Adolf Hitler propagiert die Einheit des deutschen Volkes

Dass es dem neuen Regime unter Adolf Hitler in weniger als einem Jahr gelungen war, einen vollständigen Systemwechsel vorzunehmen, der alle Elemente einer Revolution in sich trug, und dass diese Politik im offenbar überwiegenden Teil der Bevölkerung als außerordentlich erfolgreich angesehen wurde – dies war ein Vorgang von so enormer Wucht und emotionaler Intensität, dass er bereits von den Zeitgenossen in- und außerhalb Deutschlands als Epochenbruch empfunden wurde. Ulrich Herbert erklärt: „Der zentrale Begriff, unter dem die neue Regierung Hitler am 1. Februar 1933 ihr Programm gestellt hatte, war derjenige der Volksgemeinschaft.“ Die oberste Aufgabe der Regierung sei es, über Stände und Klassen hinweg die geistige und willensmäßige Einheit des deutschen Volkes wieder herzustellen. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Bertrand Russell stellt die moderne Ungewissheit an den Pranger

Bertrand Russell vertritt die These, dass es in der Weltgeschichte vier Arten von Zeitaltern gegeben hat. Epochen, in denen alle dachten, sie wüssten alles, Zeitalter, in denen niemand dachte, er wüsste etwas, Zeiten in denen kluge Leute dachten, sie wüssten viel, und dumme Leute, sie wüssten wenig, und Zeitalter, in denen dumme Leute dachten, sie wüssten viel, und kluge, sie wüssten wenig. Bertrand Russel fügt hinzu: „Die erste Art von Zeitalter zeichnet sich durch Stabilität aus, die zweite durch langsamen Verfall, die dritte durch Fortschritt, die vierte durch Katastrophen.“ Alle primitiven Epochen sind von der ersten Sorte, da niemand an der Stammesreligion, an der Weisheit alter Bräuche oder am Nutzen des Erntezaubers zweifelt. Deshalb sind alle glücklich, solange es keinen fassbaren Grund, als Beispiel nennt Bertrand Russell eine Hungersnot, zum Unglücklichsein gibt.

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Die Politik hat ihre Vorherrschaft an die Wirtschaft verloren

Die Welt erlebt nun seit einigen Jahren eine dreifache Krise. Thomas Seifert nennt sie beim Namen: „Eine Krise des Kapitalismus, die mit dem Beinahe-Kollaps der Weltwirtschaft nach dem Lehman-Pleite am 15. September 2008 offenbar geworden ist, eine Krise der westlichen (Parteien-) Demokratie, die die Probleme nicht lösen kann, und – durch die Verschiebung des Schwerpunkts des Globus von West nach Ost – eine Krise der Weltordnung, des Global Governance Systems.“ Die drei Krisen sind miteinander verwoben, bedingen und verstärken einander, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Wirtschaft hat die zentrale Funktion der Steuerung der Gesellschaft übernommen, die Vorherrschaft der Politik ist längst verloren. Die Wähler haben verstanden, dass die Politik das Gesetz des Handelns an die Ökonomie abgetreten hat, und strafen die politischen Akteure mit Ignoranz, Misstrauen, Totalverweigerung oder Anti-Politik. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Eine antieuropäische Welle droht Europa zu zerreißen

Europa ist ein Paradies für Propheten des Niedergangs. Heute streitet in Europa eine Generation von orientierungslos, kurzatmig zu zänkisch gewordenen Politikern ums Geld, verheddert sich im Dickicht des europäischen Institutionengeflechts und ist in den komplexen Prozessen der „Brüsseler Blase“ eingeschlossen. Thomas Seifert fügt hinzu: „Dieser „Brüsseler Blase“ ist der real existierenden europäischen Außenwelt entfremdet – … Weiterlesen

