Dem Menschen ist seine Autonomie sehr wichtig

Die Freiheit wird auch heute noch immer hochgeschätzt. Immanuel Kant schrieb einst, dass man von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlich Gebrauch machen sollte. Aber um welche Freiheit geht es? Der amerikanische Informatiker und Künstler Jaron Lanier vergleicht moderne Menschen mit Wölfen. Wie kann das sein? Rebekka Reinhard antwortet: „Eigentlich ist der moderne, aus dem soliden Umfeld der Tradition gerissene Mensch doch ein unvergleichliches Individuum, eine Singularität. Dieser Mensch möchte kein skinnerisches Versuchstier sein. Autonomie ist ihm sehr wichtig.“ Die Computer-Logik dagegen übersetzt Vieldeutigkeit in Eindeutigkeit und kennt nur zwei Zustände: Entweder – Oder. So blitzschnell, dass sie wie aus Versehen ein Gleichheitszeichen zwischen „subjektiv“ und „objektiv“ setzt. Die Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Die Welt ist chaotisch und ständig in Aufruhr

Die Welt ist das Zuhause des Menschen. Anders als die eigene Wohnung oder Haus liegt sie aber nicht einfach reglos da. Rebekka Reinhard erklärt: „Sie ist chaotisch, wirr, ständig in Aufruhr. Diese Welt rückt uns auf die Pelle. Sie macht sich auf den Screens unserer Smartphones breit.“ Sie bedrängt die Menschen in High Definition, sobald sie die Fernbedienung zücken, laut, bunt, hektisch, intensiv, überwältigend. Die Welt lässt den Menschen nicht in Ruhe und umgekehrt ist das auch nicht der Fall. Auf allen Kanälen wird sie kommentiert, jeder hat eine Meinung über sie. Die am meisten recht haben wollen, outen sich in Zeitungen, Talkshows und sozialen Medien. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Die Frühromantik will Poesie und Mythologie miteinander verbinden

Zu den zentralen Forderungen der Frühromantik gehört die nach einer neuen Mythologie. Dadurch unterschied sich die frühromantische Bewegung an einem entscheidenden Punkt von der Aufklärung, zu der sonst durchaus Verbindungslinien bestanden. Gerade die Skepsis gegen den Mythos gehörte zu den entscheidenden Elementen der aufklärerischen Weltanschauung. Die Frühromantiker versuchten, Poesie und Mythologie wieder miteinander zu verbinden. Friedrich Schlegel schrieb in seinem „Gespräch über die Poesie“ (1800) folgendes: „Dann das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter.“ Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling wandte sich in seiner „Philosophie der Kunst“ (1802/03) ausführlich dem Verhältnis von Dichtung und Mythologie zu.

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Unternehmen sollten mehr auf Co-Produktion setzen

Die Kommunikation ist ein Fundament der Kultur. Diese lässt sich zwar erweitern, durchaus auch unterdrücken, aber nie verändern oder gar auslöschen. Die Chinesen versuchen es seit sechzig Jahren erfolglos in Tibet. Alexander Goebel bedauert, dass nach wie vor und unverändert in sehr vielen Unternehmen die Unkultur vorherrscht, dass oben die Beschlüsse gefasst und nach unten befohlen werden. Alexander Goebel ergänzt: „Es wird erwartet, dass diese verstanden und umgehend umgesetzt werden. Geschieht das nicht, gibt es personelle Konsequenzen. So läuft Retro-Management.“ Nilofer Merchant sagt in ihrem Bestseller „The New How“, in dem sie für kollaborative Strategien in modernen Unternehmen wirbt, dass es wichtig wäre, keinen Einzelkampf mehr zu führen, sondern zur Co-Produktion zu finden. Alexander Goebel ist seit 40 Jahren erfolgreich im Emotionsgeschäft unterwegs.

