Die Banken sind Umverteilungsmaschinen von unten nach oben

Die Konzentration wirtschaftlicher Macht in der Realwirtschaft gibt Anlass zur Sorge. Und nach wie vor sind die Finanzmärkte nicht gebändigt. Und sie stellen für den grünen Politiker Gerhard Schick dadurch eine gefährliche Macht dar. Die Deregulierung der Märkte hat dazu geführt, dass das Zusammenwirken der Finanzakteure eine gefährliche Dynamik entwickelt, die auch in Zukunft schwer zu bewältigende Finanzkrisen produzieren kann. Gerhard Schick behauptet: „Die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise ist leider heute nicht geringer als zu der Zeit, als die US-amerikanische Bank Lehman Brothers oder die deutsche Hypo Real Estate zusammenbrachen und in der Folge dann die gesamte Bankenbranche gerettet wurde.“ Zudem sind seiner Meinung nach die Banken eine enorme Maschine der Umverteilung von unten nach oben, die dringend gestoppt werden muss. Der grüne Politiker Gerhard Schick zählt zu den versiertesten Ökonomen im Deutschen Bundestag.

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Analphabetismus ist ein Skandal der modernen Gesellschaft

Der Analphabetismus ist für Konrad Paul Liessmann längst keine Metapher mehr für eine Unbildung, die nur wenige Menschen am Rande der Gesellschaft betrifft, sondern der Skandal einer modernen Gesellschaft schlechthin: dass junge Menschen nach Abschluss der Schulpflicht die grundlegenden Kulturtechniken wie das Lesen und das Schreiben nur unzureichend, manchmal gar nicht beherrschen. Neben der umstrittenen Methode, Schreiben nach dem Gehör zu lernen, zählt der Versuch, die Lesefähigkeit zu steigern, indem man die Texte drastisch vereinfacht, zu den problematischen Strategien einer umfassenden Praxis der Unbildung. Sprache, so suggerieren diese Konzepte, dient nur der Übermittlung simpler Informationen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Sonia Laszlo betrachtet das Glück als einen dynamischen Prozess

Glück ist ein Prozess. Wer glücklich sein will, muss diesen Prozess zufällig oder absichtlich immer wieder in Gang bringen. Laut Glücksforscherin Sonia Laszlo unterliegt er gewissen Gesetzen sowie unterschiedlichen Reizen, die auf ihn Einfluss nehmen. Sie schreibt: „Wie die Natur selbst verändert er sich stetig, und wir mit ihm.“ Schon der griechische Philosoph Heraklit erkannte: „Alles fließt“. Glück ist auch dynamisch. Was in einem Moment bei einem Menschen Glück entstehen lässt, kann zum gleichen Zeitpunkt bei einem anderen Menschen etwas ganz anderes hervorrufen. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Schauspielerin Sonia Laszlo befasst sich mit dem „Glücklichsein“ und Film in Europa sowie in den USA. Die Journalistin ist in Medien und am Institut für Europäische Glücksforschung tätig, Gastvortragende an Universitäten und schreibt an ihrer Dissertation.

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Die Jugendbewegung wollte um 1900 zurück zur Natur

Besonders deutlich wird das Zusammenspiel von Aufbruch und Orientierung am Überkommenen um 1900 in der Jugendbewegung. Ulrich Herbert erklärt: „Sie war zunächst ein Teil der wesentlich breiteren Bewegung der Lebensreformer, die danach strebten, in der als einengend und bedrückend empfundenen Welt des Wilhelminismus neue, eigene Wege zu finden, nach Freiheit, Natur und Ursprünglichkeit zu suchen und den Zwängen der Konvention zu entkommen.“ Diese Bestrebungen wirkten sich sowohl auf die Bereiche des Wohnungs- und Städtebaus sowie der Erziehung oder der Sexualpolitik aus. Die Jugendbewegung war jedoch wesentlich breiter, in den Zielsetzungen auch diffuser als die Lebensreformer. Vor allem aber hatten sie besonders viel Einfluss – und das über Jahrzehnte hinweg. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Technische Revolutionen können die Menschheit retten