Die Abkehr vom Wachstum ist ein politisches Projekt

Mehr als je zuvor werden im Namen der Wirtschaftsentwicklung die Bevölkerungen ganzer Länder und ihr konkretes, lokales Wohlergehen auf dem Altar eines abstrakten, an keinen Ort mehr gebundenen Wohlstands geopfert. Serge Latouche stellt fest: „Wachstum ist heute nur rentabel, wenn seine Kosten auf die Natur, zukünftige Generationen, die Konsumenten, die Beschäftigten und vor allem die Länder des Südens abgewälzt werden.“ Deshalb ist seiner Meinung nach der Bruch mit der Wirtschaftsideologie notwendig. Aber genau das Gegenteil ist heute der Fall: Alle modernen Regime stützen sich auf die Steigerung der Produktivität. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich dabei um Republiken, Diktaturen oder totalitäre Systeme handelt. Serge Latouche ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paris-Sud. Der Ökonom und Philosoph gilt als einer der wichtigsten Vordenker des französischen Konzepts der Rücknahme des Wachstums.

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Der Staat handelt nicht immer im Interesse des Gemeinwohls

Ebenso wie die Märkte unterliegen auch staatliche Strukturen einer Dynamik, die nicht automatisch dazu führt, dass der Staat im Interesse des Gemeinwohls agiert. Gerhard Schick erklärt: „Auch staatliche Macht kann problematisch sein. Und gerade zurzeit wird der Staat von vielen Menschen als der „Staat der anderen“ wahrgenommen.“ Machtwirtschaft ist auch dem staatlichen Bereich nicht fremd. Denn die Strategie, mittels staatlicher Institutionen individuelle Interessen zu verfolgen, ist häufig lukrativ. Einer der für Gerhard Schick wichtigsten Ökonomen bei der Analyse machtwirtschaftlicher Strukturen ist Mancur Olson. Der Kern seiner Arbeit betraf Machtstrukturen in Markt und Staat und wie diese jegliche positive Entwicklung hemmen können. In seinem Werk „Die Logik des kollektiven Handelns“ beschreibt er, wie kleine Interessengruppen den Staat überaus effizient für ihre Belange einspannen. Der grüne Politiker Gerhard Schick zählt zu den versiertesten Ökonomen im Deutschen Bundestag.

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Die Europäische Union muss den Finanzkapitalismus zähmen

Die Konturen der pazifischen Epoche lassen sich bereits erahnen, denn das Schwergewicht der Weltwirtschaft wandert Richtung Osten. Das hat auch für Europa und die USA Auswirkungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht nur eine atlantische, sondern auch eine pazifische Macht. Thomas Seifert erläutert: „Die Westküste – bereits heute der Motor wirtschaftlicher Dynamik und Innovation in den USA – wird noch weiter an Bedeutung gewinnen.“ Ebenso könnten der Südosten und Osten Europas eines Tages von einer Landverbindung nach China profitieren, auch logistische Knotenpunkte könnten dort entstehen. Thomas Seifert fordert, das die Europäische Union (EU) eine eigenständigere Außenpolitik verfolgen muss, denn die USA und Europa haben in verschiedenen Regionen jeweils ihre eigenen Interessen. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Die Produktion von immer billigeren Gütern ist nicht möglich

Viele Menschen haben sich sicher schon einmal gefragt, wie es möglich ist, dass alles immer billiger wird. Michael Carolan gibt in seinem neuen Buch „Cheaponomics. Warum billig zu teuer ist“ eine einfache Antwort: „Es ist nicht möglich!“ Die Produkte und ihre Herstellung werden nämlich nicht billiger, ihre wirklichen Kosten werden nur immer besser versteckt. Der Autor beschreibt die ökonomische und soziale Sackgasse, in der sich die Gesellschaften des Westens mit dem Billigwahn verfangen haben. „Billig ist nichts als eine Illusion“, schreibt Michael Carolan. Anhand zahlreicher Beispiele von der Plastiktüte bis zur automobilen Gesellschaft erklärt er, wie der Billigkonsum und sein zerstörerisches System am Leben erhalten werden, und macht deutlich, dass höhere und gerechte Preise notwendig und möglich sind, ohne dass die Menschen auf Wesentliches verzichten müssen.

