In Deutschland gibt es 800 Typen von Biotopen

Biodiversität ist ein Mosaik aus unüberschaubar vielen Steinchen, riesig großen und winzig kleinen, die sich in drei Kategorien einteilen lassen. Dirk Steffen und Fritz Habekuss erläutern: „Da ist erstens die Vielfalt der Ökosysteme, also der Lebensräume wie Wälder, Flüsse, Meere oder Almwiesen. Alleine in Deutschland gibt es 800 verschiedene Typen von Biotopen.“ Die Liste reicht von Ästuarien, also Flussmündungen mit Brackwasser, Sandbänken, Schlickgrasbeständen über trockene, lebende Hochmoore und Kalktuffquellen bis hin zu Kalkschiefer-Schutthalden, Hangmischwäldern und Gletschern. In einem fühlt sich der Rotfuchs wohl, in einem anderen die Miesmuschel und in dem nächsten vielleicht der Dunkle Ameisenbläuling. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Die Landwirtschaft existiert seit 12.000 Jahren

Landwirtschaft wird seit der neolithischen Revolution systematisch betrieben. Ihre Anfänge reichen bis etwa 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück. Sie beruht eigentlich immer auf „Kulturpflanzen“, das heißt auf genetisch „manipulierten“ durch Züchtung und Kreuzung mit bestimmten Eigenschaften versehenen Sorten. Daniel Goeudevert erklärt: „Solche Verbesserungen zogen sich meist über viele Jahre, manchmal über Generationen hin und brachten eine Vielzahl regional ganz unterschiedlicher Sorten hervor.“ Diese waren den Bedingungen ihrer jeweiligen Umwelt – dem Klima, dem Nährstoffgehalt der Böden, dem Wasserhaushalt – zunehmend besser angepasst. Das alles war über Jahrtausende Sache der Landwirte, die ihre Felder mit den Pflanzen bebauten, die dort am besten gedeihen konnten. Und es war eine durch und durch gute Sache. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Die Fortpflanzung ist ein genetischer Zwang

Eine Spezies nutzt grundsätzlich alle für sie geeigneten Ressourcen, um zu expandieren. Vermehrung und Ausbreitung enden erst, wen die Ressourcen erschöpft sind und der Umweltwiderstand zu groß wird. Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Dabei ist Fortpflanzung keine Option, sondern ein genetischer Zwang. Soweit gilt das für alle Arten. Auch für Homo sapiens.“ Die Menschen sind in Sachen Vermehrung aber sogar außergewöhnlich erfolgreich. In seinem Buch „Das Ende der Evolution“ stellt der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht fest: „Was uns von Schimpansen und Gorillas oder gar vom Orang-Utan trennt, und zwar um mehrere Größenordnungen, ist die Anzahl unseres Nachwuchses.“ In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Die Evolution beruht auf Mutation und Selektion

Das am weitesten anerkannte Evolutionsmodell beruht auf zwei wichtigen Elementen: Mutation und Selektion. Eyal Winter erläutert: „Mutation sorgt dafür, dass in den Eigenschaften eines Organismus von Generation zu Generation willkürliche Veränderungen auftreten. Die Selektion verbreitet „günstige“ Mutationen in einer Population, wohingegen „ungünstige“ allmählich aussterben.“ Individuen mit guten Merkmalen haben höhere Überlebenschancen und sorgen für mehr Nachkommenschaft. In der Regel geht man davon aus, dass evolutionäre Kräfte die Eigenschaften einzelner Individuen – deren Gene – prägen, aber Mutation und Selektion beeinflussen auch die Entwicklung ganzer Gesellschaften. Gemeinschaften mit positiven Merkmalen – etwa sozialen Strukturen und Werten, die den Zusammenhalt stärken – haben höhere Überlebenschancen. Gruppierungen, denen diese Eigenschaften fehlen, werden beispielsweise häufiger im Kampf geschlagen und von Einzelnen verlassen. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

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Die Affekte und die Vernunft bilden Kulturen

