Im Organismus ist alles Mittel zum Zweck

Die unverzichtbare Verknüpfung von Zweck und Mittel ist in Immanuel Kants kritischer Ethik nur ein Nebenaspekt. Volker Gerhardt ergänzt: „In seiner Theorie des Lebendigen, die er im zweiten Teil der „Kritik der Urteilskraft“ entwirft, wird sie hingegen zum zentralen Thema. Lebendig ist alles, in dem Ursache und Wirkung in einer derart engen Wechselwirkung stehen, dass sie gegenseitig im Verhältnis von Zweck und Mittel stehen.“ In einem Organismus ist alles Mittel zum Zweck der Erhaltung des Ganzen. Dieses kann man selbst als das Mittel begreifen, das jedem seiner Organe die Existenz und die Funktion ermöglicht. Immanuel Kant war der erste, der diese lebendige Einheit unter den Begriff der „Selbstorganisation“ fasst. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Die Frage nach den Grenzen des Privateigentums ist aktueller denn je

Das neue Philosophie Magazin 02/2020 beschäftigt sich in seinem Titelthema mit der Frage „Eigentum verpflichtet – aber wozu?“. Mit Blick auf die utopische Literatur wird deutlich: Sammelt sich das Privateigentum in den Händen weniger, wird es zu einer illegitimen Quelle von Herrschaft. Zum anderen wird aber auch klar, dass diese kollektiven Gesellschaftsentwürfe wie Platons „Politeia“, Thoma Morus´ „Utopia“ oder Tommaso Campanellas „Der Sonnenstaat“ keineswegs herrschaftsfrei daherkommen. Ganz im Gegenteil werden bestimmte Gruppen und ihre spezifischen Fähigkeiten mit Macht ausgestattet. Die Frage nach den Grenzen des Privateigentums ist heutzutage aktueller denn je. Denn die 45 reichsten Haushalte in Deutschland besitzen derzeit so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der gesamten Bevölkerung. Die Menschen sollten wieder streiten lernen, in welchen Eigentumsverhältnissen sie zukünftig leben wollen.

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Hegel formuliert einen Idealismus der Freiheit

Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist die Freiheit das Alpha und das Omega des absoluten Idealismus. Er schreibt im „Kritischen Journal“: „Die Berührungspunkte der Philosophie mit der gesamten Kultur sollen aufgespürt und die Relevanz der Philosophie für eine neuzeitliche Gesellschaft der Freiheit vorgelegt werden.“ Wie Klaus Vieweg in seiner Biografie über Hegel schreibt, kann der Begriff der Freiheit, der für Hegel den Mount Everest der Philosophie darstellt, erst durch die Aufhebung der praktischen Vernunft von Immanuel Kant und Johann Gottlieb Fichte bezwungen werden. Dabei geht es um das Überwinden zweier Entwürfe, die sich beide ausdrücklich als Freiheitsdenken verstanden haben. Der Mangel des formalen Idealismus der Freiheit liegt für Hegel im Gedanken der rein negativen Freiheit, der sich aus der Annahme eines negativen, leeren Absoluten ergibt. Klaus Vieweg ist Professor für klassische deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller Universität Jena und einer der international führenden Hegel-Experten.

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Die Philosophie ist keine lebensferne Begriffsakrobatik

„Der philosophische Reiseführer“ von Hartmut Sommer lädt seine Leser ein zu einer anregenden Zeitreise, welche die existenzielle Lebenssituation großer Philosophen und damit zu einem besseren Verständnis ihres Denkens führt. Seine 23 chronologisch angeordneten Essays durchlaufen auf verständliche Weise die Geschichte des philosophischen Denkens von der Scholastik bis zur Moderne. Hartmut Sommer folgt Albertus Magnus auf seinem Weg von Paris nach Köln, begibt sich auf die Pfade Arthur Schopenhauers in Frankfurt und Edith Steins in Beuron. Auch das Stift in Tübingen, in dem Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Friedrich Hölderlin ihre einzigartigen Karrieren starteten, bildet ein Ziel seiner philosophischen Reise. Schließlich erkundet Hartmut Sommer die einsiedlerische Kammer Friedrich Nietzsches in Sils Maria und die Berghütte Martin Heideggers im Schwarzwald. Der Erziehungswissenschaftler und Philosoph Dr. Hartmut Sommer lebt als freier Autor und Übersetzer in Bad Honnef.

