Die Gewaltenteilung führt zur Demokratie

Menschen bleiben, auch und gerade in hohen Machtpositionen, endliche Wesen, denen die Allmacht zu Kopfe steigen und sie selbst und andere zerstören kann. Auch gibt es in der Moderne keine bruchlose Homogenität mehr zwischen Individuum und Staat. Diese gab es, genau besehen, auch nicht in der antiken Demokratie. Silvio Vietta erklärt: „Mithin braucht die Staatstheorie eine Theorie der Gewaltenteilung.“ Diese stellt sicher, dass Menschen, die Menschen kontrollieren, auch von Menschen gewählt wie abgewählt werden können. Und das ist dann die wahre Geburtsstunde der modernen Demokratie. Bereits John Lockes „Zweite Abhandlung über die Regierung“ arbeitet eine rudimentäre Gewaltenteilung aus. Er bereitet damit die liberal-demokratische Staatsform vor. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Die Grundrechte stehen an erster Stelle

Zwei Jahre, in denen eine essenzielle Krise auf die nächste folgte, habe das gesellschaftliche und politische Leben in Deutschland substanziell verformt. Dabei ist es zu einer schier unglaublichen Machtkonzentration der Exekutive gekommen. Ulrike Guérot fordert in ihrem neuen Buch „Wer schweigt, stimmt zu“, dass der Wert von Grundrechten dringend neu im Bewusstsein der Deutschen verankert werden muss. Die Gesellschaft darf niemanden von der Teilhabe am Diskurs ausgrenzen, den mit Ausgrenzung beginnt laut Ulrike Guérot die Erosion der Demokratie. Gewinner sind ihrer Meinung nach vor allem Tech-Giganten wie Facebook, Twitter sowie YouTube und Finanzgiganten, die schlussendlich digitale Überwachungssystem installieren. Sie haben den Körper als letzte Ware im Visier und Heilsversprechen im Gepäck. Seit Herbst 2021 ist Ulrike Guérot Professorin für Europapolitik der Rheinischen-Friedrichs-Wilhelms Universität Bonn.

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Die Grundrechte sind in Deutschland unverletzlich

Generell gilt mit Blick auf die Bundesrepublik unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers das Gegenteil von Restauration. Das Grundgesetz war die politische und juristische Antithese zur Weimarer Verfassung. Josef Joffe stellt fest: „Grundsätzlich gilt, dass auf dem Boden der Adenauer-Republik die erste solide verankerte liberale Demokratie mit klar begrenzter Staatsmacht entstand.“ Grundrechte durften überhaupt nicht angetastet werden; Änderungen der Verfassung, die in Weimar von Präsident oder Parlament verfügt werden konnten, erfordern eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Das Naziregime hatte die Gewaltenteilung eingestampft, das Grundgesetz hat sie in Beton gegossen. Dito den Rechtsstaat, ein kompliziertes Gebilde der deutschen und europäischen Jurisprudenz, das endlose philosophische Debatten erzeugt hat, das heißt machtbegrenzten Staat. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

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Die Mächtigen begreifen sich als Teil der Geschichte

Vier Geschichtsbilder betrachtet Christopher Clark in seinem Buch „Von Zeit und Macht“: das des Großen Kurfürsten von Brandenburg, Friedrichs II. von Preußen, Bismarcks und der Nationalsozialisten. Der Autor zeigt, was geschieht, wenn zeitliches Bewusstsein durch die Linse der Macht betrachtet wird. Es befasst sich mit den Formen der Geschichtlichkeit, welche die Machthaber sich aneigneten und ihrerseits artikulierten. Denn wer Macht hat, verortet sich in der Zeit. Er begreift sich als Teil der Geschichte und schafft damit das Geschichtsbild seiner Epoche. Christopher Clark benutzt den Begriff der „Historizität“, um eine Reihe von Annahmen zum Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft untereinander zu bezeichnen. Das Ziel seiner Studie ist es, die Geschichtlichkeit von einer kleinen Auswahl an Regimen auszuloten. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine`s College in Cambridge.

