In Deutschland lebt eine alternde Gesellschaft

Man kann lange leben, wenn man sich – wie beim Fasten – nur etwas bescheidet. Wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit können die in der Gegenwart lebenden Menschen mit einem langen Leben rechnen. Also lohnt es sich auch, in dieses lange Leben in jeder nur möglichen Weise zu investieren. Sei es geistig, psychisch, physisch oder sozial. Horst Opaschowski weiß: „Unter allen westlichen Industriegesellschaften weist Deutschland die stärkste Alterung auf. Drastischer Geburtenrückgang lassen uns von einer alternden Gesellschaft sprechen.“ Diese kann in naher Zukunft allenfalls durch Zu- und Einwanderung gemildert, aber nicht mehr gestoppt werden. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

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Sechzig Millionen Menschen sind auf der Flucht

Die Geschichte wiederholt sich manchmal, die biblische zumal. Der Exodus der Israeliten aus Ägypten dient als Präambel zur Migrationshistorie der Menschheit. Christian Schüle erläutert: „Der Weg aus der Versklavung durch Not, Hunger, Elend, Krieg und Gewalt ins ersehnte Reich ist das alttestamentliche Leitmotiv schlechthin: Rettung durch Flucht, Erlösung durch Hoffnung.“ Die Flucht nord- und westwärts, die Massenwanderung nach Europa, ist eines der größten Probleme und Herausforderungen europäischer Politik und überhaupt: einer globalen Politik der Moral und Menschenrechte. Das Heer der entwurzelten und heimatlos gewordenen Flüchtlinge stellt eine neue Weltordnung dar. Geschätzt 60 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht vor Armut, Bürgerkrieg und Dürre. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Deutschsein hat etwas mit Herkunft und Tradition zu tun

Deutschsein ist mehr als nur formelle Staatsbürgerschaft. Sogar Anhänger der Grünen sind offensichtlich mehrheitlich der Meinung, es gebe so etwas wie einen Nationalcharakter. Christian Schüle fügt hinzu: „Der Begriff Nationalcharakter hat als vermeintlich veraltetes Konzept keinesfalls ausgedient und wird mitnichten von der nachwachsenden Generation als überwunden erachtet.“ Drei Viertel der Deutschen finden, dass deutsche Kultur „Leitkultur“ für die in Deutschland lebenden Ausländer sein sollte; und gut die Hälfte der Deutschen meint, dass Deutschsein mit Herkunft und Tradition zu tun habe. Das heißt: Politik muss sich an der Wirklichkeit orientieren, und dazu gehört, dass mindestens eine relative Mehrheit der Bevölkerung ihre eigene Nationalität auch über eine in Jahrhunderten gewachsene Kulturtradition und eine gemeinsame Herkunft definiert. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Bill Gates kämpft mit seiner Stiftung weltweit gegen Armut

Der Gründer von Microsoft, Bill Gates, ist mit einem Vermögen von mehr als 80 Milliarden Dollar der reichste Mensch der Welt. Gleichzeitig ist er einer der großzügigsten und ehrgeizigsten. Mit der „Bill und Melinda Gates Foundation“ will der Philanthrop extreme Armut abschaffen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Wohl Afrikas zum deutschen Interesse erklärt. Bill Gates sieht die Flüchtlingskrise auch als Chance, neue Verbündete im Kampf gegen globale Armut zu finden. Der Multimilliardär erklärt: „Die Flüchtlingskrise macht deutlich, dass es uns alle betrifft, wenn Menschen in harten Umständen leben. Es ist furchtbar mit anzusehen und schafft riesige Probleme. Wir sind weder vor Armut noch vor ansteckenden Krankheiten in fernen Ländern sicher. Die Probleme bleiben nicht dort.“ Bill Gates empfindet es als traurig, dass erst die Krise in Syrien ein stärkeres Bewusstsein über die schlimmen Lebensumstände in armen Ländern schafft.