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Die Frühromantik will Poesie und Mythologie miteinander verbinden

Zu den zentralen Forderungen der Frühromantik gehört die nach einer neuen Mythologie. Dadurch unterschied sich die frühromantische Bewegung an einem entscheidenden Punkt von der Aufklärung, zu der sonst durchaus Verbindungslinien bestanden. Gerade die Skepsis gegen den Mythos gehörte zu den entscheidenden Elementen der aufklärerischen Weltanschauung. Die Frühromantiker versuchten, Poesie und Mythologie wieder miteinander zu verbinden. Friedrich Schlegel schrieb in seinem „Gespräch über die Poesie“ (1800) folgendes: „Dann das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter.“ Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling wandte sich in seiner „Philosophie der Kunst“ (1802/03) ausführlich dem Verhältnis von Dichtung und Mythologie zu.

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Albert Camus stellt sich sogar Sisyphos als glücklichen Menschen vor

Eine nüchterne Art der Lebensbejahung vertritt der in Algerien geborene französische Philosoph und Schriftsteller Albert Camus (1913 – 1960). Ludger Pfeil erläutert: „Er will sich sogar Sisyphos, der zum Synonym für den erfolglosen, niemals zum Ende kommenden Arbeiter wurde, als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Die tragische Figur aus der griechischen Mythologie hatte sich dem Tod nicht ergeben wollen und muss zur Strafe für seine lebensverlängernden Tricks, die ihm immerhin einige zusätzliche Jahre beschert hatten, einen riesigen Stein einen Berg hinaufwälzen. Oben angekommen, rollt der Fels dann unvermeidlicherweise wieder hinunter, wo die Plackerei aufs Neue beginnt. Sisyphos wird so die Arbeit bis in alle Ewigkeiten nicht ausgehen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Markus Gabriel stellt sich dem Problem mit dem Ich

Was ist das Problem mit dem Ich? Markus Gabriel weiß, worum es sich dabei handelt: um das Subjekt des Wissens. Ein Ich zu sein heißt, etwas zu wissen und es mitteilen zu können. Es bedeutet aber keineswegs, mit sich selbst allein zu sein und wiederum wie ein Homunculus im Gehirn zu hausen. Damit ist für Markus Gabriel schon einmal klar: „Ich ist nicht Gehirn.“ Johann Gottlieb Fichtes Ich-Philosophie bricht dadurch in sich zusammen, dass man die Frage stellen kann, wie eigentlich das Ich mit der Natur zusammenhängt. Zu Johann Gottlieb Fichtes Lebzeiten hat als Erster der Meisterdenker der Romantik, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, den alles entscheidenden Einwand formuliert. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Entfremdung ist ein durchgängiges Motiv in Friedrich Hölderlins Dichtung

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) gehört, wie der früh verstorbene Novalis, zu den Autoren, deren Leben und Werk zum Mythos geworden ist. Seine Gedichte beeindrucken durch große sprachliche Dichte, Reichtum der Gedanken, Füllen an Bildern und Symbolkraft. Sensibilität uns Schwermut verbinden sich mit der Hoffnung auf Wiederherstellung der zerstörten menschlichen und gesellschaftlichen Harmonie zu einer Form des politischen Gedichts, dem alles Agitatorische fehlt, das aber durch die Tiefe der Empfindung, der Moralität und politischen Integrität, sprachlichen Gestus und ästhetischer Formung überzeugt. Im idealisierten Griechenland fand Friedrich Hölderlin den Orientierungspunkt für seine Konzeption der Humanität. Die Verwendung antiker Strophenformen war keine äußerliche Übernahme tradierter Formen, sondern Ausdruck inniger Verbundenheit mit der Antike und deren rückerinnernden Aktualisierung. Neben den strengen antiken Versformen stehen die späten, zu freien Rhythmen übergehenden Hymnen und Elegien, in denen die Sehnsucht nach dem verlorenen Griechenland zum Ausdruck kommt. Beispiele sind „Archipelagos“, „Mnemosyne“ und „Patmos“.

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Friedrich Wilhelm Joseph Schelling ist der Philosoph der Natur

Vittorio Hösle sagt über Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1854), dass man seine Eigenart am treffendsten damit bezeichnet, dass dieser die vielleicht produktivste Phase seines Denkens bereits im Alter von 25 Jahren beendet hatte. Sein letztes wichtiges Buch veröffentlichte er mit 34. Doch noch bis zu seinem Tod hielt er bedeutende Vorlesungen. Dabei erkennt man immer mehr Kontinuitäten in seiner Entwicklung, auch wenn die sprunghafte Veränderung seiner Interessen und der Wandel seiner Positionen, von einem jugendlichen Pantheismus zu einer Form des Christentums, die der traditionellen Christologie eher entgegenkommt, unübersehbar ist. Vittorio Hösle erklärt: „Der Mythos faszinierte schon den Teenager, und die Spätphilosophie will die frühen Systementwürfe nur ergänzen, nicht ersetzen, Freiheit bleibt das Leben lang ein Hauptthema.“ Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Johann Gottlieb Fichte war einer der größten Denker aller Zeiten

