Lesen und Schreiben sind grundlegende Kulturtechniken

Bücher können zu Begleitern, zu Freuden, aber auch zu Feinden werden. Bücher, die man über die Jahre hin ansammelt, sind Ausdruck einer intellektuellen Biographie und der dazugehörigen Zeitgeister. An diesen Büchern lässt sich mehr ablesen als in so manch geschönter Kulturgeschichte. Konrad Paul Liessmann schreibt: „Solches Wissen, solche Erfahrungen, solche Erinnerungen wird keine digitale Bibliothek der Welt bieten können.“ Digitale Bibliotheken, auf welchem Speichermedium sie auch immer archiviert, bieten etwas anderes: den nahezu unbeschränkten raschen Zugriff auf die Welt der Texte. Konrad Paul Liessmann rät, diese Tatsache nicht gering zu schätzen, denn das sei durchaus verlockend, ja faszinierend! Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Vincent van Gogh möchte mit seinen Bildern Trost spenden

Das Malergenie Vincent van Gogh, das vor 125. Jahren starb, schrieb einmal an seinen vier Jahre jüngeren Bruder Theo folgendes: „Ich fühle, dass es nichts gibt, was wirklich künstlerischer wäre, als die Menschen zu lieben.“ Dieser Liebe traute Vincent van Gogh es zu, die Menschen von all ihren geistfernen Alltagsbanalitäten zu befreien, in denen er sie wie in ein Gefängnis eingeschlossen sah. In einem weiteren Brief an Theo heißt es: „Was das Gefängnis zum Verschwinden bringt, ist jede ernste tiefe Zuneigung! Freund sein, Bruder sein, lieben. Und wo diese Liebe neu geboren wird, wird das Leben neu geboren.“ Aus ganzer Seele sehnt sich Vincent van Gogh, dieser unermüdliche Sinnsucher des Lebens, sich nach einer solchen Neugeburt. Dazu verhilft ihm die Malerei, die ihm überhaupt dazu dient, die Aufgaben des Lebens zu bewältigen.

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Angst und Abwehr führen zur Ausgrenzung des Anderen

Das Titelthema des Philosophie Magazins 03/2015 beschäftigt sich mit den Anderen, deren Anwesenheit scheinbar nicht immer ein Segen ist. Denn allzu oft stören die Mitmenschen, nerven und machen einem im schlimmsten Fall das Leben zur reinen Hölle. Andererseits, wer wollte und könnte ernsthaft ohne andere Menschen leben – ohne deren Berührung, Mitgefühl und Inspiration? Besonders herausfordernd ist der Andere, wenn er aus einer fremden Kultur stammt. Was soll man mit einem solchen Menschen tun? Es gibt verschiedene Möglichkeiten: tolerieren, diskutieren oder drangsalieren oder ihn einfach zum Freund erklären. Fritz Breithaupt, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Indiana University, Bloomington, behauptet: „Wer den Anderen nur als konkretes Gegenüber denkt, verfehlt den sozialen Kern unserer Existenz. Denn in Wahrheit sind wir keine dialogischen, sondern triadische Wesen.“ Der Dritte in unser aller Bunde nimmt die friedensstiftende Rolle ein.

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Glücklichsein ist keiner freien Entscheidung unterworfen

Die Liebe, das Glücksverlangen und die Freude sind sehr eng ineinandergeschlungen. Könnte es dann nicht sein, dass alle Liebe, wenn auch noch so verborgene Selbstliebe ist? Unter Eros versteht Josef Pieper das Verlangen nach der vollen Existenz, nach Daseinserhöhung, nach Glück und Glückseligkeit. Josef Pieper fährt fort: „Es ist ein Verlangen, das gar nicht außer Kurs und außer Kraft zu setzen ist und das natürlicherweise sämtliche Regungen und auch alle bewussten Entscheidungen, vor allem aber unsere liebende Zuwendung zur Welt und zu anderen Menschen beherrscht und durchwirkt.“ Das heißt, der Mensch will die Glückseligkeit naturhaft und mit Notwendigkeit. Glücklich sein wollen ist nicht die Sache einer freien Entscheidung. Josef Pieper definiert die Glückseligkeit als den Inbegriff all der Dinge, die nicht zu wollen der Wille unvermögend ist. Josef Pieper, der von 1904 bis 1997 lebte, war ein deutscher christlicher Philosoph.

