Die toxische Männlichkeit vergiftet die Welt

Es gibt etwas am Mann, das die Welt vergiftet. Die amerikanische Gender-Theoretikerin Raewyn Connell prägte dafür den Begriff „Toxische Männlichkeit“. Damit charakterisiert sie bestimmte typische männliche Gewaltpraktiken. So tendiert der Mann dazu, sich allein durch seine körperliche Überlegenheit bei gleichzeitiger Abtötung von Gefühlen gegen Frauen und sich selbst gesellschaftlich durchzuboxen. Peter Trawny fügt hinzu: „Der Mann ist dann der Kampfhund einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Er vergiftet durch sein testosterongesteuertes Handeln das Zusammenleben – und offenbar auch die Umwelt.“ Obwohl dabei nicht alles am Mann „toxisch“ sein soll, sondern nur die Disposition zu seinem hegemonialen Verhalten. Dennoch scheint es zuweilen, als würden alle Dämme brechen und der Mann als solcher zum Gift zu mutieren. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

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Es gibt eine Parallelwelt der Affekte

Der Bestandteil des menschlichen Geistes, der wie es scheint, das Dasein eines Menschen beherrscht, betrifft die tatsächliche oder aus dem Gedächtnis abgerufene Welt. Sie setzt sich zusammen aus ihren menschlichen oder nichtmenschlichen Gegenständen und Ereignissen. Diese sind in den unzähligen Bildern aller Sinneskanäle repräsentiert. Häufig übersetzt man sie in verbale Sprache und strukturiert sie in Narrativen. Antonio Damasio fügt hinzu: „Und doch gibt es bemerkenswerterweise auch eine mentale Parallelwelt, die alle diese Bilder begleitet und häufig so unterschwellig ist, dass sie für sich keinerlei Aufmerksamkeit fordert. Gelegentlich wird sie aber auch so bedeutsam, dass sie den Weg des hervorstechendsten Teils unseres Geistes verändert und manchmal fesselt. Dies ist die Parallelwelt der Affekte.“ Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Sinnerleben ist immer etwas Individuelles

Für das Thema Zuversicht ist laut Ulrich Schnabel das Erleben von Sinn von zentraler Bedeutung. Die Frage ist nur: Wie findet man den persönlichen Lebenssinn? Anders als so vieles andere in der unerschöpflichen Warenwelt kann man sich einen Sinn ja nirgendwo kaufen. Man kann noch nicht einmal, im Unterschied zur käuflichen Liebe, sich einen Sinn borgen oder sich eine Art Pseudosinn zulegen. Ulrich Schnabel weiß: „Denn eine echte Sinnerfahrung ist vor allem eines: eine Erfahrung und kein Gedankenkonstrukt. Sinn wird erlebt, nicht intellektuell erfasst.“ Entweder ein bestimmtes Tun fühlt sich sinnvoll für einen Menschen an – oder eben nicht. Und dieses Gefühl lässt sich nicht betrügen. Das bedeutet auch, dass ein Sinnerleben immer etwas Individuelles ist. Ulrich Schnabel ist seit über 25 Jahren Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT.

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Friedrich Nietzsche schaut nicht zurück

Es gibt Menschen, für deren Selbstentwurf die Zukunft wichtiger ist als die Vergangenheit. Diese Personen fragen nicht danach, was war. Stattdessen interessieren sie sich dafür, was werden wird und werden soll. Svenja Flaßpöhler gehört eher zu jenen, die zurückschauen, sich erinnern, das Gewesene immer wieder von allen Seiten betrachtet. Friedrich Nietzsche hätte sie für ihre Rückwärtsgewandtheit vermutlich verachtet. Svenja Flaßpöhler stellt sich die Frage, ob es nicht sein könnte, dass nur, wer sich ausreichend erinnert, im guten, ja tiefen Sinne vergessen und also verzeihen kann. Genau dieser Ansicht ist der französische Philosoph Paul Ricoeur, ein stark an Sigmund Freud orientierter Denker. Dr. Svenja Flaßpöhler ist seit Dezember 2016 leitende Redakteurin im Ressort Literatur und Geisteswissenschaften beim Sender „Deutschlandradio Kultur“.

