Für den Nihilismus hat nichts einen objektiven Wert

Im Allgemeinen ist Nihilismus die Auffassung, dass in Wirklichkeit überhaupt nichts einen objektiven Wert hat. Das gilt nicht einmal für das Leben. Markus Gabriel ergänzt: „Der Nihilismus hält die Wirklichkeit für einen wertneutralen Ort, an dem ein Überlebenskampf der Arten und Individuen tobt. Ein Wert, so der Hauptgedanke des Nihilismus, liegt nur vor, wenn jemand etwas, was an sich keinen Wert hat, wertschätzt.“ Besonders eindringlich wurde dieser Gedanke von Friedrich Nietzsche formuliert. Dieser setzt ihn für seinen groß angelegten Versuch ein. Er will das angeblich christlich-jüdische Wertesystem der von ihm sogenannten „Sklavenmoral“ zugunsten einer neuartigen „Herrenmoral“ entthronen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Der Mensch muss sich selbst gestalten

Dem Menschen fehlt ein vorgegebener Weltbezug, er ist wie der Philosoph Günther Anders schrieb, durch eine fundamentale Weltfremdheit bestimmt. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Damit ist der Mensch aufgefordert, sich selbst zum Gegenstand nicht nur der Reflexion, sondern der Gestaltung zu machen.“ Die fälschlicherweise oft Goethe zugeschriebene Maxime aus den Oden des Pindar liebte Friedrich Nietzsche und übersetzte sie mit „Werde der, der du bist“. Friedrich Nietzsche hat darüber in den „Fröhlichen Wissenschaften“ folgendes geschrieben: „Wir aber wollen Die werden, die wir sind, – die Neuen, die Einmaligen, die Unvergleichbaren, die Sich-selber-Gesetzgebenden, die Sich-selbst-Schaffenden!“ Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Der Mensch ist mehr als sein Schein

Søren Kierkegaard wirft sich im Namen der Leidenschaft in die Arme der Religion. Friedrich Nietzsche wendet sich im Namen des Willens zur Macht gerade von ihr ab. Beide sehen sich aber gezwungen die Vernunft zu relativieren und sie etwas Größerem, Stärkerem und Mächtigerem unterzuordnen. Auch das zeichnet sich für Ger Groot seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bereits ab: „Im Spieltrieb sucht Friedrich Schiller nicht länger nach einer Annäherung an die Wirklichkeit, sondern sieht darin eine Hinwendung zum Schein.“ Der Kunst des noch nicht Wirklichen wird dabei eine höhere Wahrheit zugeschrieben als dem Reellen. Die Rationalität kann nicht länger als Prüfung gelten. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Das Individuum muss sich selbst erhöhen

Friedrich Nietzsche hat das Christentum immer wieder scharf kritisiert. Dabei schätzte er die Gottesvorstellung als lebensfeindlich ein. Nach dem Tod Gottes muss der Mensch folgenden Leistungen vollbringen. Friedrich Nietzsche schreibt: „Das Individuum steht da, genötigt zu einer eigenen Gesetzgebung, zu eigenen Künste und Listen der Selbst-Erhaltung, Selbst-Erhöhung, Selbst-Erlösung.“ Oder mit einem Wort Zarathustras: „Ich nahm euch Alles, den Gott, die Pflicht – nun müsst ihr die größte Probe einer edlen Art geben.“ Christian Niemeyer erklärt: „Den Hervorhebungen Nietzsches zufolge wäre das Übermenschen-Konstrukt also in der praktischen Philosophie zu beheimaten. Und dies mit dem Auftrag, jener Gefahr des Nihilismus entgegenzutreten.“ Lesen freilich will gelernt sein, Friedrich Nietzsche lesen ohnehin, aber auch ganz allgemein. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an. der TU Dresden.