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Wilhelm Schmid philosophiert über die Naturliebe des Menschen

Was eigentlich die Natur ist, lässt sich heute weniger sagen denn je. Menschen, die selbst eine Art von Natur darstellen, wirken auf sich selbst sowie auf ihre Umwelt ein und verändern sie. Die veränderte Natur wirkt dann wieder auf die Menschen zurück. Wilhelm Schmid ergänzt: „Nur beim Vergleich eines gegenwärtigen Zustandes mit vormaligen Zuständen lassen sich Einwirkung und Rückwirkung messen, den eigentlichen Naturzustand zu bestimmen aber ist schwierig.“ Eine reine Natur ohne menschliche Einwirkung kann es auf der Erde längst nicht mehr geben. Denn jeder einzige Atemzug eines Menschen hinterlässt Spuren, erst recht der weltweite Einsatz der Technik. Dies lässt sich nicht ungeschehen machen, aber Wilhelm Schmid stellt sich die Frage, ob der Einsatz der Technik so vorsichtig und zurückhaltend gestaltet werden kann, dass sie in ihren Auswirkungen auf die Natur und den Menschen verträglich ausfällt. Wilhelm Schmid lebt als freier Autor in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt.

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Das Verhältnis zwischen Gesetz und Moral ist sehr kompliziert

Obwohl die meisten Menschen erwarten, dass es zwischen Moral und Gesetz eine Beziehung gibt, ist es für Julian Baggini keine einfache Sache, die beiden Dinge so nahe wie möglich zusammenzubringen. Vieles, was Menschen als falsch erachten, ist nicht gesetzwidrig, und vieles, was gesetzwidrig ist, ist in sich nicht falsch. Und die meisten möchten, dass dies so bleibt. Der Philosoph Julian Baggini ist 1968 in Dover, Kent geboren. Er ist Mitbegründer und Herausgeber des „Philosopher´s Magazine“. Er schreibt regelmäßig für große Zeitungen und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Eines seiner Bücher trägt den Titel „Der Sinn des Lebens“ und ist 2005 im Piper Verlag erschienen. Sein neuestes Werk trägt den Titel „Ethik“ und ist im Verlag Springer Spektrum veröffentlicht worden.

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Die Liebe ist die Sehnsucht nach dem erregenden Unterschied

In einem ersten Schritt denkt der Philosoph Josef Pieper darüber nach, was der Begriff „Liebe“ überhaupt bedeutet. Als Zentralgebot des Christentums schließt die Liebe ja auch das Verhalten zum Nächsten mit ein, der als Bild Christi wahrgenommen werden soll. Dabei muss der vielgefächert Charakter der Liebe nicht aus dem Auge gelassen werden. Joseph Pieper beschreibt in seinem Buch „Über die Liebe“ nicht nur das Erotisch-Sexuelle, sondern auch das Bedürfen und Begehren sowie die Liebe zum Kind, zum Freund, zum Schönen, zu Gott und dem eigenen Selbst. Dabei unterscheidet er sehr klar den eros, das Begehren und Habenwollen von der agape, dem Uneigennützigen, Bewundern und Seinlassen. Als dritte Spielform der Liebe nennt Josef Pieper die philia, die Freundschaft in der Spannung auf ein drittes, gemeinsames Geliebtes. Im Lateinischen heißen diese Begriffe amor, caritas und amicitia.