Die meisten Menschen haben vage Ahnungen von der Zukunft und doch besteht immer die Möglichkeit, dass ein schreckliches Ereignis alles hinwegfegt. Schon in den 1980er Jahren erkannte Shoshana Zuboff, dass die Einführung der Computer in Unternehmen dazu führen würde, dass die Hierarchien flacher werden. Daniel Goleman ergänzt: „Während Wissen früher Macht war und die Mächtigsten ihre Informationen horteten, eröffneten die neuen technischen Systeme für jedermann den Zugang zu den Daten. In der Gegenwart und sicherlich auch in der Zukunft fließen die Informationen immer freizügiger, und das nicht nur innerhalb einer Organisation, sondern auf der ganzen Welt. Das Zeitalter des Anthropozän, das mit der industriellen Revolution begann, ist die erste geologische Epoche, in der die Tätigkeit einer Spezies – der Menschen – unausweichlich die wenigen globalen Systeme zerrüttet, die das Leben auf der Erde ermöglichen.

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Die Kulturen befinden sich in einem ständigen Wandel

Nach der landwirtschaftlichen Revolution werden die Gesellschaften der Menschen immer größer und komplexer. Zudem wurden die erfundenen Ordnungen, die diese Gesellschaften zusammenhielten immer raffinierter. Yuval Noah Harari ergänzt: „Mythen und Märchen programmierten die Menschen darauf, fast von Geburt an auf eine bestimmte Weise zu denken und zu handeln, bestimmte Dinge zu wollen und bestimmte Regeln zu befolgen.“ Damit schufen die Gesellschaften „künstliche Instinkte“, mit deren Hilfe Millionen von Menschen effektiv zusammenarbeiten konnten. Dieses Netzt künstlicher Instinkte heißt heue Kultur. So bedeutete damals wie heute ein Ägypter zu sein, automatisch wie ein Ägypter zu gehen, zu stehen, zu sitzen, zu sprechen und zu denken. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Im 19. Jahrhundert wurde London zur reichsten Stadt der Welt

Kein Jahrhundert hat das Leben in den Städten Westeuropas so sehr verändert wie das neunzehnte. London, die Hauptstadt der Engländer und ihr großer Fluss- und Seehafen an der Themse, wandelte sich zuerst, schneller als die Konkurrenz und wuchs an Umfang und Einfluss rascher als die anderen Städte. Manche Historiker nennen das 19. Jahrhundert deshalb auch das Jahrhundert Londons. England stieg damals zu einer Stellung in der Welt auf, die in keinem Verhältnis zur Größe seines geographischen Territoriums stand. England wurde durch die industrielle Revolution, die bereits im 18. Jahrhundert begonnen hatte und Vorherrschaft in Produktion, Handel und Finanzwirtschaft sicherte, zur Werkstatt der Welt. In Übersee ließen freizügige Auswanderung und reger Handel das britische Kolonialreich ständig wachsen. London galt damals als Mittelpunkt eines Reiches, in dem die Sonne nicht unterging.

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Die Geschichte Deutschlands ist im 20. Jahrhundert zweigeteilt

In Deutschland ist das 20. Jahrhundert von zwei Weltkriegen, einer gescheiterten Demokratie, der Hitler-Diktatur und dem Holocaust geprägt. Und vierzig Jahre war Deutschland ein geteiltes Land. Wer dagegen heute von Deutschland spricht, denkt unter anderem an den Sozialstaat, Wohlstand, Liberalisierung, Globalisierung, eine erfolgreiche Demokratie und die längste Friedensperiode in der europäischen Geschichte. Das Projekt Europa ist für Deutschland der einzige gangbare Weg der Gegenwart, aber die deutsche Geschichte bleibt dennoch im Nationalen verwurzelt. Ulrich Herbert erklärt, warum das so ist. Das hat seinen guten Grund, denn persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Traditionen beziehen sich in allen europäischen Ländern, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, nach wie vor zuerst auf das Land, aus dem man kommt und in dem man lebt. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Die Leistungsträger sind das Lebenselixier des Kapitalismus

Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling hält den Willen für die eigentliche Substanz des Menschen, die keineswegs nur im Dienste des Glücks und der Selbsterhaltung steht. Vielmehr wohnt dem Willen ein destruktiver Moment inne, der dafür sorgt, dass der Mensch das, was er will, durch sein Wollen zunichte macht. Laut Svenja Flaßpöhler ist dieser Pessimismus für die Philosophie des 19. Und 20. Jahrhunderts tonangebend. Vor allem für jene Arthur Schopenhauers, für den die Welt ihrem Wesen nach Wille, die menschlichen Vorstellungen von und die Erfahrungen in ihr nichts weiter sind als dessen Manifestationen. So lautet die Kernaussage des Schopenhauer`schen Hauptwerks „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Svenja Flaßpöhler erklärt: „In diesem Werk wird der Mensch als ein Wesen entlarvt, das durch einen unpersönlichen, überindividuellen, an keinen Gott mehr gebundenen Wille bestimmt und getrieben wird. Svenja Flaßpöhler ist Stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins.

