Manche Menschen sprechen mit Pflanzen

Für Menschen, die mit Pflanzen sprechen, wie Prinz Charles es angeblich tut, muss man eine besondere Schwäche haben. Man muss anerkennen, dass Gespräche mit Pflanzen nicht nur die Anerkennung wertvoller Formen nichtmenschlichen Lebens bedeuten. Sondern man muss auch den Respekt für die Idee würdigen, dass gute Pflege, ob tatsächlich oder poetisch in Form freundlicher Worte, für das Leben nichtmenschlicher Lebewesen etwas bedeutet. Das ist ein wahrhaft liebenswürdiger Gedanke. Antonio Damasio hat keine Ahnung, ob Prinz Charles wirklich etwas über Botanik im Besonderen oder über Biologie im Allgemeinen weiß. Aber es gibt für ihn viele Gründe, Pflanzen zu respektieren und zu lieben. Antonio Damasio ist Dornsife Professor für Neurologie, Psychologie und Philosophie und Direktor des Brain and Creativity Institute an der University of Southern California.

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Das erste Leben entsteht tief im Ozean

Am Anfang war das Nichts. Kein Leben. Vor rund 4,5 Milliarden Jahren tobten ununterbrochen Feuerstürme und den Globus. Vulkane speien Asche und Lava in die Luft, alles kocht und brodelt und brennt. Würde man die Lebensgeschichte der Erde in einem Tag erzählen, von Mitternacht bis Mitternacht, ginge das bis vier Uhr morgens. Dirk Steffens und Fritz Habekuss stellen fest: „Dann entsteht das erste Leben, die tief im Ozean an Schloten leben, aus denen heißes Wasser schießt, in dem einfache Moleküle herumtreiben.“ Dann passiert nichts mehr. Sehr lange nicht. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Ein Zyklus steuert den Aufstieg und Fall von Weltreichen

Die Menschheit erlebt derzeit eine archetypische gewaltige Veränderung des relativen Wohlstands- und Machtgefüges sowie der gesamten Weltordnung. Dies wird sich auf allen Ländern grundlegend auswirken. Es gibt einen archetypischen großen Zyklus, der den Aufstieg und Fall von Weltreichen steuert. Die wichtigsten Zyklen der langfristige Kredit- und Kapitalmarktzyklus sowie der innen- und der außenpolitische Zyklus von Ordnung und Chaos. Ray Dalio erläutert: „Diese Zyklen lösen Pendelbewegungen zwischen den beiden Extremen aus – zwischen Frieden und Krieg, Hochkonjunktur und Rezession, der Machtergreifung der Linken und der Rechten, der Entstehung und Auflösung von Weltreichen und mehr.“ Diese Pendelbewegungen treten in der Regel auf, weil die Menschen bis zum Äußersten gehen und die Situation aus dem Gleichgewicht bringen. Ray Dalio ist Gründer von Bridgewater Associates, dem weltgrößten Hedgefonds. Er gehört mit zu den einflussreichsten Menschen der Welt.

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Die Kultur bringt die Emanzipation hervor

Es ist, alles in allem, die Kultur, die dem Menschen die Chancen eröffnet, sich durch eigene Anstrengung von vorgegebenen Konditionen zu emanzipieren. Volker Gerhardt erklärt: „In der Regel ermöglicht man das auf diese Weise Erreichte durch Konventionen, durch sprachliche Variation oder durch das Recht, auf alternative Weise zu leben.“ Die unzähligen neuen Techniken, die der Mensch im Lauf seiner viertausendjährigen Entwicklung auf den Weg gebracht hat, sind auch Gegenstand seiner institutionellen Einordnung geworden. Im Gang der kulturellen Entwicklung ist es dabei immer wieder zu mehr oder weniger tiefgreifenden Einteilung der Menschen nach Ständen, Kasten oder Klassen gekommen. Dominierende Eroberer, Gottkönige und ihre Adlaten haben Menschen unterworfen, ausgebeutet und nicht selten wie bloße Waren behandelt. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Die Psyche und das Gehirn sind eng verbunden