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Schuldgefühle wollen etwas Gutes

Überraschenderweise liebt das menschliche Gehirn Schuldgefühle, denn sie wollen im Grunde etwas Gutes. Für die Psychologin und Psychotherapeutin Helga Kernstock-Redl sind sie faszinierend und hilfreich, sobald einem Menschen klar wird, wozu sie überhaupt da sind und welchen speziellen Naturgesetzen sie folgen. Deshalb bringt es ihrer Meinung nach viel, diesen Gefühlen angstfrei zu begegnen und aktiv mit ihnen umzugehen. Alle Menschen haben Schuldgefühle und sie dirigieren viele ihrer Entscheidungen, ihr Verhalten und bestimmen über ihren Selbstwert. Dabei ist es völlig egal, ob sie lautstark das Leben dominieren oder leise im Hintergrund als vorwurfsvolle Selbstkritik agieren. Das Buch „Schuldgefühle“ zeigt die Tricks des menschlichen Gehirns und lädt zu einem Realitätscheck des eigenen Gefühlshaushalts ein. Konkrete Ideen und Beispiele aus dem Alltag zeigen, wie man Schuldgefühle ablegt, sie nutzt oder dauerhaft loswird, um ein wahrhaft selbstbestimmtes Leben führen zu können.

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Die Vernunft ist nicht die Instanz der Wahrheit

Friedrich Nietzsches Zweifel an der Zuträglichkeit der Vernunft war nie stark genug, um ihn selbst auf deren Gebrauch verzichten zu lassen. In der Logik seiner Argumente und im Scharfsinn seiner Kritik tritt dies für Volker Gerhardt eindrucksvoll hervor. Gewiss, die Vernunft ist nicht die Instanz der Wahrheit, wohl aber das Organ, um Wahrheitsansprüche zu erheben und zu prüfen. Die Vernunft bedarf des Körpers, um sich zu sammeln, sich auszudrücken und sich bestimmen zu können. Die Vernunft des Leibes erscheint Friedrich Nietzsche so vollkommen, dass er von der „großen Vernunft“ des Leibes spricht. Diese grenzt er von der deutlich abgewerteten „kleinen Vernunft“ des Bewusstseins ab. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Im Stoizismus ist eine Person in ihrem Denken autark

Das Thema Kränkung im engeren Sinne spielt in der Philosophie keine große Rolle. Wohl aber hatte diese zu den assoziierten Themen wie Enttäuschung, Verletzung und Demütigung einiges zu sagen. Reinhard Haller nennt ein Beispiel: „Der Stoizismus vertritt die Ansicht, dass die Gesellschaft gar nicht demütigen kann, weil eine Person in ihrem Denken autark ist.“ Im Stoizismus werden rational begründete Gefühle wie Kränkungen gar nicht zugelassen. Denn sie könnten ja das autonome Denken überwältigen. Da jede Person in ihrem Denken eigenständig ist, kann sie von anderen gar nicht gekränkt werden. Die stoische Apathie bedeutet aber kein Fehlen von Gefühlen, wie dies bei gemütslosen Psychopathen der Fall wäre. Selbst einem Sklaven sei es möglich, seine Gefühle vor dem Herrn zu verbergen und sie ganz allein zu besitzen. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

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Alle Emotionen sind auf ein Objekt gerichtet

Martha Nussbaum vertritt die Auffassung, dass sämtliche Emotionen mit einem Denken oder Wahrnehmen verbunden sind, das intentional auf ein Objekt gerichtet ist – als Gegenstand, welchen die Person, die die Emotion wahrnimmt oder sich vorstellt. Zugleich sind sie mit einer wertenden Beurteilung dieses Objekts verbunden, die der jeweilige Akteur aus seiner eigenen Perspektive wahrnimmt. Dabei gibt er dem Objekt in Bezug auf seine Ziele und Zwecke eine Bedeutung. Martha Nussbaum nennt ein Beispiel: „Darum trauern wir nicht wegen jedem Todesfall auf der Welt, sondern nur wegen dem Tod der Menschen, die uns in unserem Leben wichtig erscheinen.“ Diese Beurteilung muss nicht mit fertigen Überzeugungen verbunden sein, auch wenn dies häufig der Fall ist. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Denken hat immer etwas mit Gefühlen zu tun