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In Deutschland breitet sich das Neobiedermeiertum aus

Dass Deutschland in naher Zukunft Innovationsweltmeister wird, ist so wahrscheinlich wie die Annahme, dass der nächste Fußballweltmeister San Marino heißt. Denn innovative, unternehmerische, risikobereite Menschen, dazu Wissenschaftler, Kreative oder auch nur die sogenannten Querdenker abseits des Massengeschmacks und Stromlinienform haben es in Deutschland schwer. Es herrschen hierzulande Normen und Traditionen, wenn nicht gar retroselige Rückwärtsgewandtheit. Schon der Begriff der Innovation – sprich der Erneuerung – löst bei vielen Deutschen geradezu juckende Allergien aus. Denn die Deutschen leben in einem Land, das die Bereitschaft zur Empörung pflegt. Die Gesellschaft retardiert sich immer mehr und sieht sich vom Burnout bedroht. Ein Neobiedermeiertum übernimmt immer mehr die Vorreiterrolle. Wer in Deutschland Visionen hat, wird nicht befördert oder gefördert, sondern im schlimmsten Fall zum Arzt geschickt.

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Die Überzeugungskraft des demokratischen Rechtsstaats erlahmt

In der arabischen Welt benötigt man in vielen Orten Waffen, um westliche Werte zu sichern. Vor der Gewalt Russlands fürchten sich die Europäer, die Wirtschaftsmacht China beeindruckt sie. Im Inneren lebt der Westen gut mit offenen Grenzen und hoher Mobilität, die Wirtschaft ist relativ stabil. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt. Udo di Fabio erklärt: „Aber spätestens seit der Weltfinanzkrise zeigen sich deutliche Risse im Fundament. Wir beobachten die Gleichzeitigkeit einer Internationalisierung der Oberschichten und den als populistisch wahrgenommenen dumpfen Protest derjenigen, die sich als Globalisierungsverlierer definieren.“ Durch Einwanderung und die Vernetzung über die Grenzen hinaus werden Gesellschaften nicht nur multikultureller und vielfältiger, sondern zersplittern sich auch in den Alltagskulturen. Udo di Fabio lehrt öffentliches Recht an der Universität Bonn. Er war bis 2011 Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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Das Anderssein ist in der sozialen Wirklichkeit nicht erwünscht

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann stellt sich die Frage, wo die jungen, innovativen, aufbegehrenden, revolutionierenden Stimmen hingekommen sind, die heldenhaft ihr Ich gegen jede Vereinnahmung durch die Gesellschaft, die Medien und die Wirtschaft verteidigen. Der Soziologe Bernhard Heinzlmaier urteilt wie folgt über eine völlig angepasste Jugend: „Keine Mission, keine Vision, keine Revolution.“ Alles bewegt sich in der Mitte der Gesellschaft mit dem Mainstream. Wer woanders steht, weil er nicht mitkam oder nicht mitmachen will, gilt als verloren. Diese Verlorenen wieder mitzunehmen, in die Mitte zu führen und diese zu integrieren, ist dann auch das Einzige, was engagierte Pädagogen und Sozialarbeiter noch denken und wünschen können. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Angela Merkel hat die Politik in Deutschland entpolisiert

Das Ansehen der Nichtwähler hat sich in manchen Kreisen deutlich verbessert. Sie werden nicht mehr als Antidemokraten beschimpft. Und das umso mehr, als es innerhalb des Spektrums der politischen Parteien, in der politischen Parallelgesellschaft keine Opposition mehr gibt, die diesen Namen auch verdient hätte und von der sich der Bürger etwas versprechen dürfte. Thomas Rietzschel kritisiert: „Wie auf dem Theater sind die Schaukämpfe in der politischen Arena unserer Tage Vorführungen ein und desselben Ensembles.“ Das dabei bisweilen die Fetzen fliegen, steigert zwar die Spannung, gefährdet aber keinesfalls den Zusammenhalt der Truppe. Nur gemeinsam können sich alle Politiker auf der Bühne behaupten. Thomas Rietzschel lebt als freier Autor in der Nähe von Frankfurt. Zuletzt erschien im Zsolnay Verlag sein Buch „Geplünderte Demokratie. Die Geschäfte des politischen Kartells“.