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Der Einfluss der Interessen auf die Gesetzgebung ist sehr groß

Der idealisierten Auffassung, unabhängige Abgeordnete beschlössen frei und in vollem Wissen der Auswirkungen ihres Tuns Gesetze, kann die Praxis aus verschiedenen Gründen nicht immer gerecht werden. Häufig fehlt den Abgeordneten einfach die Zeit für ein umfassendes Studium der Gesetzesvorlagen. Daniel Zimmer nennt Zahlen: „In einer vierjährigen Legislaturperiode gehen den Abgeordneten mehr als 12.000 sogenannte Bundestag-Drucksachen zu, die Gesetzentwürfe mit Begründungen, Anträge von Fraktionen oder der Bundesregierung und weitere mehr oder weniger wichtige Dokumente enthalten.“ Der Umfang dieser Drucksachen reicht von einer Seite bis zu mehr als 3.000 Seiten eines Haushaltsplans. Wer dies in Rechnung stellt, wird schnell erkennen, dass eine sachliche Auseinandersetzung des Parlaments mit sämtlichen Gesetzesvorlagen ausgeschlossen ist. Professor Dr. Daniel Zimmer ist Vorsitzender der Monopolkommission und Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics der Universität Bonn.

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Die Reichsgründung 1871 ist die Geburt einer verspäteten Nation

Mit der Reichsgründung von 1871 holten die Deutschen nach, was in Westeuropa sich schon einige Zeit früher und unter anderen Bedingungen vollzogen hatte: die Verwirklichung eines Nationalstaates. Das Deutsche Reich von 1871 war, im Sinne der demokratischen Idee der nationalen Selbstbestimmung der europäischen Völker, kein reiner Nationalstaat. Er war auch kein ausgeprägter Verfassungsstaat im Sinne der konstitutionellen Selbstbestimmung. Aber zur Zeit seiner Entstehung war das Deutsche Reich außenpolitisch die naheliegende und realistische Form, die sogenannte deutsche Frage zu lösen. Nur die kleindeutsche Lösung war mit den Interessen der übrigen Staaten in Europa eben noch zu vereinbaren. Die Alternative eines alle Deutschen umfassenden demokratisch-republikanischen Einheitsstaates oder einer großdeutschen Föderation war zur damaligen Zeit nicht zu verwirklichen. Nur das Bündnis der geschwächten Nationalbewegung mit der nationalen Führungsmacht Preußen, versprach noch die Realisierung der nationalen Einheit.

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Ernst Fraenkel prüft das Verhältnis von Parlament und Bürokratie

Ernst Fraenkel kritisiert, dass in Deutschland die Tradition der großartigen Parlamentsdebatten fehlt, in denen in offener Feldschlacht um Sieg oder Niederlage einer Regierung gefochten wurde. Ebenso wenig gibt es seiner Meinung nach hierzulande die Flexibilität der parlamentarischen Taktik auf sich selbst gestellter Abgeordneter. Auch nicht vorhanden ist ein parlamentarischer Stil, der aus dem esprit de corp von Angehörigen der verschiedenen Parlamentsgruppierungen erwächst, die sich mit Augenzwinkern und Augurenlächeln zusichern, dass sie Bescheid wissen und den Comment parlamentarischer Solidarität nicht verletzen werden. Ernst Fraenkel schreibt: „Der deutsche Parlamentsstil ist von Ehrenmännern entwickelt worden, deren auf Prinzipientreue basierendem Ernst der Gedanke eines politisches Spiels als frivol erschienen wäre.“ Dazu kommt, dass seit den Tagen des Frühparlamentarismus in Deutschland, eine beispiellos hoch entwickelte Bürokratie dem Parlament, seinen Mitgliedern und Parteien, den Weg zur Exekutive versperrt hatte.