Dank ihrer Sinnlichkeit sind die Menschen in jedem Augenblick ihres bewussten Lebens – auch im Traum – auf Tuchfühlung mit dem Wirklichen. Markus Gabriel stellt fest: „Unsere Empfindungen, unser Kontakt mit dem, was es wirklich gibt, konfrontiert uns zum Glück nicht nur mit dem Widerstand und der Widerwärtigkeit des Lebens.“ Der Mensch ist so sehr ein soziales Lebewesen, dass Mitglieder seiner Spezies in den ersten Monaten und Jahren überhaupt nur überleben, wenn sie Liebe als den Umstand erfahren, dass andere geistige Lebewesen sich ihnen schützend zuwenden. Darüber hinaus vertritt die Tiefenpsychologie die These, dass jeder Mensch eine Einstellung zu sich selbst als denkendes Lebewesen hat. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Otfried Höffe kennt die sechs Stufen der Freiheit

Um sich den Bedeutungsraum der personalen Freiheit zu vergegenwärtigen, kann man sechs Bedeutungen unterscheiden, die, weil sie aufeinander aufbauen, Stufen der Freiheit heißen mögen. Otfried Höffe erläutert: „Weil die ersten drei für den Menschen nicht spezifisch sind, liegt schlichte Freiheit, noch keine personale Freiheit vor. Ihr gegenüber handelt es sich um Vorstufen. Erst bei den nächsten drei Stufen, den Hauptstufen geht es um die personale Freiheit selbst.“ Man mag sich fragen, warum die Überlegungen so weit ausholen. Drei Gründe sprechen für den Beginn bei den Vorstufen. Zum einen vermeidet man eine voreilige Anthropozentrik, denn selbst der Ausdruck, der den Menschen aus der Natur herauszuheben scheint, die Freiheit, bleibt für die naturale Seite des Menschen offen. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Moderne scheint von negativen Beziehungen bestimmt zu sein

Für die Zeit vom 16. bis zum 20. Jahrhundert konstatieren die Soziologen der Moderne die Ausbreitung der Kultivierung neuer Beziehungsformen auf alle gesellschaftlichen Gruppen. Dazu zählen, Eva Illouz nennt nur einige, die Liebesheirat, die selbstlose oder uneigennützige Freundschaft, das mitfühlende Verhältnis zum Fremden und die nationale Solidarität. Alle diese Formen können ihrer Meinung nach gleichermaßen als neue soziale Verhältnisse, neue Institutionen und neue Gefühle bezeichnet werden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie durchweg auf einer Wahl beruhen. In der frühen Neuzeit wurde somit die Freiheit zu wählen institutionalisiert, wobei die Individuen ihre Freiheit in der Verfeinerung der Praxis des Wählens erfuhren, die als eine emotionale erlebt wurde. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem sowie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

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Verliebtheit ist oft mit Enttäuschungen verbunden

Verliebtheit und der Wunsch nach der ganz großen Liebe haben nicht nur in der Pubertät viel mit Projektion zu tun. Andreas Salcher erklärt: „Eigene Sehnsüchte, aber auch Ängste spielen dabei oft eine größere Rolle als das Objekt unserer Verliebtheit. Das zu erkennen, fällt uns in diesem Alter noch schwer, manche benötigen dafür einige tiefgehende Enttäuschungen, andere schaffen es nie.“ Stimmt das idealisierte Bild vom anderen nicht mit der Realität überein, weil dies gar nicht möglich ist, kommt es zwangsläufig zu Enttäuschungen. Der andere verhält sich nicht so, wie er das aus eigenen Sichtweise tun sollte, er sagt etwas, das einen selbst kränkt, er offenbart Eigenschaften, die erschrecken. Das führt zur Ernüchterung, dass auch dieser Mensch nicht alle eigenen Bedürfnisse befriedigen kann. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Killerspiele sind eine Anleitung zum Töten

