Die Erde bewegt sich um die Sonne

Selbst die weisesten Propheten können ihren Blick nicht über den Möglichkeitshorizont ihrer Zeit hinaus richten. Jedoch verändert sich dieser Horizont mit jeder kleinen Veränderung, wenn der menschliche Geist nach außen blickt. Entweder um dabei die Natur zu beobachten oder sich nach innen wendend, seine eigenen Gegebenheiten in Frage zu stellen. Maria Popova schreibt: „Durch das Geflecht dieser Gewissheiten, gestrafft von Natur und Kultur, sieben wir die Welt. Doch ab und zu – ob durch Zufall oder bewusste Anstrengung – lockert sich der Draht, und durch die Maschen schlüpft die Keimzelle einer Revolution.“ Johannes Kepler begeisterte sich erstmals als Student in Tübingen für das heliozentrische Modell. Das war ein halbes Jahrhundert nachdem, nachdem Nikolaus Kopernikus seine Theorie veröffentlicht hatte. Die Bulgarin Maria Popova ist eine in den USA wohnhafte Autorin, Intellektuelle und Kritikerin. Sie ist bekannt als Gründerin der Online-Plattform Brain Pickings.

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Viele Menschen glauben an eine Führerfigur

Im Unterschied zur traditionellen Auffassung, dass Autorität in Gott begründet liegt, sowie in Immanuel Kants Überzeugung, dass der Mensch selbstständig denken muss, glauben viele Menschen, dass Autorität am besten von einer Führerfigur ausgehen sollte. Paul Verhaeghe stellt fest: „Den Glauben an einen großen Anführer, der aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften (er ist weise und gerecht) die Befehlsgewalt erwirb oder zumindest bekommt, gab es zu allen Zeiten.“ Die Idee geht zurück auf Platons Philosophenkönig, doch der wichtigste Impuls ging von Thomas Hobbes aus. Nach ihm legt Jean-Jaques Rousseau eine sehr eigene Interpretation des Gedankens vor. Und in Deutschland plädierte zu Beginn des vorigen Jahrhunderts seinerseits Max Weber für eine charismatische Führerschaft. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Die Frage „Was ist deutsch?“ stirbt niemals aus

Dieter Borchmeyer versucht in seinem Buch „Was ist deutsch?“ gerade diese Frage zu beantworten, die ihrerseits typisch deutsch ist, denn keine andere Nation hat über die Jahrhunderte so sehr um die eigene Identität gerungen. Der Autor zeigt, was das für das Selbstverständnis der Deutschen bedeutet hat und heute noch virulent ist: von den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs über den Nationalismus der Befreiungskriege bis zu den jüngsten Debatten über Integration. In einer Zeit, in der Deutschland sich erneut seiner selbst vergewissern muss, schärft das Buch „Was ist deutsch?“ den Blick nicht nur für das, was war, sondern auch für das, was noch vor den Deutschen liegt. Dieter Borchmeyer ist Professor für Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaften an der Universität Heidelberg.

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Die deutsche Revolution hat eine neue Welt geschaffen

Die Einigung Deutschlands hat Europa verändert. Mit der spektakulären Niederlage Frankreichs und der Ausrufung eines geeinten deutschen Reiches im Spiegelsaal von Versailles im Januar 1871 war ein neuer Koloss in der Mitte Europas entstanden. Wo es vierhundert Jahre lang einen Flickenteppich von Kleinstaaten und noch sieben Jahre zuvor fast vierzig Einzelstaaten gegeben hatte, herrschte jetzt eine einzige Macht. Hans Kundnani erklärt: „Deutsche Macht und französische Schwäche erschütterten das europäische Gleichgewicht, das seit dem Ende der Napoleonischen Kriege bestanden und für Frieden in Europa gesorgt hatte.“ Der britische Premierminister Benjamin Disraeli erklärte in einer berühmt gewordenen Rede vor dem Unterhaus im Februar 1871, die „deutsche Revolution“ habe eine „neue Welt“ geschaffen. „Das Gleichgewicht der Macht ist völlig zerstört worden“, sagte er. Der Politikwissenschaftler Hans Kundnani ist Senior Transatlantic Fellow des German Marshall Fund.