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Die Wähler sind unberechenbar geworden

Ein Phänomen erobert gerade die westlichen Demokratien: die Wutwähler. Die Wut richtet sich gegen die Eliten in der Politik und der Wirtschaft, gegen die etablierten Parteien, die Mainstream-Medien, gegen Freihandel und natürlich gegen Einwanderung. Viele Brexiteers in Großbritannien, Anhänger von Donald Trump in den USA oder Wähler von Marie Le Pen in Frankreich. „Take back control“, die Kontrolle zurückgewinnen, war die Parole der Befürworter des Brexits. Es könnte der Hilferuf aller Wutwähler weltweit sein. In einer Zeit, in der zunehmend komplexe Freihandelsverträge oder unbekannte EU-Kommissare über die eigenen Lebensbedingungen bestimmen, sehnen sie sich wieder nach Grenzen, nach nationaler Gesetzgebung, einer abgeschotteten Wirtschaft. Es gibt dieses Phänomen nicht erst seit gestern. Aber die Wut hat in diesem Jahr einen Siedepunkt erreicht, befeuert von der Finanzkrise und der Eurokrise, von der Destabilisierung des Nahen Ostens und den daraus folgenden Flüchtlingsströmen, vom Aufstieg Chinas und der Deindustrialisierung der vergangenen Jahrzehnte.

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Deutschland muss sich wegen der Flüchtlinge neu erfinden

Die Herausforderungen sind gewaltig. Das Gleiche gilt allerdings auch für die Chancen. Über eine Million aufgenommene Flüchtlinge stellen Deutschland vor großen Fragen: der globalen Verantwortung, der nationalen Identität, der Zukunft einer offenen Gesellschaft. Im Titelthema „Was tun?“ beantworten im neunen Philosophie Magazin 02/2016 Februar/Marz 27 Philosophen die drängendsten Fragen. Für Chefredakteur Wolfgang Eilenberger markiert das Jahr 2015 das Ende der zentralen Lebenslüge einer ganzen europäischen Generation: „Ich sprechen von der Illusion eines Kerneuropas als eines mauerlosen Paradiesgartens in einer Welt des Elends.“ Die moralische Verpflichtung, Geflüchtete aufzunehmen kennt für Marc Crépon keine Grenzen. Denn man muss sich dabei zuallererst bewusst machen, dass die Zustimmung oder Ablehnung, sie aufzunehmen, in vielerlei Hinsicht der Macht über Leben und Tod gleichkommt. Seiner Meinung nach kommt der politische Wille, Geflüchtete zurückzuweisen und sie so der sicheren Gewalt auszuliefern, einer Billigung von Mord gleich.

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Der Krieg in der Ukraine ist ein Vorbote künftiger Krisen

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird klar, dass der von 1947 bis 1989 andauernde „Kalte Krieg“ wie ein gigantisches Kühlhaus wirkte, das viele der politischen Leidenschaften, die vorher in Europas Bevölkerungen vorherrschten, tiefgefroren hat. Micha Brumlik ergänzt: „Seit 1989 herrscht Tauwetter, in dem Nationalismen wie Zombies wiederauferstehen. Jeder Blick in die Medien bestätigt die Aktualität dessen, was abwertend als „Nationalismus“ und wohlwollend als „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ bezeichnet wird.“ Davon zeugen nicht nur die Euroskeptiker in den politischen Parteien, sondern vor allem die Unabhängigkeitsbewegungen der Katalanen, der Schotten, der Flamen sowie der Basken. Vor allem aber der Krieg in der Ukraine macht dies mehr als deutlich. Micha Brumlik ist emeritierter Professor für Erziehungswissenschaften in Frankfurt am Main sowie Publizist.

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Die Überzeugungskraft des demokratischen Rechtsstaats erlahmt

In der arabischen Welt benötigt man in vielen Orten Waffen, um westliche Werte zu sichern. Vor der Gewalt Russlands fürchten sich die Europäer, die Wirtschaftsmacht China beeindruckt sie. Im Inneren lebt der Westen gut mit offenen Grenzen und hoher Mobilität, die Wirtschaft ist relativ stabil. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt. Udo di Fabio erklärt: „Aber spätestens seit der Weltfinanzkrise zeigen sich deutliche Risse im Fundament. Wir beobachten die Gleichzeitigkeit einer Internationalisierung der Oberschichten und den als populistisch wahrgenommenen dumpfen Protest derjenigen, die sich als Globalisierungsverlierer definieren.“ Durch Einwanderung und die Vernetzung über die Grenzen hinaus werden Gesellschaften nicht nur multikultureller und vielfältiger, sondern zersplittern sich auch in den Alltagskulturen. Udo di Fabio lehrt öffentliches Recht an der Universität Bonn. Er war bis 2011 Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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Etwa 50 Millionen US-Amerikaner haben deutsche Vorfahren