Über die Tatsache hinaus, dass sie von Menschen erdacht wurden, wurden der Hammurabi-Codex, die Zehn Gebote, die Verfassung der Vereinigen Staaten und die Charta der Vereinten Nationen von den jeweiligen besonderen Umständen ihrer Zeit und ihres Ortes geprägt. Aber auch von den Personen, die solche Codices entwickelten. Antonio Damasio erläutert: „Eine universelle, umfassende Formel gibt es nicht. Sondern hinter solchen Entwicklungen stehen mehrere Formeln. Teile jeder denkbaren Formel sind allerdings tatsächlich universell.“ Biologische Phänomene können Ereignisse, die zu kulturellen Phänomen werden, in Gang setzen und prägen. Und dass muss am Anbeginn der Kulturen unter ganz bestimmten Umständen, die durch die Individuen und Gruppen sowie ihren Ort, ihre Vergangenheit und so weiter definiert wurden, geschehen sein. Also durch das Wechselspiel von Affekt und Vernunft. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Durch Homöostase entwickeln sich die Gene

Der Mensch hat sich schon immer mit Schmerzen, Leiden und dem sicheren Tod auseinandergesetzt. Er tat dies als Gegensatz zu der unerreichten Möglichkeit von Wohlergehen und Gedeihen. Diese Gedanken dürften bei den Menschen hinter manchen kreativen Prozessen gesteckt haben, aus denen die heutigen, verblüffend komplexen Instrumente der Kultur hervorgegangen sind. Wenn man Menschenaffen beobachtet, spürt man, dass es Vorläufer des kulturellen Menschseins gibt. Antonio Damasio erläutert: „Schimpansen können einfache Werkzeuge herstellen. Sie nutzen sie auf intelligente Weise für die eigene Ernährung und geben die Erfindungen sogar auf visuellem Weg an andere weiter.“ Bevor in der Evolution die ersten kulturellen Ausdrucksformen entstehen konnten, musste man auf die evolutionäre Entwicklung von Geist und Gefühlen warten. Einschließlich des Bewusstseins, mit dem das Gefühl subjektiv erlebt werden konnte. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Der Mensch hat sein Leben selbst in der Hand

Markus Hengstschläger beschreibt den Menschen in seinem neuen Buch „Die Lösungsbegabung“ als ein lösungsbegabtes Wesen. Dieses auch genetisch mitbestimmte Potenzial muss man jedoch laufend nutzen und trainieren. Markus Hengstschläger schreibt: „Nur so versetzen wir Menschen uns in die Lage, die vorhersehbaren und auch unvorhersehbare Probleme der Zukunft zu bewältigen.“ Er rät mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu spazieren. Denn nur so kann man tolle Dinge finden, die man gar nicht gesucht hat. Die großen Herausforderungen der Gegenwart erinnern die Menschen täglich daran, wie dringend neue kreative Ideen und innovative Konzepte auf allen Ebenen benötigt werden. Denn für so manche bereits bekannte Herausforderung der Menschheit ist es schon fünf vor zwölf. Professor Markus Hengstschläger ist Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der MedUniWien.

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Die Natur und die Kultur prägen einen Menschen

Die Frage, was einen Menschen prägt, Natur oder Kultur, stellt sich auch heute noch als ein ideologisches Schlachtfeld dar. Viele humanistisch orientierte Konzepte gehen davon aus, dass durch optimale individuelle Förderung und viel Übung genetische Unterschiede sehr in den Hintergrund treten. Steven Pinker, Experimentalpsychologe an der Harvard-Universität, nimmt die Gegenposition ein. Andreas Salcher erläutert: „Die Geisteshaltung, dass die soziale Formbarkeit des Menschen beliebig möglich sei, ist für Pinker ideologisches Wunschdenken, das keiner seriösen empirischen Studie standhält und die menschliche Natur leugnet.“ Die Zwillingsforschung zeigt, dass eineiige Zwillinge, die nicht bei den leiblichen Eltern, sondern getrennt bei Adoptiveltern aufwachsen, sich in unterschiedlichen messbaren Kategorien im Lauf der Jahre nicht unterscheiden, der Einfluss der Erziehung tendenziell also im Vergleich zur biologischen Veranlagung überschätzt wird. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Die Sexualität ist mit existentiellen Fragen des Lebens verbunden