Der deutsche Idealismus ist für Vittorio Hösle die intellektuell anspruchsvollste Philosophie gewesen, die das Land bis zu diesem Zeitpunkt hervorgebracht hat. Zudem gelang es ihm, nahezu alle innovativen Leistungen der früheren deutschen Philosophie in Form eines Systems, der komplexesten Gestalt des philosophischen Denkens, zu integrieren. Vittorio Hösle fügt hinzu: „Die religiöse Motivation der drei Hauptfiguren, die alle Theologie studiert hatten, trug dazu bei, dass eine weltgeschichtlich neue Form philosophischer Religiosität entstand, die das deutsche, zumal protestantische, aber in Ansätzen auch katholische Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts nachhaltig prägte.“ Die drei entscheidenden Denker des deutschen Idealismus waren Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814), Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1854) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831). Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Friedrich Hegel definiert den Endzweck der Menschheit

Das Ziel der Weltgeschichte ist laut Friedrich Hegel, dass der Geist zum Wissen dessen gelangt, was er wahrhaftig ist, und dies Wissen gegenständlich macht, es zu einer vorhandenen Welt verwirklicht, sich als objektiv hervorbringt. Das Wesentliche dabei ist, dass dies Ziel ein Hervorgebrachtes ist. Friedrich Hegel definiert den Geist als einen, der sich hervorbringt und sich zu dem macht, was er ist. Das Sein des Geistes ist kein ruhendes Dasein, sondern ein absoluter Prozess. In diesem Prozess sind wesentliche Stufen enthalten, und die Weltgeschichte ist die Darstellung des göttlichen Prozesses, indem der Geist sich selbst verwirklicht. Das funktioniert allerdings nur, wenn er seine Wahrheit weiß.

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Philosophie von Immanuel Kant bis John Rawls

Auch der zweite Band der Klassiker der Philosophie richtet sich weniger an Experten, sondern eher an Studienanfänger und philosophisch interessierte Laien. Die einzelnen Beiträge sind von renommierten Kennern der jeweiligen Philosophen verfasst und vermitteln neben einer Einführung in das Werk mit seinen Fragen und Methoden des jeweiligen Denkers auch die sozial- und geistesgeschichtlichen Hintergründe. Der Herausgeber Otfried Höffe ist Professor für Philosophie an der Universität Tübingen. Das erste Kapitel ist Immanuel Kant gewidmet, der den intellektuellen Höhepunkt und zugleich die Wende der europäischen Aufklärung prägte wie kein anderer Denker seiner Zeit.

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Rüdiger Safranskis Liebe zu Arthur Schopenhauer

Mit seiner Biographie über Arthur Schopenhauer erklärt Rüdiger Safranski gleichzeitig seine Liebe zur Philosophie. Philosophie bedeutet für ihn mit heißem Herzen über Gott und die Welt nachzudenken. Kombiniert mit dem großen Staunen darüber, dass die Existenz der Dinge und der Menschen über das Nichts gesiegt haben. Im Untertitel nennt Rüdiger Safranski die Zeit in der Arthur Schopenhauer lebte, die wilden Jahre der Philosophie. Zu ihren prägenden Denkern zählt er Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ludwig Feuerbach und den jungen Karl Marx. Rüdiger Safranski, geboren 1945, lebte als Autor und Privatgelehrter in Berlin. Er wurde mit dem Friedrich-Märker-Preis, dem Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik, dem Friedrich-Nietzsche-Preis sowie dem Premio Internazionale Federico Nietzsche ausgezeichnet.

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Der Naturphilosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

Die einflussreichste und bekannteste Philosophie Friedrich Wilhelm Joseph Schellings ist seine berühmte Naturphilosophie. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling stellte die These auf, dass die Menschen nicht nur aus der Natur hervorgegangen sind, sondern auch ein Bestandteil der ewigen Prozesse bleiben, die in ihr stattfinden. Er stellte sich damit bewusst gegen die Theorie Johann Gottlieb Fichtes, der das Universum als eine Schöpfung des lebenden Ichs aus lebloser Materie betrachtete. Für Friedrich Wilhelm Joseph Schelling dagegen war das Leben eine Schöpfung der Natur, die einmal eine Welt lebloser Materie war.

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