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Wissenschaftliche Sätze sollen verneint werden können

Aus der Einsicht heraus, dass alles Erkennen immer nur hypothetisch und vorläufig bleiben muss, hat insbesondere der Kritische Rationalismus zwei Regeln formuliert, die fast zu wissenschaftlichen Gemeinplätzen geworden sind. Wilhelm Berger erläutert: „Ihre Anwendung verspricht eine klare Grenzziehung zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit und ihren Konkurrenten bei der Deutung der Welt. Bis zu einem gewissen Grad können diese Regeln auch dazu dienen, alltägliche Diskussionen zu ordnen.“ Die erste Regel lautet, dass wissenschaftliche Sätze falsifizierbar sein sollen. Diese Regel reflektiert nicht nur das Faktum, dass vieles, was einmal als wahr gegolten hat, heute als falsch gelten muss. Die Regel ist darüber hinaus eine formale: Wissenschaftliche Sätze sollen eine Form haben, die es erlaubt, dass sie verneint werden können. Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Alexander Mitscherlich macht sich Gedanken über den Schmutz

Gegenüber Schmutz, Unordnung und Anarchie können Menschen nicht unparteiisch bleiben. Hier scheiden sich die Geister, und zwar, wie Alexander Mitscherlich oft erlebt hat, auf die heftigste Weise. Der Schmutz entzieht sich seiner Meinung nach aber auch dem systematischen Denken, was eine seiner anderen Tücken ist. Alexander Mitscherlich schreibt über seine anderen Eigenschaften folgendes: „Aber Schmutz ist zufällig. Er fällt aus der Luft, gleichmäßig und ungerufen. Er ist beleidigend. Er ist herausfordernd: wisch das mal ab.“ Der Schmutz verursacht Ärger, Reinigung kostet Zeit und Geld. Wo er sich niederlässt, ist Unordnung. Er wird beseitigt, bekämpft, verhindert oder vermehrt, vertuscht. Man kann ihn mit einer Fingerprobe nachweisen, aber manchmal hält er sich unsichtbar. Alexander Mitscherlich vergleicht den Schmutz auch mit der Korruption, bei der Geld an der Stelle von Schmutz an den Fingern kleben bleibt.

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Ernst Bloch entwirft eine Enzyklopädie der Hoffnung

Einer der Grundsätze des Philosophen Ernst Bloch war, es käme darauf an, zugleich siebzig und siebzehn zu sein. Er meinte damit, dass in der größten Erfahrenheit auch die Begierden, die Neugier und die Fragelust der Jugend lebendig sein müssten, von denen alle Erfahrungsfähigkeit ausgeht. Für ihn gab es keine größere Gefahr für die Wahrheit als das Erstickenwollen des Fragenwollens durch die Methoden des Abfragens anstelle einer Problemsichtigkeit für das Erlernte und Vorgesetzte im Verwundern fragwürdig macht. Ernst Bloch war ein Meister des tiefen Sinns, den er in scheinbar ganz kleinen Geschichten entwickelte. Er schreibt: „Es genügt, sie anzudeuten, als ein Spiel, das nicht verstärkt werden kann und letzthin puren Wunsch bedeutet, das aber darin immer merkwürdig ist, dass es als neue Fahne im Werk, nicht nur als Fahnenflucht aus der Welt möglich ist.“

José Ortega Y Gasset folgt den Spuren der Vernunft

Die Entdeckung der Vernunft durch den griechischen Philosophen Sokrates enthält für José Ortega Y Gasset den Schlüssel zur europäischen Geschichte, ohne den die Vergangenheit und Zukunft unverständliche Hieroglyphen sind. Vor Sokrates besaßen auch schon Parmenides und Herakles die Vernunft, doch sie wussten es nicht. Der spanische Philosoph schreibt: „Sokrates als erstem war es bewusst, dass die Vernunft ein neues Universum ist, vollendeter und erhabener als das, welches wir im spontanen Leben um uns her vorfinden.“ Die sichtbaren und tastbaren Dinge sind einem ständigen Wechsel unterworfen, sie erscheinen und vergehen und verwandeln sich ineinander. Dasselbe geschieht in der Seele des Menschen: Wünsche und Neigungen wandeln und widersprechen sich.

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