Wenn man über die Psyche spricht, spricht man auch über das Gehirn. Genauer: über das gesamte Nervensystem. Franca Cerutti weiß: „Die Trennung zwischen Psyche und Körper und die Vorstellung, als sei die Psyche etwas, was den Körper „bewohnt“, ist schlicht und einfach falsch. Wir haben keinen Körper, wir sind ein Körper.“ Menschen sind Chemie und Strom, sie sind Botenstoffe und Hormone. Gleichzeitig sind sie, wie Aristoteles schon sagte, als Ganzes mehr als die Summe ihrer Teile. Menschen sind die Magie, die sich aus dem gesamten komplexen, verzahnten Geschehen ergibt. Und wie könnte dieses ganze System stets und ständig bei jedem „normal“ laufen? Das menschliche Gehirn ist wohl das komplizierteste Organ, das sich im Laufe der Evolution entwickelt hat. Franca Cerutti ist Psychotherapeutin mit eigener Praxis und Podcasterin.

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Das Gehirn besitzt 86 Milliarden Nervenzellen

Es mag naheliegen, die Vergrößerung seines Gehirns mit er Lebensweise des Menschen und seinen besonderen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu verknüpfen. Und so ist auch vielfach ein Zusammenhang insbesondere mit der Ernährung, mit der Handfertigkeit, mit Werkzeuggebrauch, Sprache, Kultur und Kunst vermutet worden. Matthias Glaubrecht betont: „Und doch ist bislang nicht überzeugend geklärt, was wirklich das Gehirn zu einem solch besonderen Organ beim Menschen gemacht hat.“ Zugleich gehört es zweifelsohne zu den erstaunlichsten Paradoxien in der Natur, dass ausgerechnet Menschen als an sich anderweitig unspezialisierte Generalisten ein sehr spezielles Organ spazieren tragen. Da es in energetischer Hinsicht alles andere als verbrauchsneutral kam, muss das menschliche Gehirn einen hohen Auslesewert gehabt haben. Immerhin dienen in ihm heute 86 Milliarden Nervenzellen der Weiterleitung und Verarbeitung von Reizen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Die Entstehung des Lebens ist immer noch ungeklärt

Die Geschichte des Lebens war keine gleichmäßige Entwicklung. Sondern sie war charakterisiert durch lange Phasen, oft über Hunderte von Millionen Jahren, in denen wenig Neues geschah. Plötzlich entstanden dann durch „Sprünge“ in verhältnismäßig kurzer Zeit vollkommen neue Organisationsformen. Der Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould und der Paläontologe Niles Eldredge sprachen angesichts dieser stark schwankenden Geschwindigkeiten auch von einem „punktierten Gleichgewicht“. Fabian Scheidler weiß: „Evolutionäre Sprünge zeichnen sich oft dadurch aus, dass zuvor getrennte Elemente zu neuen integrierten Einheiten verbunden werden, die vollkommen neue Eigenschaften aufweisen.“ Diese neuen Eigenschaften lassen sich nicht aus dem Verhalten der einzelnen Teile ableiten oder auf sie reduzieren. Sie tauchen erst auf der höheren Integrationsebene auf. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

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Nervensysteme schufen Bewusstsein und Geist

Nervensysteme erschienen in der Geschichte des Lebendigen erst spät auf der Bühne. Antonio Damasio erklärt: „Sie waren nichts Primäres, sondern tauchten auf, um dem Leben zu dienen, um Leben auch dann noch möglich zu machen, als die Komplexität der Lebewesen ein hohes Maß an Funktionskoordination erforderte.“ Und ja, Nervensysteme trugen dazu bei, bemerkenswerte Phänomene und Funktionen zu erzeugen, die es vor ihrer Entstehung nicht gab. Dabei handelt es sich um Dinge wie Gefühle, Geist, Bewusstsein, explizites Überlegen, eine verbale Sprache und Mathematik. Die neuronalen Neuerungen bewirkten, dass sich die Regulation der Homöostase optimierte und das Leben mit größerer Sicherheit aufrechterhalten werden konnte. Antonio Damasio ist Dornsife Professor für Neurologie, Psychologie und Philosophie und Direktor des Brain and Creativity Institute an der University of Southern California.