Bei Killerspielen geht es um bis ins Detail gehende Durchführung von Gewalt. Die Spieler setzten sich zum Beispiel damit auseinander, welche Waffe man wählt, um einen am Boden liegenden Verwundeten zu töten. Oder wohin genau man mit einem Messer sticht. In den Augen von Georg Pieper ist das eine Anleitung zum Töten. Wenn man es besonders gut macht, wird man durch Punkte belohnt. Barbara Krahé, Professorin, für Sozialpsychologie an der Universität Potsdam, die in diesem Bereich forscht, erklärt: „So wie die Produktwerbung im Fernsehen das Kaufverhalten im Supermarkt beeinflusst, wirkt sich das Töten und Verletzen im Rahmen von Killerspielen auf Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im echten Leben aus. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Emotionen sind der zentrale Rohstoff des Politischen

Isolde Charim stellt fest: „Natürlich haben alle politischen Subjekte Gefühle – und diese nicht nur als Verirrung. Und natürlich haben Emotionen eine politische Relevanz. Emotionen sind nicht nur pathologische Störungen. Sie sind auch der zentrale Rohstoff des Politischen.“ Zu diesem Rohstoff gehört allerdings das gesamte Paket der Emotionen dazu. Es lassen sich nicht die „guten“ Emotionen herauspicken. Es geht sogar noch weiter: Im Politischen gibt es – anders als im Privaten – keine Gefühle, die per se gut oder per se schlecht wären. Emotionen haben daher keine fixe politische Bedeutung. Es gibt keine progressiven und keine reaktionären Gefühle. Es gibt ebenso wenig genuin demokratische wie genuin totalitäre Gefühle. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Reinhard Haller kennt das Wesen der Kränkung

Ob sie es wollen oder nicht, die meisten Menschen schleppen ein ganzes Paket von dem, was man wohl als Kränkung bezeichnet, mit sich herum und werden es gar nicht so leicht wieder los. Reinhard Haller weiß: „Obwohl Bedeutung und Stellenwert von Kränkungen in unserem Leben und ihr destruktives Potential unübersehbar sind, reagieren wir bei diesem Thema wie bei den meisten psychischen Problemen zurückhaltend und verdrängend.“ Fragen nach seelischen Verletzungen erleben viele Menschen als wenig feinfühlig, eher als taktlos, manchmal als nahezu übergriffig. Es ist ihnen peinlich, über ihre Gefühle zu sprechen. Schon gar nicht wollen sie eine Schwäche – als solche empfinden sie Kränkungen – zugeben. So etwas behält man lieber für sich. Reinhard Haller ist Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik mit dem Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen.

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Die Gefühlsarbeit ist das Schmiermittel der Gesellschaft

Wer denkt, nur die Liebe stellt den Gefühlshaushalt eines Menschen auf die Probe, irrt. Auch im Arbeits- und Geschäftsleben warten heutzutage zahlreiche emotionale Herausforderungen. Ulrich Schnabel nennt ein Beispiel: „Schon das Betreten eines modernen Kaufhauses ähnelt dem Eintauchen in ein sorgfältig temperiertes Bad der Emotionen, das einen wärmend umhüllt und zielgerichtet umschmeichelt.“ Angenehm plätschernde Hintergrundmusik, appetitlich aufgebaute Waren, einladend lächelnde Mitarbeiter – die Kunden sollen sich wohl und geborgen fühlen und den Wunsch entwickeln, möglichst viel von dieser Stimmung in bezahlter Form mit nach Hause zu nehmen. Kein Geschäft kommt heute ohne Emotionen aus. Wer erfolgreich sein will, muss vielmehr das Spiel auf der Klaviatur der Gefühle beherrschen, und zwar sowohl auf der eigenen wie auf der des Gegenübers. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Jeder Mensch sollte den souveränen Umgang mit der Liebe lernen

Man kann sich durchaus vorstellen, die Menschen werden in Sachen Liebe endlich vernünftig. Flexibel, tolerant und ehrlich. Matthias Horx ergänzt: „Nach all den Tränen der Eifersucht, der Enttäuschung, der Trennung, die aus nichts anderem stammen als dem unerfüllbaren, ja perversen Anspruch an den Einzigen oder die Einzige im Leben, würden wir uns endlich eines Besseren besinnen. Eine neue Liebeskultur entstünde, in der wir uns vor der komplexen Realität der Liebe verbeugen und uns die menschliche Fähigkeit, vernünftige Verträge zu schließen, ins Gedächtnis rufen.“ Die Menschen würden einsehen, dass es keinen Zweck hätte, auf Normen und Sexualkontrakten zu beharren, di ein der Steinzeit oder im 19. Jahrhundert entstanden sind. Sie akzeptieren: Es gibt ein großes, unstillbares Bedürfnis nach lebenslanger Treue, Verlässlichkeit. The one and only! Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Das Wohlbefinden hängt stark von der sozialen Umgebung ab