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Das Geschehen an den Finanmärkten bestimmt den Alltag

Wolfgang Hetzer vertritt die These, dass der Lauf der Dinge heutzutage maßgeblich durch das Geschehen an den Finanzmärkten bestimmt wird. Umso denkwürdiger ist seiner Meinung nach, dass die Logik der Ereignisse in diesem Bereich zum Teil höchst umstritten ist. Dies gipfelt in der Frage, ob sich auf den Schauplätzen der internationalen Finanzwirtschaft ein effizientes Zusammenspiel vernünftiger Akteure oder ein Spektakel reiner Unvernunft vollzieht. Wolfgang Hetzer fügt hinzu: „Es gilt jedenfalls nicht als ausgemacht, ob der beschworene kapitalistische Geist verlässlich und rational oder schlicht verrückt operiert.“ Selbst die Wirtschaftswissenschaft hilft auch nicht immer weiter, da sie völlig verschiedene und widersprüchliche Interpretationen bereithält, um die Stürme der Ereignisse im gegenwärtigen Finanzgeschäft zu erklären. Wolfgang Hetzer, Dr. der Rechts- und Staatswissenschaft, leitete von 2002 bis 2011 die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel.

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Die Geschichte der Menschheit ist von Revolutionen geprägt

In seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ beantwortet Yuval Noah Harari unter anderem die Frage, warum sich vor rund 70.000 Jahren ein mysteriöser und rascher Wandel mit dem Homo sapiens vollzog. Yuval Noah Harari erklärt: „Es waren vor allem die Beschaffenheit seines Gehirns, seiner Sprache und seine einzigartigen Fähigkeit zur Kooperation, die ihn zum Beherrscher und zur Bedrohung des Planten werden ließen.“ Gegliedert hat der Autor sein Werk in vier große Teile: „Die kognitive Revolution“, „Die landwirtschaftliche Revolution“, „Die Vereinigung der Menschheit“ und „Die wissenschaftliche Revolution“. Yuval Noah Harari beginnt seine Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit vor 70.000 Jahren, well damals Organismen der Art Homo Sapiens mit dem Aufbau komplexer Strukturen namens Kulturen begannen. Die Entwicklung dieser Kulturen wird als Geschichte bezeichnet.

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Eine Grunderfahrung der Moderne ist das Verstummen der Welt

Eigentlich sollte der technische Fortschritt den Menschen mehr Zeit schenken. Doch eher ist das Gegenteil geschehen. Laut Beschleunigungstheoretiker Hartmut Rosa sind moderne, kapitalistische Gesellschaften durch eine Steigerungslogik gekennzeichnet. Sie müssen wachsen, beschleunigen, Informationen verdichten, um am Leben zu bleiben. Die Menschen sind zwar heute viel mobiler als früher, fahren mit dem Auto, fliegen mit dem Flugzeug, aber dafür werden auch die Wege länger, die sie zurücklegen. Hartmut Rosa erklärt: „Es ist die Steigerungslogik, die das Zeitproblem hervorruft. Und es ist nicht nur der Kapitalismus, der diese Steigerungsraten erzwingt.“ Zu den anderen Strukturen, die ebenfalls für die Rastlosigkeit vieler Menschen verantwortlich sind, zählt die Konkurrenz, über die moderne Gesellschaften funktionieren. Hartmut Rosa ist Professor für Soziologie an der Universität Jena sowie Gastprofessor an der New School University, New York.

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Wilhelm Schmid rät zu einer nachhaltigen Lebensweise

Bei der Nachhaltigkeit geht es für Wilhelm Schmid zuallererst um die ökologische Frage, das heißt, wie sich die Existenz des Menschen wieder in die Zusammenhänge der Natur, in eine ökologische Integrität eingliedern lässt. Dabei ist es hilfreich, die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen, von denen viele ökologisch relevant sind, zum Beispiel der gewohnheitsmäßige Gebrauch von Stoffen und Dingen aller Art. Wilhelm Schmid erläutert: „Weit mehr als anonyme Mächte stehen alte Gewohnheiten einer nachhaltigen Lebensführung entgegen. In den Banalitäten des Lebens liegen die eigentlichen Verhängnisse verborgen.“ Allerdings kann der Einzelne nicht alles im Blick haben, sondern nur das, was für ihn selbst wichtig ist. Nicht die reine Lehre zählt für Wilhelm Schmid, sondern der Kompromiss, der einen kleinen Schritt weiterführt. Wilhelm Schmid lebt als freier Autor in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt.