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Die Evolution des Menschen beginnt vor rund fünf Millionen Jahren

Die Evolutionsgeschichte der ersten „Hominini“ ist die Geschichte der frühesten protomenschlichen Vorläufer nach der Abspaltung von dem Vorfahren, den die Menschen der Gegenwart mit den anderen heute noch lebenden Menschenaffen teilen. Hanno Sauer erläutert: „Diese kritische erste Phase unserer Evolution lässt sich ungefähr auf die Zeit vor fünf Millionen Jahren eingrenzen.“ Die erhaltenen Fossilien finden sich hauptsächlich im östlichen Afrika, Äthiopien, Kenia und Tansania. Die zweite Hauptkonfrontation von Fossilienfunden liegt in Südafrika. Heute sind die versteinerten Überbleibsel in paläoanthropologischen Forschungsinstituten auf der ganzen Welt zerstreut. Die Geschichte der Menschwerdung, die diese Funde erzählen, ist vorläufig. Sie bleibt in der „Geiselhaft empirischer Daten“ und droht jederzeit durch neue Entdeckungen revidiert, korrigiert oder überholt zu werden. Hanno Sauer ist Associate Professor of Philosophy und lehrt Ethik an der Universität Utrecht in den Niederlanden.

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Die Aufklärung hat seit jeher Feinde

Der mit der Aufklärung verbundene Fortschritt hatte seit jeher Feinde. Dazu gehören heue auch religiöse Konservative. Ihnen missfallen Ideen wie die Evolution und einigen sind die Toleranz und der Liberalismus ein Dorn im Auge. Hinzu kommen Menschen, deren wirtschaftliche Interessen im Widerspruch zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. Joseph Stiglitz nennt als Beispiel die Eigentümer von Bergbauunternehmen und ihre Arbeiter. Da sie in erheblichem Umfang zur globalen Erwärmung und zum Klimawandel beitragen, müssen sie damit rechnen, dass man ihren Betrieb schließt. Um die politische Macht zu erlangen, bedurfte es der Unterstützung der Wirtschaft insgesamt, die als Gegenleistung Deregulierung und Steuersenkungen verlangte. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Das Leben ist ohne Energie nicht möglich

Der Fortschritt der Menschheit brachte neben Problemen, die mit dem Erfolg der Menschheit einhergingen, auch andere Probleme mit sich. Eines davon war, dass die Prozesse des Lebens auch in der menschlichen Gesellschaft gültig blieben. Ille C. Gebeshuber weiß, dass sich das Leben in einer günstigen Umgebung formte, welche die Bildung von Strukturen zuließ. Im Prinzip schuf das Leben Ordnung und bezog aus dieser Ordnung einen Mehrwert in Form von Energie. Ille C. Gebeshuber fügt hinzu: „Diese Energie wurde für den Selbsterhalt und die Fortpflanzung genutzt. Im Wettbewerb der Organismen miteinander gewannen in der Regel jene, deren Prozesse leistungsfähiger waren als die der anderen.“ So ist es auch in der Wirtschaft, nur konkurrieren hier keine Organismen, sondern Unternehmen. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Die Kultur ist eine Form der Natur

Die Geschichte, die Gesellschaft und die Kultur des Menschen steuert wesentliche Einsichten in das bei, was man die Natur des Menschen nennt. Man braucht nur die Evolution des Menschen ins Auge zu fassen, um zu sehen, dass er selbst nur als integraler Teil der Natur zu verstehen ist. Volker Gerhard erläutert: „So setzt die Geschichte der Menschheit die Naturgeschichte des sich entfaltenden Lebens ein einer durchaus spezifischen Weise fort. Mit Blick auf die vergleichsweise rasche Entwicklung des homo faber und des homo sapiens kann man von einer bemerkenswerten Beschleunigung eines Evolutionsvorgangs sprechen.“ Selbst wenn er in biologischer Hinsicht mit Effekten der Verlangsamung verbunden ist. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Das Denken kommt vor der Handlung