Nachdem im 17. und 18. Jahrhundert Pennsylvania das Hauptziel der deutschen Einwanderer in die USA war, kamen im 19. Jahrhundert immer mehr Deutsche nach New York, um von dort in den mittleren Westen, vor allem nach Wisconsin und Ohio weiterzuziehen. Seltener siedelten sie sich in den Sklavenhalterstaaten des Südens an, eine Ausnahme davon bildete lediglich Texas. Alexander Emmerich stellt fest: „Bis zum Ersten Weltkrieg siedelten sich etwa 5,5 Millionen German-Americans in den USA an. Insgesamt betrachten sich heute etwa 50 Millionen US-Amerikaner als Nachfahren deutscher Immigranten.“ Die großen Auswanderungswellen der Deutschen nach Amerika begannen zu Beginn des 19. Jahrhunderts und stiegen ab den 1830er Jahren rapide an. Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für atlantische Kulturgeschichte.

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Alexander Emmerich untersucht die Geburt von Amerika

Nach der Entdeckung Amerikas verlagerte sich das Interesse der Europäer vom Mittelmeer in den Atlantikraum. Die Niederlande, Frankreich, Spanien und Portugal konzentrierten ihre Politik auf den amerikanischen Kontinent und begannen mit seiner Eroberung und Kolonisation. Hinzu kam Großbritannien, das laut Alexander Emmerich durch seine natürliche Lage im Atlantik in den Mittelpunkt des Geschehens rückte und sich zur Weltmacht entwickelte. Alexander Emmerich fügt hinzu: „Doch die Eroberungspolitik der englischen Krone verlief in anderen Bahnen als die der übrigen europäischen Mächte, allen voran Spanien. Weder gründeten die Briten in Amerika Vizekönigreiche, noch wurden Eroberungskriege im Namen Englands geführt.“ Das Königshaus stellte lediglich Freibriefe für die Kolonisation der Neuen Welt durch private englische Handelsgesellschaften aus. Diese übernahmen die Risiken der Besiedlung im eigenen Interesse und auf eigene Kosten. Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für transatlantische Kulturgeschichte.

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Die Volksparteien sind in ihrer Existenz bedroht

In seinem Buch „Parteiendämmerung. Oder was kommt nach den Volksparteien“ analysiert Christoph Seils den gegenwärtigen Umbruch der politischen Verhältnisse und beschreibt, wie eine neue Demokratie in Deutschland aussehen könnte. Die politischen Milieus der so genannten Volksparteien CDU und SPD haben sich seiner Meinung nach aufgelöst und an die Stelle ideologischer Konflikte des 20. Jahrhunderts sind egoistische Gruppeninteressen getreten. Themen wie Einwanderung, Globalisierung oder digitale Revolution beherrschen heute die politische Agenda. Zugleich haben die Deutschen laut Christoph Seils das Vertrauen in den Gestaltungswillen der Politik verloren. Er stellt die These auf, dass sich die Volksparteien überlebt haben und die Parteiendämmerung einher geht mit einer Zunahme an Populismus, Lobbyismus, Medienmacht und politischer Instabilität.

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In Deutschland fehlt eine moderne Zuwanderungspolitik

Regelmäßig klagen die deutschen Unternehmen über den Mangel an Fachkräften. Die Manager fordern von der Politik eine moderne Zuwanderungspolitik. Denn noch immer sind am Industriestandort qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland nur bedingt erwünscht. Doch mit dieser Haltung könnte sich Deutschland seiner Zukunft berauben. Denn in einer Wissensgesellschaft sind gut ausgebildete Fachkräfte das wichtigste Kapital und zugleich eine immer knapper werdende Ressource. Während andere Länder schon seit längerer Zeit um Experten aus aller Welt mit allen Bandagen kämpfen, schreckt Deutschland hochqualifizierte Arbeitnehmer eher ab. Doch der demografische Wandel, die Erfordernisse der Industrie und der Globalisierung machen ein neues und modernes Zuwanderungsgesetz für die Bundesrepublik Deutschland unumgänglich.

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