Das Buch „Eros, Wollust, Sünde“ von Franz X. Eder gibt erstmals einen Überblick über die Geschichte der europäischen Sexualität von der Antike bis in die Frühe Neuzeit. Der Autor spannt anhand zahlreicher Beispiele und Quellen einen Bogen von der Politisierung und Sozialisierung des Eros in der griechischen und römischen Antike über den skeptischen Umgang mit dem Sexuellen im frühen Christentum und die ambivalente Sexualwelt des Mittelalters bis zu deren Regulierung und Disziplinierung während und nach der Reformation. Das Thema Sexualität ist unter anderem so spannend, weil es ein irritierender Teil des menschlichen Lebens ist. Viele Menschen sind davon überzeugt, eine individuelle sexuelle Begierde zu besitzen, die in den Tiefen ihres Körpers als Gene und Hormone und in den Grundstrukturen der Psyche verankert sind. Franz X. Eder ist Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien.

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DNA und Umwelt formen das persönliche Schicksal

Ein Mensch kommt mit seinen natürlichen Triebkräften des Bedürfnisses nach Sicherheit und Reproduktion ausgestattet zur Welt. Doch die Evolution hat ihm eine Reihe Einstellknöpfe zur Feinabstimmung mitgegeben, die zunächst in einer Grundposition stehen, aber durch frühe Erfahrungen so variiert werden können, dass sie genauer die spezifischen Gegebenheiten des häuslichen und örtlichen Umfelds reflektieren, unabhängig von den zeitlich weit entfernten und sich nur langsam bewegenden Kräften der Evolution. John Bargh weiß: „Der Prozess der natürlichen Selektion verläuft sehr schleppend. Unsere angeborene genetische Anpassung an unsere Welt rührt aus einer sehr, sehr fernen Zeit her. Die Evolution kann mit schneller ablaufenden Veränderungen nicht Schritt halten, etwa mit den heutigen technischen Errungenschaften und deren gesellschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten.“ Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Die Erscheinungsformen und die Motive der Aggression sind vielfältig

Aggression ist nicht gleich Aggression: Die Erscheinungsformen sind vielfältig und ebenso die zugrunde liegenden Motive. Hans-Peter Nolting fügt hinzu: „Menschen unterscheiden sich in der Art ihrer Aggressivität, und es gibt beträchtliche Unterschiede zwischen individueller und kollektiver Aggressivität.“ Zudem hängt das Auftreten aggressiven Verhaltens nicht nur von Personen ab, sondern auch von den jeweiligen Faktoren der Umgebung, und ihnen wiederum kommt in einem Fall eine entscheidende, im anderen Fall nur eine unwesentliche Rolle für die Erklärung des Verhaltens zu. Weil der Begriff der Aggression ein breites, heterogenes Spektrum umfasst, erscheint es aussichtslos, eine allgemeine Antwort auf die Frage nach „angeboren oder erworben?“ zu geben. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Das Unbewusste entsteht vor dem Bewussten

Innerhalb des Rahmens der kognitiven Psychologie mit ihrem Primat des Bewusstseins konnte es einen unbewussten Prozess nur dann geben, wenn er zuerst bewusst und vorsätzlich wäre; erst nach beträchtlicher Erfahrung konnte dieser Prozess so reibungslos und effizient verlaufen – in der Psychologie benutzt man dafür den Begriff „automatisiert“ –, dass es keiner großen bewussten Steuerung mehr bedürfte. Bis zur Jahrtausendwende gingen John Bargh und seine Kollegen davon aus, dass dies die einzige Möglichkeit der Entstehung unbewusster mentaler Prozesse sei: Zu Beginn bewusst und aufwendig, gewinnen sie erst durch Erfahrung und Übung die Fähigkeit, unbewusst abzulaufen. Doch sie lagen falsch oder zeichneten zumindest ein unvollständiges Bild. Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Ohne Schönheit wäre die Welt viel ärmer