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Alexander Emmerich untersucht den Begriff des Amerikaners

Die Metapher der Neuen Welt ist laut Alexander Emmerich eine Erfindung der Europäer. Auf dem neu entdeckten Kontinent konnte es weder Geschichte noch Kultur von Bedeutung geben. Davon waren die Menschen in der Alten Welt überzeugt. Doch in Amerika entstand dennoch eine neue, für viele Auswanderer extrem anziehende Gesellschaft mit einem eigenen politischen System und großer ökonomischer Dynamik. Der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller nannte den neu entdeckten Kontinent nach dem Vornamen des Seefahrers Amerigo Vespucci „Amerika“. Wenn man heute von Amerikanern spricht, gibt es ganz verschiedene Auffassungen darüber, um wen es sich dabei eigentlich handelt. Im deutschen Sprachraum werden mit dem Begriff in der Regel die Menschen benannt, die in den Vereinigten Staaten von Amerika leben. Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für atlantische Kulturgeschichte.

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Der Finanzkapitalismus ist ein Phänomen ausufernden Geldes

Die bislang relativ erfolglosen Bemühungen, die Finanz- und Schuldenkrise einzudämmen, scheinen Europa dazu zu führen, den Glauben an sich selbst zu verlieren. Das provoziert für Wolfgang Hetzer die Frage, ob eine Währungsgemeinschaft, in der sich der Zweifel eingenistet hat, überhaupt noch funktionieren kann. Geld kann der Angst alles zu verlieren nur damit begegnen, wenn alle von der Glaubwürdigkeit der Währung überzeugt sind. Schwindet das Vertrauen kann laut Wolfgang Hetzer jede Währung zusammenbrechen. In der Geschichte beruhte der Glaube der Gemeinschaft immer auf einem Herrscher oder einer Regierung. In der Gegenwart fehlt es aber an einer derartigen Inkarnation der Gemeinschaft.  Wolfgang Hetzer, Dr. der Rechts- und Staatswissenschaft, leitete von 2002 bis 2011 die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel.

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Die soziale Ungleichheit in Deutschland nimmt dramatisch zu

Hans-Ulrich Wehler stellt in seinem Buch „Die neue Umverteilung“ die Diagnose, dass Deutschland ein Land der exzessiven Hierarchisierung geblieben ist. Das heißt, der Fahrstuhl führt nur für wenige nach oben, aber für immer mehr nach unten. Zudem hat Hans-Ulrich Wehler herausgefunden, dass die obersten fünf Prozent der Sozialpyramide enorm begünstigt werden, während die Lebensbedingungen und Einkommen der Mittelschicht und erst recht der Unterschichten stagnieren oder sich verschlechtern. Dazu kommt ein politisches Problem: „Mit verschärfter Ungleichheit wird, über kurz oder lang, die Legitimationsgrundlage des politischen Systems durch wachsende Zweifel in Frage gestellt.“ Der Autor ist davon überzeugt, dass das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ zum Dauerbrenner der innenpolitischen Diskussion in den kommenden Jahren aufsteigen wird. Hans-Ulrich Wehler war bis zu seiner Emeritierung Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Bielefeld. Sein Hauptwerk ist die fünfbändige „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“.

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Ulrich Beck untersucht das Verhältnis von Natur und Gesellschaft

Mit der industriell beschleunigten Zerstörung der ökologischen und natürlichen Grundlagen des Lebens wird laut Ulrich Beck eine historisch beispiellose, bislang völlig unbegriffene gesellschaftliche und politische Entwicklungsdynamik freigesetzt. Diese zwingt in ihrer Konsequenz auch zum Umdenken des Verhältnisses von Natur und Gesellschaft. Ulrich Beck postuliert nicht mehr und nicht weniger als das Ende der Gegenüberstellung von Natur und Gesellschaft. Das heißt: „Natur kann nicht mehr ohne Gesellschaft, Gesellschaft kann nicht mehr ohne Natur begriffen werden.“ Am Ende des 20. Jahrhunderts ist für Ulrich Beck Natur weder vorgegeben noch zugewiesen, sondern ein geschichtliches Produkt geworden. Die Natur ist in den natürlichen Bedingungen ihrer Reproduktion zerstörte oder gefährdete Innenausstattung der zivilisatorischen Welt. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Überall fallen die Grenzen und entwickeln sich neue Welten