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Friedrich Nietzsche verkündet den Tod Gottes

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) verkündet öffentlich den Tod Gottes. Er steht damit eher am Ende als am Beginn einer langen Geschichte banger und finsterer Ahnungen. Diese nahmen ihren Anfang schon ein Jahrhundert zuvor. Ger Groot weiß: „Schon 1796 hatte der deutsche Romancier und Publizist Jean Paul in seinem Roman „Siebenkäs“ einen Text aufgenommen, der seiner Zeit weit voraus war.“ Er lässt darin den toten Christus vom Weltgebäude herab reden, dass es keinen Gott gibt. Jesus sprach zu den gestorbenen Kindern: „Wir sind alle Waisen, ich und ihr, wir sind ohne Vater.“ Das erinnert unvermeidlich daran, was Friedrich Nietzsche gut achtzig Jahre später in „Die fröhliche Wissenschaft“ schreibt. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Die Wahrheit kann dem Frieden dienen

Für Friedrich Nietzsche ist der Intellekt vor allem „ein Mittel zur Erhaltung des Individuums“. Dieser ermöglicht es dem „Mängelwesen“ Mensch im Daseinskampf zu bestehen. Er spricht davon, dass der Intellekt „gerade nur als Hilfsmittel den unglücklichsten, delikatesten, vergänglichsten Wesen beigegeben ist, um sie eine Minute im Dasein festzuhalten.“ Axel Braig stellt fest: „Damit vertritt Nietzsche die Ansicht, dass der Mensch die Neigung hat, bestimmte Annahmen vor allem dann als wahr zu erachten, wenn sie im Überlebenskampf nützlich erscheinen.“ An anderer Stelle spricht Friedrich Nietzsche davon, dass die Vorstellung von Wahrheit dazu dienen kann, den Menschen im Krieg aller gegen alle einen Friedensschluss zu ermöglichen. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Hybris ist die Stellung des Menschen zur Natur

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich in Deutschland eine radikale Kulturkritik. Warum gerade in Deutschland? Silvio Vietta antwortet: „Weil dieses Land zu dieser Zeit eine Phase der akzelerierten Industrialisierung und Technisierung durchläuft.“ Bereits Friedrich Nietzsche kritisiert diese Form der Modernisierung radikal. Er nennt das darin waltende Verhältnis des Menschen zur Natur, zu Gott wie zum Menschen Hybris, das heißt Anmaßung, Überheblichkeit. Nach Friedrich Nietzsche nimmt sich das ganze moderne Sein, soweit es nicht Schwäche, sondern Macht und Machtbewusstsein ist, wie lauter Hybris und Gottlosigkeit aus. Hybris ist heute die ganze Stellung des Menschen zur Natur. Dazu gehört die Vergewaltigung der Natur mit Hilfe der Maschinen und der Erfindungen der Techniker und Ingenieure. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Die Aufklärer sahen den Mensch als Teil der Natur

Der englische Philosoph Jeremy Bentham konnte die Welt und den Menschen nur noch rationalistisch und zweckorientiert begreifen. Für Philipp Blom war der verbohrte Aufklärer dadurch grandios unmenschlich. Die Romantik rebellierte gegen solche Vorstellungen. Sie wollte die Natur nicht nur als Materialsammlung für Wertsteigerung und Profit begreifen. Sie sprach ihr eine eigene raunende Stimme zu. Philipp Blom stellt fest: „Dieser Kontrast zwischen taghellem Rationalismus und dämmriger Romantik ist zweifellos übertrieben. Auch und gerade Aufklärer sahen schließlich den Menschen als Teil der Natur.“ Der Franzose Julien Offray de La Mettrie ging sogar so weit, den Menschen selbst als natürliche Maschine zu beschreiben. Nämlich als rein biologischen Mechanismus ohne Ziel und Zweck. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford.