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Die Selbstbehauptung der inneren Wahrheit zeugt von Ehre

Zur ultimativen Aufklärung zählt Rotraud A. Perner nicht nur das Nachforschen, wer aus bestimmten Aktionen und Konstellationen welchen Gewinn ziehen will und wird, sondern auch, welche Werte damit verwirklicht werden. Manche Berufe verlangen von ihren Angehörigen Eide, mit denen sie sich darauf verpflichten, darauf zu achten, keinen Schaden anzurichten, Verschwiegenheit zu bewahren oder auch sich ihren Erziehungs- oder Fürsorgeunterworfnenen nicht sexuell zu nähern. Man spricht in diesen Fällen von Ethikrichtlinien oder auch von Standesehre. Ehre oder auch Würde sind heute aber vielfach als Werte verloren gegangen. Unter Ehre versteht Rotraud A. Perner nicht bloß als Anspruch auf Ehrerbietung oder Ehrungen, sondern als Kern der Selbstachtung und Selbstbehauptung der inneren Wahrheit. Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie. Eines ihrer aktuellen Bücher heißt „Die reuelose Gesellschaft“ und ist im Residenz Verlag erschienen.

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Wolfgang Kersting erklärt den Begriff der sozialen Gerechtigkeit

Mehr als zehn Jahre hat sich hat sich der Ökonom Friedrich August von Hayek intensiv damit befasst, den Sinn des Begriffs „soziale Gerechtigkeit“ zu ergründen. Dabei kam er zum Schluss, dass für eine Gesellschaft freier Menschen dieses Wort überhaupt keinen Sinn hat und nicht auf die Ergebnisse einer Marktwirtschaft angewendet werden kann. Gerechtigkeit hat für Friedrich August von Hayek nur einen Sinn als eine Regel für menschliches Verhalten. Wolfgang Kersting stellt klar, dass der Bergriff der sozialen oder distributiven Gerechtigkeit für Friedrich August von Hayek nur eine semantische Luftspiegelung beziehungsweise eine begriffliche Illusion darstellt. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Bei Kurt Tucholsky wächst die Verbitterung (10.Teil)

Auch wenn selbst heute noch immer wieder behauptet wird, man habe damals doch nicht wissen können, was Adolf Hitler bedeute … In allen politischen Lagern, von den Sozialisten bis zu den Konservativen, wurde seit 1929/30 auf die kommende Katastrophe hingewiesen, mit vielen Worten, aber ohne dieses Taten folgen zu lassen. Und Kurt Tucholsky befürchtete zu Recht, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Rechtsruck, auch mit den Nationalsozialisten, wollte, weil sie die Schmach von Versailles zu tilgen suchte und nach Revanche für den verlorenen Krieg strebte. Frankreich war und blieb der Erbfeind, allen politischen Sonntagsreden und Verträgen zum Trotz. Kurt Tucholsky stellte bitter fest: „Kerle wie Mussolini oder der Gefreite Hitler leben nicht so sehr von ihrer eigenen Stärke wie von der Charakterlosigkeit ihrer Gegner.“

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Ohne Otto von Bismarck hätte es kein Deutsches Reich gegeben

Die große Biographie von Ernst Engelberg über Otto von Bismarck wird von vielen Historikern und Politikwissenschaftlern als ein Meisterwerk deutscher Geschichtsschreibung bezeichnet. Ernst Engelberg, einer der bedeutendsten Historiker des 20. Jahrhunderts, schuf darin das faszinierende Bild einer einzigartigen Persönlichkeit und einer herausragenden politisches Werkes, das zuletzt allerdings Züge von Tragik annahm. Zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks liegt der Klassiker nun in einer aktualisierten und gekürzten Neuausgabe im Siedler Verlag vor. In seiner Biographie über Otto von Bismarck breitet Ernst Engelberg gleichzeitig vor seinen Lesern das breite Panorama einer Epoche und ihrer widerstreitenden Kräfte aus. Er beschreibt den Lebensweg Otto von Bismarcks, der mit der Schaffung des Deutschen Reiches letztlich jenes Altpreußen aufhob, dem er mit allen Wurzeln anhing und dem seine ganze Liebe gehörte.