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Aufgedeckte Lebenslügen stellen den Sinn des Lebens in Frage

Lebenslügen müssen sich nicht dadurch auszeichnen, dass man andere belügt. Viele Menschen machen sich auch selbst etwas vor. Was dann gefälscht wird, ist nicht die soziale Identität, sondern das Selbstbild. Man sieht und beurteilt sich so, wie man nicht ist. Peter Bieri nennt einfache, harmlose Irrtümer: „Es stellt sich heraus, dass man in einer Sache weniger Einfluss hat als angenommen; dass die Leistung weniger groß oder eine Verfehlung weniger schwerwiegend war als angenommen; dass einen der Tod eines Bekannten weniger berührt als vermutet.“ Harmlose Irrtümer im Selbstbild sind solche, die auch wenn sie aufgedeckt werden, die seelische Identität eines Menschen nicht ins Wanken bringen. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Thomas Bernhard ist zum Nationaldichter aufgestiegen

Der weltberühmte österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard musste in seinem Leben viele Beschimpfungen über sich ergehen lassen: Vaterlandsverräter, Nestbeschmutzer, Skandalautor. Ein war ein Literat, der wie kein anderer gehasst und angefeindet wurde. Heute dagegen, ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod, ist Thomas Bernhard der wortgewaltige Nationaldichter, ein Stück Theater- und Literaturgeschichte, ein Genie. Regisseur Hans Neuenfels sagt über ihn: „Wahrscheinlich ist es bei Nestroy nicht anders gewesen.“ Seinen ersten Gedichtband veröffentlichte Thomas Bernhard im Alter von 26 Jahren und seinen ersten Roman mit 34. Für Skandal sorgte der Schriftsteller schon, als er noch relativ unbekannt wer. Als ihm Unterrichtsminister Piffl-Percevic 1968 den Kleinen Österreichischen Staatspreis überreichte, erklärte Thomas Bernhard in seiner Dankesrede die Österreicher zu Geschöpften der Agonie und das österreichische Volk zur Infamie und Geistesschwäche verurteilt.

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Das Verhältnis des Menschen zum Tier ist höchst differenziert

Konrad Paul Liessmann macht darauf aufmerksam, was das Tier für den Menschen schon alles gewesen ist: „Spiegelbild und Gegenbild, Figur der Sehnsucht und des Grauens, Ausdruck von Angst und Herrschsucht, Beute und Bestie, und immer wieder: Natur, Natur, Natur – in all ihrer Wildheit und Schönheit und im Wissen, dass diese Natur das Andere des Menschen und doch er selbst sein kann.“ Die Verbindung von Mensch und Tier hat eine lange, wechselvolle und ist zugleich eine Geschichte der Widersprüche. Dabei ist manchmal alles andere als klar gewesen, ob die Menschen Tiere sind oder Tieren auch Menschliches zugeschrieben werden könnte. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie der Universität Wien. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Die Theorie der Unbildung“ und „Das Universum der Dinge.“

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Bei einer Demütigung muss es einen Täter und ein Opfer geben

Menschen wollen nicht nur benutzt werden. Sie weigern sich, bloßes Mittel zu einem Zweck zu sein, den andere bestimmen. Ein Mensch möchte als Zweck an sich beziehungsweise als Selbstzweck betrachtet und behandelt werden. Wird man nicht so behandelt, ist das laut Peter Bieri nicht nur unangenehm. Im Extremfall fühlt sich eine Person missachtet oder sogar vernichtet. Peter Bieri fügt hinzu: „Wenn man uns als Subjekt missachtet oder als bloßes Mittel missbraucht, fühlen wir uns gedemütigt. Demütigung ist die Erfahrung, dass uns jemand die Würde nimmt.“ Der Kern dieser Erfahrung ist Ohnmacht, das heißt fehlende Macht. Peter Bieri studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Geschenke sollen das Wohlbefinden des Empfängers maximieren

Es ist ein Ausdruck von Freundschaft, wenn man dem Freund oder der Freundin ein Geschenk macht, wobei die Gaben unvermeidlich einen materiellen Aspekt haben. Bei manchen ist der Geldwert relativ unbedeutend, bei anderen kann er sehr hoch sein. In den letzten Jahrzehnten hat sich laut Michael J. Sandel ein Trend zu Geldgeschenken verstärkt. Seiner Meinung nach einem weiteren Beispiel für die zunehmende Umwandlung des gesellschaftlichen Lebens in Geschäftsbeziehungen. Ökonomen fällt es schwer, in Geschenken einen Sinn zu erkennen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es fast immer besser, statt eines Sachgeschenks Bargeld zu verschenken. Ein Geldgeschenk bringt ökonomisch den größten Nutzen. Michael J. Sandel ist politischer Philosoph, der in Oxford studiert hat und seit 1980 in Harvard lehrt. Seine Vorlesungen über Gerechtigkeit machten ihn zu einem der bekanntesten Moralphilosophen der Gegenwart.