Die Vorstellung, Glück ließe sich ganz individuell und unabhängig von allen anderen verwirklichen, ist reichlich weltfremd. Ulrich Schnabel ergänzt: „Ein falsch verstandenes, zwanghaft positives Denken, das alles Negative ausblendet und nur rosarote Brillen zulässt, bringt am Ende mehr Unglück als Glück hervor.“ Schließlich hängt das Wohlbefinden eines Menschen stark von der sozialen Umgebung ab, von Freunden, Partnern, Arbeitskollegen et cetera. Zufriedenheit, so zeigt auch eine Langzeitstudie der Harvard University, hat vor allem mit Beziehungen zu tun. Studienleiter George Vaillant erklärt: „Den größten Einfluss darauf, ob ein Leben gelingt, hat Bindung. Und dabei geht es nicht unbedingt um die Bindung zum Lebenspartner, sondern eher um die grundsätzliche Beziehung zu anderen Menschen, also im Sinne einer altruistischen und empathischen Verbindung.“ Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Die Menschen sind auf die Gemeinschaft angewiesen

Die Menschen existieren von Anfang an nur in einer Gemeinschaft oder in Bezug auf sie, da sie evolutionär auf Zusammenarbeit angewiesen sind. Thomas Fischer erläutert: „Ihre Gemeinschaft funktioniert aber nicht wie ein Heringsschwarm, sondern beruht auf individuellem Ich-Bewusstsein und Empathie. Dies setzt ununterbrochenes Beobachten, Prüfen und Deuten der jeweils anderen voraus.“ Das direkte oder indirekte, unmittelbare oder vorgestellte Betrachten der anderen und das Überprüfen, welche Einstellungen, Gefühle und Forderungen diese gegenüber dem Beobachtenden haben, nehmen einen außerordentlich breiten Raum des spezifisch menschlichen Lebens ein. Erst in Lagen existenzieller Bedrohung – Hungersnot, Folter, Konzentrationslager – bricht das System empathischer Kommunikation zusammen. Das ist einer der Gründe, warum in der Ausbildung zum Krieg extrem hoher Wert auf eine formale Außenleitung (Gehorsam) und der Einübung von blinder Kameradschaft gelegt wird. Thomas Fischer war bis 2017 Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.

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Die Gelassenheit zählt zu den vier Kardinaltugenden

Das, was viele Menschen suchen, um genügend Spielraum für ihre Handlungen zu gewinnen, die mehr sein sollen als reine Reaktionen auf Stressmomente, ist offenbar nicht der Zustand der Entspannung, sondern eher eine innere Haltung, die Ina Schmidt mit dem Begriff „Gelassenheit“ definiert: „Die Gelassenheit beschreibt eine Tugend, die schon in der Antike mit dem Begriff der Seelenruhe beschrieben wurde, nicht weil sie all das, was zu tun ist, loslässt, sondern weil sie uns befähigt, auch in emotionalen Stürmen den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren und handlungsfähig zu bleiben.“ In der platonischen Schule gehört die Gelassenheit zu den vier Kardinaltugenden für ein gelingendes Leben – neben der Weisheit, der Tapferkeit und der Gerechtigkeit. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Antonio Damasio erklärt den Begriff der Homöostase

Die Ausdrücke „Homöostase“ und „Regulation des Lebens“ werden meist in der gleichen Bedeutung verwendet. Das steht im Einklang mit dem traditionellen Konzept, wonach Homöostase die in allen Lebewesen vorhandene Fähigkeit ist, wichtige chemische und allgemein-physiologische Abläufe automatisch in einem Bereich zu halten, der mit dem Überleben vereinbar ist. Antonio Damasio stellt fest: „Diese eng gefasste Vorstellung von Homöostase wird aber der Komplexität und Reichweite der Phänomene, auf die sich der Begriff bezieht, nicht gerecht.“ Eines stimmt sicher: Ganz gleich, ob man einzellige Lebensformen oder komplexe Organismen wie den Menschen betrachtet – nur sehr wenige Aspekte der Abläufe in einem Organismus entziehen sich der Notwendigkeit, sich selbst unter Kontrolle zu halten. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Der Narzissmus beginnt beim Spiegelphänomen