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Friedrich Nietzsche sagt ja zum Übermenschen

Friedrich Nietzsche nimmt in „Jenseits von Gut und Böse“ an, dass es gewisse Moralen gäbe. Mit deren Hilfe über deren Urheber an der Menschheit Macht und schöpferische Laune aus. Für Christian Niemeyer ist der Eindruck hier kaum vermeidbar, Friedrich Nietzsche spräche hier von sich und der Motivstruktur. Diese wurde ihm zum Anlass, als Menschenersatz den Übermenschen zu konzipieren. Der österreichische Arzt und Psychoanalytiker Paul Federn betrachtete Friedrich Nietzsches Philosophie als eine Kontrastbildung gegen seine eigene Existenz. In dieser Logik geriet Nietzsches Übermensch sehr schnell zum „Wunschtraum einer kranken Seele“. Friedrich Nietzsche selbst etikettiert sich selbst als „Dynamit“. Respektive auch als eines Denkers, „der die Geschichte der Menschheit in zwei Hälften spaltet“. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Der „Übermensch“ riskiert seinen eigenen Untergang

Die Welt existiert nur in Form von Interpretationen, die immer unter einem bestimmten Blickwinkel vorgenommen werden. Diese Ansicht bezeichnet man Friedrich Nietzsches „Perspektivismus“. Dieser Perspektivismus hat eine Ähnlichkeit mit einer erkenntnistheoretischen Strömung, die in etwa zur gleichen Zeit in Amerika Denker wie Charles Sanders Peirce und William James entwickeln. Dabei handelt es sich um den Pragmatismus, nach dem die Wahrheit das ist, was funktioniert. Doch für Friedrich Nietzsche ist das alles zu kleinkrämerisch. Seine Philosophie ist auf viel mehr aus als Selbsterhaltung. Ger Groot erklärt: „Wie Zarathustra wird der „Übermensch“ – der die Frucht dieses Abschieds von der Wahrheit ist – dazu bereit sein, für dieses „mehr“ möglicherweise sogar seinen eigenen Untergang zu riskieren.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Es gibt keine ewigen unveränderlichen Werte

Das Ringen um gemeinsame Werte und verbindliche Regelungen ist in sozialen und politischen Gemeinschaften oftmals sehr schwierig. Dennoch bleibt dieser mühsame Prozess unvermeidbar. Auch die Berufung auf die Vernunft oder auf unveränderliche ewige Werte kann diese Auseinandersetzung nicht überflüssig machen. Denn es gab ja zu keinem historischen Zeitpunkt einen weltweiten Konsens über die angeblich ewigen Werte. Axel Braig ergänzt: „Zudem erscheint die von Immanuel Kant beschworene Vernunft als so lebensfern und abstrakt.“ Deshalb hat Friedrich Nietzsche ihr seine „große Vernunft des Leibes“ entgegengestellt. Es erscheint nicht ratsam, sich allein auf diese leibliche Vernunft zu verlassen. Dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass sinnliche Erfahrungen und konkrete Ereignisse bei vielen Menschen starke Gefühle auslösen. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Zarathustra ist nicht Friedrich Nietzsche

Zarathustra darf nicht als das Alter Ego Friedrich Nietzsches missverstanden werden. Denn dieser will das triebdynamische Gewaltverhältnis umkehren. Er will das Leben, die Sinnlichkeit, das Begehren peitschen. Es bleibt jedoch bei einer leeren Geste. Das Leben hält sich angesichts des Geknalles seine zierlichen Ohren zu. Friedrich Nietzche schreibt: „Oh Zarathustra! Klatsche doch nicht so fürchterlich mit deiner Peitsche! Du weißt es ja: Lärm mordet Gedanken.“ Konrad Paul Liessmann fragt sich, welche Gedanken das Geknalle Zarathustras stört und kommt zu folgendem Schluss: „Es sind, bekundet das Leben, durchaus zärtliche Gedanken, die durch Zarathustras Geknalle irritiert werden.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Die Philosophie muss eine andere Welt entdecken