Was ist eigentlich Schönheit? Warum finden Menschen das Schöne schön? Wieso existiert trotz aller Beteuerungen innerer Werte das ewige Diktat äußerlicher Attraktivität? Matthias Horx weiß, dass die Evolutionsbiologen eine Antwort auf solche Fragen haben: „Was wir „schön“ finden, ist in Wirklichkeit eine Chiffre für evolutionäre Fitness und damit für die Zukunftschancen unserer Gene. Wir fühlen uns deshalb zur Schönheit hingezogen, weil uns die Evolution dazu treibt.“ Schöne Gesichter sind zunächst einmal ebenmäßig, symmetrisch, und das bedeutet, dass sich die steuernden Gene ohne schwere Beeinträchtigungen entfalten konnten. Die Natur bringt unter optimalen Wachstumsbedingungen Symmetrie hervor, die als reproduktives Gütesiegel fungiert. Schöne Körper sind nicht nur synonym mit Gebärfähigkeit, in ihnen drückt sich der Zustand des Immunsystems aus sowie die Fähigkeit, zu kämpfen und zu verteidigen. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Die Nähe hüllt sich ständig in ein neues Gewand

Der Hirnforscher und Molekularbiologe Giovanni Frazzetto vermittelt in seinem neuen Buch „Nähe“ die aktuellsten Erkenntnisse der Neurobiologie über die Liebe, Partnerschaft, Freundschaft und Familie. Er beantwortet dabei unter anderem folgende Fragen: Warum betrügen wir unsere Partner, obwohl wir sie lieben? Weshalb fühlen wir uns häufig von Menschen angezogen, die sich überhaupt nicht binden wollen? Und welche Auswirkung kann Einsamkeit auf den Körper eines Menschen haben? Giovanni Frazzetto erklärt, wie das komplexe Zusammenspiel von Körper und Geist funktioniert, das Nähe zwischen Menschen erst ermöglicht. In acht „Liebesgeschichten“ beschreibt der Autor, wie Menschen versuchen, einander näherzukommen und welche Rolle Hormone, Gene und soziale Normen dabei spielen. Der Hauptdarsteller seines Buchs ist die Nähe, nach der sich fast jeder Mensch sehnt. Denn Einsamkeit kann töten, während das Zusammenleben mit einem geliebten Menschen euphorische Gefühle erzeugt.

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Eyal Winter nennt drei Gründe für selbstloses Verhalten

Die erbbiologische Erklärung für die Ausbreitung selbstlosen Verhaltens stützt sich auf drei Elemente. Das erste ist Abschreckung. Wer keine Solidarität übt, wird aus dem Gesellschaftsleben ausgeschlossen und zahlt somit einen sehr hohen persönlichen Preis für sein Verhalten. In frühgeschichtlichen Gesellschaften der Sammler und Jäger kam dies einem Todesurteil gleich. Eyal Winter ergänzt: „Eine erfolgreiche Jagd erforderte die enge Zusammenarbeit. Wer nicht an einem Strang zog oder nicht zu teilen bereit war, lief sehr schnell Gefahr zu verhungern und hatte wenig Aussicht sich fortzupflanzen. Egoistische Verhaltensweisen starben somit aus.“ Als zweites Element wäre das Prinzip des Handicaps zu nennen. Allein schon der Akt sichtbaren Gebens erhöht die Chancen der Fortpflanzung des Einzelnen. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

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Der Mann hat seine privilegierte Stellung verloren

Ein kurzer Blick auf die Scheidungsraten zeigt, dass langfristige Beziehungen heute verglichen mit früher um einiges seltener geworden sind. Alle paar Wochen findet sich in einer Zeitschrift ein Artikel, in dem ein Wissenschaftler erklärt, warum das so ist. Paul Verhaeghe kennt die Veröffentlichungen: „Klinische Psychologen behaupten, junge Menschen hätten Probleme, sich zu binden, weil bei ihren Babyboom-Eltern einiges schief gelaufen ist. Die evolutionäre Psychologie vertritt die These, dass Männer vom Mars und Frauen von der Venus stammen – und sie konnten beisammen nicht kommen.“ Doch die auf der Hand liegende Erklärung ist viel weniger kompliziert und hat mit den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten fünfzig Jahre zu tun. Die Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau haben sich grundlegend verändert. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Der Kern der Selbststeuerung eines Menschen ist die Freiheit