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Die Überforderung der Europäischen Union ist nicht zu übersehen

Die Finanz- und Staatsschuldenkrise, die der Europäischen Union (EU) noch immer sehr zusetzt, ist für Hans Hugo Klein nur ein Symptom der eigentlichen Krise Europas. Diese ist seiner Meinung nach eine Krise des Vertrauens in die Autorität des Rechts, eine Krise der Demokratie, letztlich eine Sinnkrise. Laut dem Juristen und Politiker Walter Hallstein ist die EU in ihrem Wesen nach eine Rechtsgemeinschaft. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck erklärt: „Sie wird getragen von der Idee, dass Regeln eingehalten und Regelbrüche geahndet werden.“ Die mangelnde Treue bei Verträgen trifft die EU damit fundamental in ihren Grundsätzen. So wurde zum Beispiel bei der Aufnahme einiger Staaten wie Belgien, Italien und Griechenland in die Eurozone die Kriterien dieses Prozedere nicht beachtet, der verantwortungslosen Haushaltspolitik nicht weniger Staaten wurde tatenlos zugeschaut. Professor Dr. Hans Hugo Klein lehrte Öffentliches Recht in Göttingen, war CDU-Bundesabgeordneter und Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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Die Verfassung der Weimarer Republik hatte große Schwächen

Der Jurist und Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel vertritt die These, dass die fundamental wichtigen Entscheidungen schon gefallen waren, als die Nationalversammlung im Januar 1919 in Weimar zusammentrat. Denn es stand fest, dass Deutschland in Zukunft weder eine Monarchie noch eine Rätediktatur, sondern eine rechtsstaatliche Republik sein werde. Ernst Fraenkel fügt hinzu: „Unentschieden war hingegen, ob in der künftigen Verfassung das Schwergewicht auf der repräsentativen oder der plebiszitären Komponente des Regierungssystems liegen werde.“ Die „Denkschrift zum Entwurf des Allgemeinen Teils der Reichsverfassung“ vom 3. Januar 1919, die der Jurist und Politiker Hugo Preuß verfasst hatte, enthielt eine klare Option für das parlamentarische und gegen das präsidentielle Regierungssystem. Die Ablehnung der amerikanischen Verfassung wurde unter anderem damit begründet, dass das in den USA herrschende dualistische System zu einer geistigen Verarmung und politischen Verödung des Kongresses geführt habe.

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Der Souverän sollte über die Euro-Politik abstimmen

Der Journalist und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros in Berlin, erläutert in einem Essay in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“, warum eine Volksabstimmung über die Euro-Politik notwendig ist. Zu Beginn seines Artikels stellt der Autor fest, dass die bundesdeutsche Demokratie noch nie in einem so schlechten Zustand war wie heute. Er fordert die Menschen dazu auf, nicht zuzulassen, dass die Demokratie und Europa gleichzeitig verkommen. Dirk Kurbjuweit nennt den Grund: „Demokratie und europäische Integration sind die Grundlagen unseres Staates.“ Der Autor stellt außerdem fest, dass die Rettungspolitik für den Euro das Machtgefüge des Staates verändert hat. Als Sieger ist die Exekutive hervorgegangen, also die Regierung. Im Zirkel der Staats- und Regierungschefs fallen die großen Entscheidungen, die meist in bilateralen Gesprächen vorbereitet werden.

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Die Bürger müssen über die Fiskalunion abstimmen

Der Vertrag zur Fiskalunion der Europäischen Union verändert das Staatengebilde grundlegend. Deshalb fordert Andreas Fisahn, Professor für öffentliches Recht und Rechtstheorie in Bielefeld, eine Volksabstimmung über den Fiskalvertrag. In dem Vertrag über die so genannte Fiskalunion verpflichten sich die Regierungschefs der Europäischen Union zu einer gemeinsamen Steuer- und Ausgabenpolitik. Das hat für die Europäische Union weit reichende Folgen und führt zu tief greifenden Veränderungen. Andreas Fisahn schreibt: „Der Vertrag exportiert die deutsche Schuldenbremse nach Europa. Gleichzeitig wird die Kommission zum Sparkommissar, der in die Haushalte der Mitgliedsstaaten eingreifen darf. Damit würde sich das deutsche Parlament entmachten. Diese Kompetenzerweiterung der EU erfordert aber zwingend eine Volksabstimmung.“

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