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Ray Robertson nennt 15 Gründe am Leben zu bleiben

Den Tod kann man nicht vergessen und auch nicht wegdiskutieren. Ray Robertson rät in seinem Buch „Warum nicht? 15 Gründe doch am Leben zu bleiben, dass man den Tod einfach akzeptieren und dahin gehend nutzen sollte, die menschliche Glückseligkeit zu Lebzeiten zu erhöhen. Wenn man sich schmerzliche Wahrheiten eingesteht, sei es über den eigenen oder den Zustand der Welt, dann ist das laut Ray Robertson nur der erste Schritt beim Aufbau eines glücklichen Lebens, das diesen Namen wirklich verdient. In seinem neuen Buch beschreibt Roy Robertson in fünfzehn Essay die Dinge, die für ihn den Sinn des Lebens ausmachen. Dazu zählt er unter anderem wie nicht anders zu erwarten die Liebe, aber auch unerwartete wie die Einsamkeit und den Rausch. Ray Robertson, geboren 1966 in Ontario, zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Romanciers Kanadas. Er lebt in Toronto.

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Facebook und andere soziale Netzwerke erhalten Freundschaften

Noch vor rund einem Jahrzehnt gaben in der Wissenschaft warnende Stimmen den Ton an, die ganz im Sinne des Harvard-Politologen Robert Putnam vermuteten, neue Medien und Technologien würden zur Vereinzelung und nachlassendem Engagement für gesellschaftliche Belange führen. Der britische Philosoph Roger Scruton glaubte damals, dass sich etwas im Menschen verändere, wenn er Beziehungen nur noch über den Bildschirm aufrecht erhalte. Er schrieb im Magazin „The New Atlantik“: „Wenn man Freunde wie ein YouTube-Video anklickt, erfasst man all die feinen verbalen und körperlichen Signale eines Menschen nicht mehr. Das Gesicht des anderen ist ein Spiegel, in dem man sich selber sieht.“ Roger Scruton ging von der Annahme aus, dass in sozialen Netzwerken virtuelle Freunde die realen Freunde einfach ersetzen würden. Das ist aber laut heutigem Stand der Wissenschaft so nicht der Fall.

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Die Kooperation ist die Triebfeder der Evolution

Der österreichische Biomathematiker Martin Nowak von der Harvard University hat zusammen mit dem Wissenschaftsjournalisten Roger Highfield in dem Buch „Supercooperators“ dargelegt, dass Zusammenarbeit in der Natur allgegenwärtig ist, nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Tieren, den Pflanzen, den Mikroben und sogar bei den Urmolekülen des Lebens. Martin Nowak schreibt: „Kooperation ist die Triebfeder der Evolution – ohne sie wäre die Erde nie über eine Ursuppe voller RNA-Moleküle hinausgekommen.“ Diese Botschaft ist schon seit langem in der Philosophie, der Religion und der Dichtkunst bekannt. Sie heißt: sei edel, hilfreich und gut.

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Freundschaft fördert den Glauben an die Menschheit

In einer Freundschaft finden sich gemäß Siegfried Kracauer immer nur Menschen von ähnlicher typischer Veranlagung zusammen. Er schreibt: „Indem sie sich gegenseitig aufnehmen, verdoppeln sie sch in allem, worin sie gleich sind.“ Ein Ich wird durch das andere gestärkt, und weil es seine Eigenheiten und Schwächen und manches Heimliches bei seinem Freund in liebender Obhut weiß, kann es auf dem ihm vorgegebenen Weg vertrauensvoll weitergehen. Nur der Einsame schwankt unsicher wie ein Fähnchen im Wind oder erschöpft sich im Kampf um seine Selbstbehauptung. Der Widerhall eines Freundes dagegen stärkt das Selbstwertgefühl. Der Schriftsteller Siegfried Kracauer ist davon überzeugt, dass Freundschaft menschengläubig macht wie alle wahrhafte Liebe.

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