Der Kern der Selbststeuerung eines Menschen ist die Freiheit. Ihre Einengung durch äußere oder innere Zwänge ist ein dem freien Willen entgegengesetztes Vorhaben. Joachim Bauer erklärt: „In einer Welt, deren Freiheitsgrade ohnehin abnehmen, stoßen Moralapostel, die dem Fundus schon vorhandener Regeln noch ihre eigenen hinzufügen wollen, auf keine Sympathie.“ Joachim Bauer findet es wunderbar, in einem freien Land wie Deutschland zu leben, in dem es jedem selbst überlassen bleibt, nach seiner Fasson selig zu werden. Die Gene eines Menschen steuern nicht nur, sie werden auch gesteuert. Gene sind nicht „egoistisch“, sondern Kooperatoren und Kommunikatoren. Sie stehen in einem ständigen molekularen Dialog mit Signalen, die ihnen aus ihrer Umgebung entgegenkommen. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

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Der Mensch ist nicht auf seine Gene reduzierbar

Ein Grundziel sexueller Fortpflanzung ist der Erhaltung beziehungsweise gewissermaßen die Steigerung von genetischer Diversität. Durch bestimmte unter dem Begriff Rekombination zusammengefasste Prozesse wird dabei dafür Sorge getragen, dass die Nachkommen genetisch anders sind als die Eltern und auch zwischen den Mitgliedern einer Generation ein signifikantes Maß an genetischer Verschiedenartigkeit existiert. Markus Hengstschläger erklärt: „Abgesehen von zwei eineiigen Zwillingen ist das Genom eines Menschen einzigartig. Andererseits ist der genetische Unterschied zwischen zwei Menschen, wenn man ihn in Prozent der gesamten DNA ausdrückt, eigentlich auch wieder nur gering.“ Aber eben signifikant und relevant, sodass es sich dabei gemeinsam mit den für jeden Menschen individuellen Umwelteinflüssen aller Art und die beiden Komponenten handelt, die die Basis menschlicher Individualität bilden. Markus Hengstschläger ist Professor für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien.

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Die Natur ist weder Feind noch Lehrmeister

Beim Thema „Natur“ prallen zwei Meinungen hart aufeinander. Für die einen gilt uneingeschränkt: „Macht euch die Erde untertan.“ Sie wollen den Pfad der Technik weiterbeschreiten und die Natur so vollständig wie möglich beherrschen. Bernward Gesang fügt hinzu: „Natur erleben sie vorrangig als eine Grenze. Eine Grenze unserer Freiheit und unseres Körpers, die uns Krankheiten und Tod bringt.“ Die Menschheit hat die Natur in der Geschichte der Zivilisation enorm verändert, und in der westlichen Welt, also da, wo der Mensch die Natur konsequent beherrscht, geht es fast jedem besser als je zuvor. Das ist das Fazit: Keiner muss mehr hungern, viele Seuchen sind verschwunden und die Lebenserwartung steigt stetig. Hat der Wohlstand die Menschen nicht glücklicher gemacht? Professor Dr. Bernward Gesang lehrt Philosophie mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsethik in Mannheim.

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Scott Atran betreibt Forschung unter radikalen Islamisten

Den amerikanischen Anthropologen Scott Atran treibt schon seit Jahren die Frage um, warum Menschen ihr Leben für eine Sache opfern. Er hat durch seine Feldstudien herausgefunden, dass da weder Irre noch lebensmüde Nihilisten am Werk sind. Scott Atran erklärt: „In der Regel sind das ganz normale Leute. Etliche Studien haben schon nach auffälligen Merkmalen gesucht und nichts gefunden.“ Der erste Schlüssel zum Verständnis des Selbstopfers ist für Sott Atran, dass der Kampftrupp von den Kämpfern als eine fiktive Familie betrachtet wird. Menschen wie du und ich verwandeln sich in Fremdenlegionäre des Dschihad, in furiose Kämpfer, die den Tod nicht mehr scheuen. So verrückt dieser Opfermut sein mag – der Erfolg im Gefecht, so scheint es, gibt ihm recht. Scott Atran reist seit Jahren um die Welt und betreibt Forschung unter radikalen Islamisten und ihren Gegenspielern.