Das menschliche Gehirn verfügt gleichsam über ein Modell des Raumes. Matthias Glaubrecht erklärt: „So können wir uns beispielsweise in Gedanken vorstellen zu hantieren, ohne dies bereits handgreiflich zu tun. Wir können Handlungen vollziehen, ohne sie wirklich schon auszuführen.“ Die Vorfahren der heutigen Menschen konnten irgendwann dank ihres sich entwickelnden Gehirns denken, ehe sie handelten. Diese Fähigkeit, bereits vorstellungsmäßig verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchzuprobieren, ist leicht nachvollziehbar. Zudem ist sie von erheblichem biologischem Wert. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz betonte, dass man so bereits im Vorfeld etwas zu den Folgen verschiedener Handlungsweisen erfährt, ohne etwaige Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. Dieses sogenannte Hantieren im Vorstellungsraum ist eine ursprüngliche Form des Denkens. Draußen sind Objekte, drinnen sind Gedanken und Träume, Fiktionen und Halluzinationen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Effiziente Lösungen hängen von Interessen ab

Um es zu verstehen, muss man sich den Begriff eines Problems zunächst einmal genauer anschauen. Markus Gabriel definiert: „Ein Problem ist eine Aufgabe, die ein Akteur lösen will, um ein bestimmtes Ziel, also die Lösung, zu erreichen.“ Für jedes Problem gibt es verschiedene Lösungsstrategien, die man nach ihrer Effizienz ordnen kann. Doch schon da beginnt das Problem mit den Problemen. Denn was als effizient gilt, hängt von den Interessen ab. Der schnellste Weg, eine Lösung zu erreichen, ist nicht unbedingt intelligent, sondern nur, wenn Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Es gibt also kein absolutes Effizienzkriterium. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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James Suzman kennt die Geschichte des Lebens

Die lange Geschichte des Lebens auf der Erde beruht nach heutiger Auffassung auf der Fähigkeit des Lebens, Energie aus fortschreitend neuen Quellen zu gewinnen. James Suzman erläutert: „Zuerst aus der Wärme des Erdmantels, dann aus dem Sonnenlicht, dann aus Sauerstoff und schließlich auch aus dem Fleisch anderer Lebewesen.“ Parallel dazu entwickelten sich zunehmend komplexere, energiehungrigere und mehr Arbeit im physikalischen Sinn leistende Lebensformen. Die ersten Lebewesen auf dem Planeten Erde waren mit großer Sicherheit einfache einzellige Organismen. Diese besaßen, wie die Bakterien, weder einen Zellkern noch Mitochondrien. Sie „ernährten“ sich wahrscheinlich von der durch biochemische Reaktionen zwischen Wasser und Gestein freigesetzten Energie. Dabei lernten sie diese Energie auf ein hochspezialisiertes Molekül zu übertragen. James Suzman ist Direktor des anthropologischen Thinktanks Anthropos und Fellow am Robinson Collage der Cambridge University.

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Die Aufklärer sahen den Mensch als Teil der Natur

Der englische Philosoph Jeremy Bentham konnte die Welt und den Menschen nur noch rationalistisch und zweckorientiert begreifen. Für Philipp Blom war der verbohrte Aufklärer dadurch grandios unmenschlich. Die Romantik rebellierte gegen solche Vorstellungen. Sie wollte die Natur nicht nur als Materialsammlung für Wertsteigerung und Profit begreifen. Sie sprach ihr eine eigene raunende Stimme zu. Philipp Blom stellt fest: „Dieser Kontrast zwischen taghellem Rationalismus und dämmriger Romantik ist zweifellos übertrieben. Auch und gerade Aufklärer sahen schließlich den Menschen als Teil der Natur.“ Der Franzose Julien Offray de La Mettrie ging sogar so weit, den Menschen selbst als natürliche Maschine zu beschreiben. Nämlich als rein biologischen Mechanismus ohne Ziel und Zweck. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford.

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Theorien lassen sich nur falsifizieren

Der große Wissenschaftsphilosoph Karl Popper gelangte zu einer zentralen Erkenntnis. Nämlich dass die Naturwissenschaften keine Ansammlung verifizierbarer Sätze ist, sondern aus komplexen Theorien besteht, die sich bestenfalls insgesamt falsifizieren lassen. Die wissenschaftliche Erkenntnis basiert auf theoretischen Konstrukten, die sich im Prinzip durch empirische Beobachtungen widerlegen lassen. Carlo Rovelli erklärt: „Eine Theorie, die uns neue Vorhersagen erlaubt, die bestätigt und niemals von der Realität widerlegt wird, ist eine wissenschaftlich valide Theorie.“ Das heißt aber nicht, dass es nicht eines Tages doch zu einem Widerspruch kommen kann. Dann müssen Wissenschaftler nach einer besseren Theorie suchen. Mit dem evolutiven Aspekt wissenschaftlicher Erkenntnis hat sich Thomas S. Kuhn intensiv beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Die Evolution verläuft unvorhersehbar