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Der Dreißigjährige Krieg verwüstete das Reich

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation war im 17. Jahrhundert nur noch ein brüchiges Gebilde, gefährdet von innen und außen. Während sich Frankreich zu einem territorialen Einheitsstaat entwickelte, erlebte das Reich mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) einen entscheidenden politischen und ökonomischen Rückschlag. Samuel Pufendorf, Professor für Naturrecht und Politik, beschreibt den Zustand des Reichs nach dem Westfälischen Frieden präzise: „Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als das deutsche Reich, wenn man es nach den Regeln der Wissenschaft von der Politik klassifizieren will, einen irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper zu nennen, der sich im Laufe der Zeit durch die fahrlässige Gefälligkeit des Kaisers, durch den Ehrgeiz der Fürsten und durch die Machenschaften der Geistlichen aus einer regulären Monarchie zu einer so disharmonischen Staatsform entwickelt hat, dass es nicht mehr eine beschränkte Monarchie, wenngleich der äußere Schein dafür spricht, aber noch nicht eine Föderation mehrerer Staaten ist, vielmehr ein Mittelding zwischen beiden.“

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Im 18. Jahrhundert beginnt die moderne Zeit

Das 18. Jahrhundert ist von den Zeitgenossen und später von Historikern als eine Epochenwende und als Beginn der modernen Zeit empfunden worden. Das Deutsche Reich war seit dem Dreißigjährigen Krieg in eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Territorien zersplittert und war in seiner Form weit von einem modernen Staat entfernt. Neben über dreihundert souveränen Territorien gab es eine Fülle von halbautonomen Gebieten und Städten, die eine kaum zu entwirrende Parzellierung des Reichsgebietes bewirkt hatten. Die Reichsgewalt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation lag zwar bis zum Jahr 1806 beim deutschen Kaiser, sie war aber auf ganz wenige Rechte beschränkt und hatte eine mehr symbolische Bedeutung. Die wichtigen politischen Entscheidungen lagen bei den Territorialstaaten, die ihre Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Landesverteidigung, Polizeigewalt und so weiter unabhängig von der Reichsgewalt ausübten.

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Das deutsche Drama stand ganz im Zeichen der Revolution

Den deutschen Dichtern gelang im Drama nicht, was den spanischen, englischen und französischen Schriftstellern beschieden war. Laut Reinhold Schneider war ihr Drama das späteste und problematischste. Er nennt einige Gründe dafür: den Humanismus und den Dreißigjährigen Krieg und das Abbrechen der Tradition volksgemäßer Dichtung. Die Deutschen haben allerdings in der Musik und in der lyrischen Dichtung einen ungleich reicheren und eigeneren Ausdruck als im Drama gefunden, das heißt in einer Kunst, die der eigentlich plastischen Gestaltung ferner ist und darum auch einen viel geringeren formgebenden Einfluss auf das Leben ausübt als das Drama. Für Reinhold Schneider liegt vieles vom Größten, was die Deutschen vollendet haben, verborgen oder verschüttet, beziehungsweise ist nur wenigen erreichbar. Der Schriftsteller Reinhold Schneider, geboren 1903 in Baden-Baden, gestorben 1958 in Freiburg/Breisgau, wurde 1956 mit dem Friedenspreis des Deutschen Bundhandels ausgezeichnet.

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Der älteste Feind des Menschen ist der Fremde

Für Alexander Mitscherlich ist es undenkbar, dass zwischen der menschlichen Aggressivität und den Kriegen in aller Welt kein kausaler Zusammenhang besteht. Als Beispiel nennt er die menschenverachtende Naziherrschaft im Dritten Reich, die der Verfolgung ihrer inneren Feinde den erklärten Eroberungskrieg gegen äußere Feindstaaten folgen ließ. Krieg ist für Alexander Mitscherlich eine eindeutige Form der kollektiven Aggression. Sobald sich allerdings eine historische Distanz zu einem Krieg herstellt, wird es für die Menschen in den allermeisten Fällen doch sehr fraglich, ob das erklärte Kriegsziel das Sterben des Einzelnen zu rechtfertigen vermochte.

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