Friedrich Nietzsches Annahme, dass es für die Philosophie noch eine „andere“ Welt zu entdecken gäbe, beschließt den Aphorismus „Auf die Schiffe!“ aus „Die fröhliche Wissenschaft. Die „andere“ Welt auf die Friedrich Nietzsche abzielt, ist identisch mit einem neuen, sinngebenden philosophischen Grundgedankengang. Dieser ist tauglich zu einer alternativen, aus herkömmlichen Philosophien nicht beziehbaren Daseinsberechtigung. Insbesondere für den Bösen, den Unglücklichen, den Ausnahme-Menschen, den Übermenschen. Christian Niemeyer ergänzt: „In „Jenseits von Gut und Böse“ sehen wir Nietzsche erneute auf „die Schiffe gehen“, nun ein – wie er es nennt – fast noch neues Reich gefährlicher Erkenntnisse entdeckend.“ Dabei handelt es sich um ein Reich psychologischer Erkenntnisse. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Søren Kierkegaard ringt mit der Religion

Søren Kierkegaard schuf auf den ersten Blick ein Oeuvre, das auf den ersten Blick eher literarisch als philosophisch anmutet. Er wurde in einer protestantisch-pietistischen Familie in Kopenhagen geboren. Dort verbrachte er bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1855 sein ganzes Leben. Ger Groot stellt fest: „Søren Kierkegaard hat sein Leben lang gegen die Staatskirche seiner Zeit polemisiert. Ebenso wie Friedrich Nietzsche focht er einen Kampf mit der Religion aus. Aber anders als Nietzsche distanzierte er sich nicht von ihr.“ Er suchte vielmehr nach einer authentischen Religion, in der der menschlichen Sehnsucht nach Erlösung der gebührende Ernst zukam. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Zarathustra ist nicht Friedrich Nietzsche

Die vom persischen Religionsstifter Zoroaster inspirierte Figur des Zarathustra erscheint nicht nur als Verkünder großer Wahrheiten und Prediger. Sondern er tritt auch als Philosoph in Erscheinung, der sich radikal einer skeptischen Selbstvergewisserung aussetzt. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „So wenig Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ ein philosophisches Werk im traditionellen Sinne ist, so wenig handelt es sich um eine poetische Fiktion.“ Der eher an der Sprache der Evangelisten denn an orientalische Vorbilder gemahnende Stil ist von einer außergewöhnlichen Geschmeidigkeit. Der Duktus oszilliert zwischen übersteigertem Pathos und nüchterner Selbstbefragung. Die Figur des Zarathustra darf man jedoch nicht mit Friedrich Nietzsche identifizieren. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Der Geist bringt technische Innovationen hervor

Ein Grund für die Hochschätzung der geistigen Leistung kann bereits ihrem Anteil an den technischen Innovationen entnommen werden. Ein prominentes Beispiel für eine echte Erfindung ist bekanntlich das Rad. Für dieses hat es kein Vorbild in der Natur gegeben. Volker Gerhardt erklärt: „Konstruktion und Installation eines Rads verdanken wir allein dem geistigen Einfall eines homo sapiens.“ Ob die Idee aber etwas taugt, zeigt sich nur im folgenden Fall. Ein geschickter homo faber muss in der Lage ist, ein sich drehendes und belastbares Rad zu bauen, das der praktischen Belastung standhält. Für Volker Gerhardt haben homo sapiens und homo faber vieles gemeinsam. Aus den modernen Unterscheidungen zwischen den beiden Typen geht das nicht hervor. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Die Weltordnung justiert sich neu

Das Philosophie Magazin Nr. 04/2022 stellt im Titelthema die Frage „Wohin steuert die Geschichte?“ Die Antworten darauf sind vielfältig und beschäftigen Philosophen von der Antike bis zur Gegenwart. Jetzt da der Ukrainekrieg die Welt in große Ungewissheit stürzt und die Weltordnung sich neu justiert, ist sie drängender denn je. Es gibt eine Disziplin, die seit jeher versucht, Gesetze im Gang der Geschichte zu erkennen. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler kennt sie: „Die Geschichtsphilosophie ist es, die versteckte Logiken aus der scheinbaren Willkür herauspräpariert, um die menschliche Gattung in einen überwölbenden Gesamtkontext zu stellen.“ Wird Hegel recht behalten? Ist der Krieg eine dialektische Volte, die den Pfad des Fortschritts schlussendlich vorantreiben wird. Friedrich Nietzsche dagegen ging von einen zyklischen Geschichtsverlauf aus: Dann wäre der Krieg die Wiederkehr des Immergleichen, aus dem es kein Entrinnen gibt.