Die Geschichte der Menschen ist die einer Tierart, deren Ahnen einst auf Bäumen lebten. Diese stellte sich anschließend auf den Boden und hat sehr viel später großartige Kulturen hervorgebracht. Matthias Glaubrecht fügt hinzu: „Es ist die Geschichte des Aufstiegs eines tierischen Wesens aus den Anfängen in der Natur, das schließlich gelernt hat, diese Natur zu beherrschen.“ Dabei verlief die menschliche Evolution keineswegs derart linear und folgerichtig, wie sie rückblickend erscheinen mag. Sie führte zwar zu Vielfalt und Fülle, zu Kultur und Komplexität. Und doch darf man sie nicht als zielgerichtete Weiterentwicklung, als Fortschritt bezeichnen. Die Evolution verläuft unvorhersehbar, sie schlägt oft überraschende Wege ein. Das Erscheinen der menschlichen Spezies ist nicht der unvermeidliche Höhepunkt einer Entwicklung. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Charles Darwin war ein Geschichtenerzähler

Wenn die Menschen etwas können, dann Geschichten zu erzählen. Matthias Glaubrecht weiß: „Unter den Wissenschaftlern sind alle Geschichtenerzähler – mit den Evolutionsbiologen als sicher begnadetsten unter ihnen.“ Allen voran und zuerst Charles Darwin mit seiner die Fantasie beflügelnden Idee vom Kampf ums Dasein und dem Überleben der Tauglichsten. Auch die gängigen Darstellungen der menschlichen Evolution sind Geschichten. Diese schildern üblicherweise in erzählerischer Form jene Abfolge von Ereignissen, die aus einem baumlebenden Affen uns, den bodenständigen Menschen entstehen ließ. Diese Geschichten sind nicht zuletzt deshalb fesselnd, weil die Menschen selbst Gegenstand dieser Erzählung sind. Solche Geschichten haben, egal, wer sie erzählt und wann sie erzählt wurden, stets eine gemeinsame Form. Immer sind es Heldengeschichten, die sich alle mehr oder weniger ähneln. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Die Menschheitsgeschichte ist noch nicht zu Ende

Bei evolutionären Abläufen und natürlichen Entwicklungsprozessen sind die Anfänge stets unscheinbar und unmerklich. Kaum einmal sind Evolutionsbiologen in der Lage jenen Punkt auf der Zeittafel zu bestimmen, an dem etwas Neues beginnt und das Alte endet. Matthias Glaubrecht fügt hinzu: „So geht es uns auch mit dem Anfang unserer eigenen Evolutionsgeschichte und dem tatsächlichen Beginn der Menschheit.“ Natürlich ist auch der Mensch nicht vom Himmel gefallen. Sondern er ist ein historisches Produkt seiner Ahnenreihe. Aber der Beginn lässt sich wahlweise und nach Gutdünken immer wieder anders bestimmen. Die Menschheitsgeschichte nur als die seiner kulturellen Evolution verstehen zu wollen, weist dabei in die Irre. Wer glaubt, dass es in der Entwicklung der Menschen nur um das erste Wort, um die Schrift oder um Kunst geht, verengt seinen Blick. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Die Evolution beruht auf Mutation und Selektion

Das am weitesten anerkannte Evolutionsmodell beruht auf zwei wichtigen Elementen: Mutation und Selektion. Eyal Winter erläutert: „Mutation sorgt dafür, dass in den Eigenschaften eines Organismus von Generation zu Generation willkürliche Veränderungen auftreten. Die Selektion verbreitet „günstige“ Mutationen in einer Population, wohingegen „ungünstige“ allmählich aussterben.“ Individuen mit guten Merkmalen haben höhere Überlebenschancen und sorgen für mehr Nachkommenschaft. In der Regel geht man davon aus, dass evolutionäre Kräfte die Eigenschaften einzelner Individuen – deren Gene – prägen, aber Mutation und Selektion beeinflussen auch die Entwicklung ganzer Gesellschaften. Gemeinschaften mit positiven Merkmalen – etwa sozialen Strukturen und Werten, die den Zusammenhalt stärken – haben höhere Überlebenschancen. Gruppierungen, denen diese Eigenschaften fehlen, werden beispielsweise häufiger im Kampf geschlagen und von Einzelnen verlassen. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