Die Grenzen von Raum und Zeit sind in modernen Gesellschaften in Bewegung geraten. Ihr einstmals starres Regime steht laut Karlheinz A. Geißler zur Disposition. Beratung kann zum Beispiel heutzutage überall stattfinden, nicht nur allein in den dafür vorgesehenen Konferenzräumen. In der Europäischen Union lassen sich die Grenzen ohne Zwischenstopp überwinden. Karlheinz A. Geißler schreibt: „Weitestgehend entortet und entzeitlicht ist das, was man kauft, was man isst und trinkt, und vieles von dem, was es zu erfahren und zu erleben gibt.“ Dinge, die an Ort und Zeit gebunden sind, entwickeln sich als Reaktion auf diesen Trend immer öfter zur Folklore. Professor Dr. Karlheinz A. Geißler lehrt, lebt und schreibt in München. Eine der amüsantesten Erfindungen der Menschheit, die Zeit, hat er zu seinem Lebensthema gemacht.

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Peter Bofinger erkennt in der Euro-Krise keinen Sonderfall

Peter Bofinger vertritt die These, dass sich die fundamentalen Probleme des Euro-Raums im Kern nicht wesentlich von denen der Vereinigten Staaten von Amerika unterscheiden. Nach einer Epoche exzessiver privater Verschuldung konnte das System seiner Meinung nach nur mit einer hohen öffentlichen Kreditaufnahme stabilisiert werden. Peter Bofinger schreibt: „Der teils von den Märkten, teils von der Politik erzwungene Versuch der Mitgliedsstaaten des Euro-Raums, ihre Defizite drastisch zu reduzieren, musste in die Rezession führen, da die Privatsektoren noch zu schwach waren, um ihrerseits wieder als Konjunkturlokomotive zu agieren.“ Peter Bofinger ist seit 1992 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Seit März 2004 ist der Ökonom als sogenannter „Wirtschaftsweiser“ Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

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Erich Fromm macht sich Gedanken über den Glauben

Wenn keine Hoffnung mehr besteht, ist für Erich Fromm das Leben tatsächlich oder potentiell zu Ende. Denn die Hoffnung ist ein dem Leben selbst innewohnendes Element. Sie ist Ausdruck der Dynamik des menschlichen Geistes. Laut Erich Fromm steht sie in engem Zusammenhang mit einem anderen Element des Lebens, nämlich mit dem Glauben. Erich Fromm definiert den Glauben wie folgt: „Glauben heißt, von etwas noch nicht Bewiesenem überzeugt zu sein, ist ein Wissen um die realen Möglichkeiten, bedeutet sozusagen einer „Schwangerschaft“ gewahr zu werden. Glaube ist dann rational, wenn es sich dabei um das Wissen um das Wirkliche, aber noch Ungeborene handelt. Er gründet sich auf ein Wissen und Verstehen, das unter die Oberfläche dringt und den Kern wahrnimmt.“

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Wirtschaftsprofessor Manfred Neumann kritisiert die EZB

Manfred Neumann, emeritierter Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bonn, ist in sehr großer Sorge darüber, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihren Rettungsmaßnahmen in der Euro-Schuldenkrise zu eng mit der Politik verflochten ist. Er teilt nicht den Glauben vieler Notenbanker, die meinen, dass nur die EZB die verschuldeten Staaten in Europa retten könne. Manfred Neumann sagt: „Deren Präsident Mario Draghi spricht gerne über Rettung, aber nicht über Inflationsgefahren, die zweifellos bestehen, wenn man mit so großen Zahlen hantiert.“ Es gefällt dem Wirtschaftsprofessor auch nicht, dass sich die Notenbank jetzt immer nur mit dem Unmittelbaren beschäftigt wie derzeit mit den Nöten in Spanien und Italien. Seiner Meinung nach ist die Europäische Zentralbank überheblich geworden und unterschätzt die Gefahr der Inflation.

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