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Der Mensch ist weder aufrichtig noch ehrlich

Friedrich Nietzsche hat sich von Beginn seiner Professorenkarriere an bis kurz vor seinem geistigen Zusammenbruch immer wieder neu mit der Wahrheitsfrage auseinandergesetzt. Dies geschah durchaus entlang eines Ariadnefadens. Dieser bringt Anfang wie Ende dieses Reflektierens im als Motto angeführten Zitat aus „Ecce homo“ auf den wichtigen Punkt: „Ich erst habe die Wahrheit entdeckt, dadurch dass ich zuerst die Lüge als Lüge empfand.“ Christian Niemeyer schließt allerdings aus, dass Friedrich Nietzsche zeitlebens an der Dekonstruktion der Idee von Richtigkeit und Wahrheit gearbeitet hat. Im Essay „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“, den Friedrich Nietzsche bewusst geheim gehalten hatte, ist folgende Definition zentral: „Wahrheit ist (e)in bewegliches Heer von Metaphern.“ Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Die Weisheit zählt die Liebe zu den höchsten Tugenden

Die Weisheit, um mit Epiktet zu sprechen, lädt die Menschen ein zu unterscheiden, was von ihnen abhängt und was nicht. Wenn einem Menschen etwas passiert, das er sich nicht ausgesucht hat, liegt es dennoch an ihm, wie der damit umgeht. Eine schwere Krankheit kann man beispielsweise als Herausforderung ansehen oder sich von ihr niederdrücken lassen. Ein Weiser akzeptiert seine Krankheit, anstatt sie zu verleugnen. Dann versucht er, in Bezug auf das, was er beeinflussen kann, zu handeln. Zum Beispiel gute Medikamente zu finden und so positiv wie möglich mit der Situation umzugehen. Frédéric Lenoir ergänzt: „Schließlich, wenn wir trotz all unserer Anstrengungen nicht gesund werden, müssen wir uns erneut in das Unausweichliche fügen, da wir es nicht vermeiden können: die chronische Krankheit oder den Tod.“ Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Friedrich Nietzsche predigt eine andere Vernunft

Friedrich Nietzsches Zarathustra sagt zu den Ursprüngen der christlichen Metaphysik folgendes: „Kranke und Absterbende waren es, die verachteten Leib und Erde und erfanden das Himmlische und die erlösenden Blutstropfen.“ Diese Stelle nimmt Bezug auf das Neue Testament. Zarathustra fährt fort: „Allzu gut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen, dass an sie geglaubt werde, und Zweifel Sünde sei.“ Christian Niemeyer stellt die provokanteste These Friedrich Nietzsches vor: „Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt bleibt übrig? Die scheinbare vielleicht? … Aber nein! Mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft!“ Zu dieser Aussage aber will ja nicht recht passen, dass Friedrich Nietzsche noch 1882, in gleichsam „optimistischer“ Manier, zur Entdeckung „anderer“ Welten aufgerufen hatte. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Der spielende Mensch ist der Urtyp der Künstlers

Volker Gerhardt weiß: „Platon erkennt schon in einem seiner frühen Dialoge im spielenden Menschen den Urtypus des Künstlers. Das Spiel und die Kunst stehen in enger Verbindung.“ Das gilt bis hin zu Immanuel Kants Rede vom „freien Spiel“ der Einbildungskraft, die das Erleben des Schönen und Erhabenen ermöglicht. Diese Formulierung beschränkt sich auf das Zusammenwirken von Anschauung und Verstand. Dennoch hat sie Friedrich Schiller zu einer poetischen Definition des Menschen inspiriert, die zum geflügelten Wort geworden ist: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Schon Friedrich Schiller hätte bereits vom homo ludens sprechen können. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Eine Rückschau vom Ende her lohnt sich