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Die Evolution hat kein Ziel und dient keinem Zweck

Zeit ist der eine Faktor der Evolution. Der andere ist, kein Ziel zu haben und keinem Zweck zu dienen. Ein grundsätzliches Missverständnis über die Evolution geht von der Vorstellung aus, diese laufe gleichsam zwanghaft stets auf das Leben höherer Wesen oder sogar auf den Menschen hinaus. Matthias Glaubrecht erklärt: „Doch Evolution ist ein sich selbst organisierender und kontingent, also zufällig auf einmalige Weise so und nicht anders, ablaufender Naturprozess.“ Ist der Mensch also ein Glücksfall? Wie sähe die Erde ohne die Menschen aus? Man kann immer fragen, ob Geschichte auch ganz anders verlaufen hätte können. Intuitiv würde man sagen: Ja, natürlich hätte es auch anders kommen können. Schnell gelangt man dabei zu der Frage, ob der Mensch seine Existenz dem Zufall verdankt oder ob sein Schicksal vorgezeichnet ist. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Der Mensch versucht seine Ursprünge zu ergründen

Was ist der Mensch? Was macht ihn aus? Woher kommt er? Was unterscheidet ihn vom Tier? Wie geht es weiter mit ihm? Der Mensch als einziges Wesen unter den Tieren versucht seit Langem, seine eigenen Ursprünge zu ergründen. Matthias Glaubrecht stellt fest: „Bereits das macht uns zu etwas Besonderen in der Evolution. Religion und Philosophie geben ihre je eigenen Antworten nach unserm Wesen und Werden.“ Die Menschen stellen sich diese eingangs formulierten Fragen, weil sie verstehen wollen, welchen Platz sie in der Natur einnehmen und in welchem Verhältnis sie zu anderen Lebewesen stehen. Wenn die Menschen wissen, woher sie kommen, verstehen sie besser, welche Rolle Natur und Umwelt für sie wirklich spielen und welche Rolle ihnen darin zukommt. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Der Mensch durchläuft ständig Metamorphosen

In seinem neuen Buch „Metamorphosen“ verbindet Emanuele Coccia Philosophie und Evolutionsbiologie in seiner Neuvermessung der menschlichen Existenz. Ausgangspunkt seiner Philosophie der Verwandlung ist die Metamorphose bei den Insekten. Dadurch gelangte Emanuele Coccia zu der Annahme, dass auch der Mensch kontinuierlich Metamorphosen durchläuft: „Der Fötus wird zum Erwachsenen, der sich am Ende seines Lebens in Atome auflöst und von anderen Lebewesen aufgenommen wird.“ Der italienische Philosoph weitet den Blick auf das Leben an sich aus und zeigt, warum die Menschen alles neu denken müssen. Sein Buch „Metamorphosen“ ermöglicht ein neues Verständnis davon, wie die Menschen mit der Welt verbunden sind. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Durch Homöostase entwickeln sich die Gene

Der Mensch hat sich schon immer mit Schmerzen, Leiden und dem sicheren Tod auseinandergesetzt. Er tat dies als Gegensatz zu der unerreichten Möglichkeit von Wohlergehen und Gedeihen. Diese Gedanken dürften bei den Menschen hinter manchen kreativen Prozessen gesteckt haben, aus denen die heutigen, verblüffend komplexen Instrumente der Kultur hervorgegangen sind. Wenn man Menschenaffen beobachtet, spürt man, dass es Vorläufer des kulturellen Menschseins gibt. Antonio Damasio erläutert: „Schimpansen können einfache Werkzeuge herstellen. Sie nutzen sie auf intelligente Weise für die eigene Ernährung und geben die Erfindungen sogar auf visuellem Weg an andere weiter.“ Bevor in der Evolution die ersten kulturellen Ausdrucksformen entstehen konnten, musste man auf die evolutionäre Entwicklung von Geist und Gefühlen warten. Einschließlich des Bewusstseins, mit dem das Gefühl subjektiv erlebt werden konnte. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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