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Das Leben wird stark vom Denken geprägt

Die meisten Menschen leben, was sie denken. Hinter den Phänomenen der Oberflächen ihres Einschätzens, Verhaltens und Entscheidens im Alltag erheben sich philosophische Denkgebäude, in denen sich dieses Geschehen abspielt. Ludger Pfeil erklärt: „Sie sind errichtet als Annahmen über die erfahrbare Welt und was über sie hinausgehen könnte, über richtiges Denken und Kommunizieren, über unser Zusammenleben in Beziehungen und in der Gesellschaft und bilden damit unausgesprochene philosophische Theorien, die maßgeblich prägen, was wir wahrnehmen und wie wir unsere Beobachtungen und Erfahrungen einordnen und miteinander verknüpfen.“ Was und wie ein Mensch denkt, beeinflusst, wie er die Welt betrachtet, wie er mit sich selbst, anderen Menschen und Dingen umgeht, was er für wichtig und unwichtig hält und wie er Entscheidungen trifft. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Einsamkeit ist selten gewählt und nie gewollt

Alleinsein muss nicht nur schmerzlich, es kann auch erfüllend sein. Theodor Fontane schrieb einst: „Lieber Einsamkeit und ein Buch und eine Zeitung als schlechte Gesellschaft, von der man nichts hat als Ärger und mitunter direkte Beleidigung.“ Aber was Theodor Fontane meint, ist freiwillige Zurückgezogenheit. Einsamkeit ist selten gewählt und nie gewollt. Wenn sich Menschen zurückgestoßen fühlen, funken in derselben Hirnregion die Neuronen wie bei einem Schnitt in die Haut. Der Mann, der die Folgen des ungewollten Alleinseins untersucht, heißt John Cacioppo und lehrt an der University of Chicago. Bevor sich der Psychologe dem Gefühl der Isolation zuwandte, dachte man, Einsamen gehe es schlechter, weil niemand nach ihnen schaut. Es war John Cacioppo, der herausfand, dass es sich umgekehrt verhält: Der Grund warum sie krank werden, ist die Einsamkeit selbst.

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Noch ist die Verbesserung des Menschengeschlechts Utopie

Das Bild, das der Mensch von sich entwirft, entspricht in der Regel dem, was der Mensch entwerfen kann. Modelle für die Selbstansichten des Menschen sind seit Anbeginn der Artefakte und Maschinen, die der Mensch selbst imstande war zu konstruieren und zu bauen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „In der Genetik schließlich skizzieren evolutionstheoretische und technizistische Pinselstriche ein Bild des Menschen, das diesen nun als Maschine zur Produktion und Streuung von Genen zeigt.“ Die Entzifferung des genetischen Codes des Menschen erschien vielen deshalb nicht nur als ein entscheidender Schritt zur Selbsterkenntnis, sondern auch als erster Schritt, um nun wirklich an der Verbesserung des Menschen arbeiten zu können. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Die Lust an der Angst ist weit verbreitet

Viele Jugendliche lieben Horrorfilme, nicht wenige Erwachsene holen sich beim Extremsport den ultimativen Kick. Offensichtlich mögen es Menschen, wenn es kribbelt und sie sich gruseln. Dabei gerät der Körper ganz schön in Stress, wenn man sich erschreckt. Der Herzschlag erhöht sich, die Herzkranzgefäße erweitern sich. Die Blutgefäße der Haut und der inneren Organe verengen sich. Die Bronchien werden weiter, man atmet schneller, um sich besser mit Sauerstoff zu versorgen. Das Blut wird dicker, um auf mögliche Verletzungen vorbereitet zu sein. Der Appetit geht verloren. Die Körpertemperatur steigt. Kalter Schweiß tritt aus, eine Gänsehaut bildet sich. Die Skelettmuskeln spannen sich an, um vorbereitet zu sein für den Kampf oder für die Flucht. Der Philosoph Alexander Grau sagt, dass Menschen ihre Furcht besser bewältigen können, wenn sie sich mental darauf vorbereiten.

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