Respektiert und ernst genommen zu werden: Dies ist es, was in einer gelingenden Entwicklung an die Stelle des kindlichen Narzissmus tritt. Allerdings erzeugt der mediale Darwinismus, in dem es primär um Aufmerksamkeit geht, eine brutale Grundsituation. Die Mängel an Aufmerksamkeit, gegenüber von Kleinkindern, zum Beispiel auf Spielplätzen, legen nahe, dass seine Majestät, das Baby, in Gefahr steht, genau das immer weniger zu sein. Georg Milzner stellt folgende Frage: „Denn was hilft es einem Kind, wenn es ständig als toll und besonders gelobt wird, ihm andererseits aber mit der Aufmerksamkeit die Grundressource des seelischen Wachstums genommen wird?“ Jene Aufmerksamkeit, die man seinen wichtigsten Bezugspersonen gibt, lässt sich als „erweiterte Selbstaufmerksamkeit“ begreifen. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Liebe ist die Verantwortung eines Ichs für ein Du

Die Beziehung zum Du ist unmittelbar. Zwischen Ich und Du steht keine Begrifflichkeit, kein Vorwissen und keine Fantasie; und das Gedächtnis selber verwandelt sich, da es aus der Einzelung in die Ganzheit stürzt. Martin Buber ergänzt: „Zwischen Ich und Du steht kein Zweck, keine Gier und keine Vorwegnahme; und die Sehnsucht selber verwandelt sich, da sie aus dem Traum in die Erscheinung stürzt.“ Alles Mittel ist Hindernis. Nur wo alles Mittel zerfallen ist, geschieht die Begegnung. Dass die unmittelbare Beziehung ein Wirken am Gegenüber einschließt, ist an folgendem offenbar: die Wesenstat der Kunst bestimmt den Vorgang, in dem die Gestalt zum Werk wird. Das Gegenüber erfüllt sich durch die Begegnung, es tritt durch sie in die Welt der Dinge ein, unendlich fortzuwirken, unendlich Es, aber auch unendlich wieder Du zu werden, beglückend und befeuernd. Martin Buber (1878 – 1965) war ein österreichisch-israelischer Religionsphilosoph.

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Die Entdeckung einer Affäre ist eine Katastrophe

Gäbe es eine Richterskala für emotionale Erdbeben, würde die Entdeckung einer Affäre am obersten Ende der Skala rangieren. Manche Menschen erholen sich schnell, doch die Mehrheit fühlt sich, als wären sie an einem vermeintlich erdbebensicheren Ort von einer seismischen Katastrophe überrascht worden. Shirley P. Glass betont: „Sie sind in keinster Weise auf die Erschütterung vorbereitet, die ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht und ihr häusliches Leben zerstört. In den ersten Minuten und Stunden nach der Enthüllung eines Betrugs sind die Gefühle außer Kontrolle.“ In den unmittelbar folgenden Tagen und Wochen werden sowohl der betrogene als auch der untreue Partner und der oder die Geliebte von Gefühlen enormen Verlusts überwältigt. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

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Antonio Damasio kennt den Ursprung der Gefühle

In dem Szenario, das Antonio Damasio derzeit bevorzugt, wurde das Leben anfangs ohne irgendwelche Gefühle reguliert. Es gab weder einen Geist noch ein Bewusstsein. Mit der Entstehung der Nervensysteme, die zur Kartierung und Bilderstellung in der Lage waren, eröffnete sich der Weg, auf dem einfache Formen des Geistes auf der Bildfläche erscheinen konnten. Antonio Damasio erläutert: „Während der kambrischen Explosion, nach zahlreichen Mutationen, erzeugten manche Lebewesen mit einem Nervensystem nicht nur Bilder der Umwelt, sondern auch ein bildliches Gegenstück zu dem umfangreichen Prozess der Lebensregulation, der sich im Hintergrund abspielte.“ Damit war die Grundlage für einen entsprechenden mentalen Zustand geschaffen. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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