Das aktuelle Philosophiemagazin Nr.02/2022 beschäftigt sich in seinem Titelthema mit der Frage „Wer will ich gewesen sein?“ Es gelte also vom vorweggenommenen Ende zurückzuschauen. Das Leben vom Ende her zu denken, ist Zumutung und Befreiung zugleich. Nur wenn man sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst ist, entwickelt man einen Sinn für das Wesentliche. Von diesem imaginären Standpunkt aus wird man vielleicht vieles von dem, das man augenblicklich als unbedingt notwendig erachtet, plötzlich viel gelassener sehen. Es ist zugleich eine Einladung an die Leser, ihre vielen Pläne einmal zur Seite zu legen und eine ganz andere Perspektive einzunehmen. Gleichzeitig hofft Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler, dass die Frage viele Menschen ermutigt, wach, kritisch und neugierig zu bleiben: „Denn es ist die Erkenntnislust, die uns einer Antwort näherbringt.“

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Mit Friedrich Nietzsche beginnt ein neues Denken

Nie war Friedrich Nietzsche in der deutschsprachigen Pädagogik so out wie heute. Denn Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud hätten radikalen Zerfallsvisionen Vorschub geleistet. Friedrich Nietzsche mit seiner Vision des von aller moralischen Last befreiten dionysischen Menschen. Sigmund Freud mit seiner These vom Triebverzicht als Basis der modernen Kulturentwicklung, deren Preis Psychoneurosen sind. So lautete beispielsweise die Anklage des deutschen Erziehungswissenschaftlers Jürgen Oelkers. Christian Niemeyer erwähnt Konrad Paul Liessmann, der Friedrich Nietzsche als einen Denker wahrnahm, der die Struktur des modernen Denkens vorweggenommen habe und insofern an der Zeit sei. Konrad Paul Liessmann meinte sogar von einem Triumph Friedrich Nietzsches über den Geist der Aufklärung sprechen zu können. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Nietzsche ist von Schopenhauer begeistert

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt Friedrich Nietzsches Name überall in Europa zu erschallen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird er an Popularität mit Arthur Schopenhauer konkurrieren. Dieser zieht schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts die europäische Zivilisation und Konversation in seinen Bann. Ger Groot stellt fest: „Auch Friedrich Nietzsche steht stark unter dem Eindruck Arthur Schopenhauers. Genau zu der Zeit, in der er aufwächst, Mitte des 19. Jahrhunderts, ist Arthur Schopenhauer in aller Munde.“ Friedrich Nietzsche liest ihn als Gymnasiast und ist sofort hellauf begeistert. In mancher Hinsicht wird seine Weltsicht bis ans Ende seiner Schaffenszeit davon gezeichnet bleiben. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Die Philosophie macht die Religion entbehrlich

Friedrich Nietzsche kritisierte folgendes. Nämlich dass Philologie wie Universitätsphilosophie je für sich nur noch den Typus des Forschers kannten beziehungsweise hervorbrachten. In „Morgenröthe“ wird die Philosophie unter dem Titel einer durch sie leistbaren Verschönerung geführt. Die hässlichen, trockenen, trostlosen, schwierigen und langwierigen Wissenschaften sollen zum Leuchten gebracht werden. Christian Niemeyer fügt hinzu: „Dabei überwiegen allerdings die skeptischen Konnotationen, mit denen Nietzsche diese Verschönerungsprogrammatik versieht.“ Friedrich Nietzsche nämlich denkt dabei an das Modell der Rokoko-Gartenkunst, der die Philosophie in diesem ihrem Verschönerungsstreben nachgebe. Er denkt also an das Streben der Philosophie, „so viel Unbestimmtheit, Unvernunft und Träumerei“ in die Wissenschaften einzumischen, „dass man in ihr wie in der wilden Natur und doch ohne Mühsal und Langeweile wandeln könne.“ Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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