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Der Politologe Ernst Fraenkel analysiert die Idee des Volkswillens

Ernst Fraenkel definiert die Repräsentation des Volkes wie folgt: „Repräsentation ist die rechtlich autorisierte Ausübung von Herrschaftsfunktionen durch verfassungsmäßig bestellte, im Namen des Volkes, jedoch ohne dessen bindenden Auftrag handelnde Organe eines Staates oder sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt, die ihre Autorität mittelbar oder unmittelbar vom Volk ableiten und mit dem Anspruch legitimieren, dem Gesamtinteresse des Volkes zu dienen und dergestalt dessen wahren Willen zu vollziehen.“ Ein idealtypisches repräsentatives Regierungssystem geht laut Ernst Fraenkel von der These eines vorgegebenen und objektiv feststellbaren Gesamtinteresses und der Hypothese aus, dass der Wille des Volkes auf die Förderung des Gesamtinteresses gerichtet sei. Man nennt dies den hypothetischen Volkswillen. In der politischen Realität allerdings ist jedes Repräsentativsystem bestrebt, den Ansichten der Volksmehrheit Rechnung zu tragen, soweit sich dies mit der Förderung des Gemeinwohls in Einklang bringen lässt.

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Kurt Tucholsky hält den Deutschen einen Spiegel vor (9.Teil)

Im Jahr 1929 schrieb Kurt Tucholsky das Buch „Deutschland, Deutschland über alles“. Darin lieferte er eine Art Bericht zur Lage der Nation und hielt den Deutschen einen Spiegel vor. Das Werk ist ein Rückblick auf zehn Jahre Republik, die sich beharrlich weigerte, wirklich demokratisch zu werden. In einem großen Rundumschlag rechnete er noch einmal mit jenem „Teutschland“ ab, das er hasste und stets bekämpft hatte. Das Buch stellt eine wütende Attacke gegen den Staat dar, der nur zufällig Republik ist, gegen diese negative Monarchie, in der immer noch der alte wilhelminische Geist herrscht und sowohl die reaktionäre Justiz als auch das revanchelüsterne Militär weiterhin überragende Machtfaktoren verkörperten. Kurt Tucholsky übergoss die deutschen Spießbürger und Moralapostel mit Hohn und Spott und sparte nicht mit Seitenhieben auf fast alle „heiligsten Güter“ des Bürgertums.

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Einzelinteressen und Gemeinwohl müssen einen Ausgleich finden

Was die meisten Menschen unter der sogenannten westlicher Demokratie verstehen ist laut Ernst Fraenkel weitgehend durch eine Angleichung englischen und französischen Staatsdenkens und staatlicher Institutionen der beiden Länder zustande gekommen. Das Bekenntnis zu einer solchen Form von Demokratie erfordert gleichermaßen die Anerkennung der Befugnisse der Bürger, ihre Interessen frei und ungehindert vertreten zu können, wie die Achtung der Rechte der Gesamtheit, den Vorrang des Gemeinwohls gegenüber allen Interessengruppen durchzusetzen. Ernst Fraenkel schreibt: „Die Aufdeckung der dialektischen Spannung zwischen Interessenpräsentation und volonté générale, das niemals endende Bemühen, mittels freier und offener Auseinandersetzungen einen Ausgleich zwischen diesen beiden Prinzipien herzustellen, bildet eines der kennzeichnenden Merkmale der westlichen Demokratie.“

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Risiken spiegeln menschliche Handlungen und Unterlassungen

Die Risikogesellschaft ist für den renommierten Soziologen Ulrich Beck im Gegensatz zu allen früheren Epochen wesentlich durch einen Mangel gekennzeichnet: nämlich der Unmöglichkeit externer Zurechenbarkeit von Gefahrenlagen. Die Gesellschaft von heute ist im Umgang mit Gefahren mit sich selbst konfrontiert. Ulrich Beck schreibt: „Risiken sind historisches Produkt, das Spiegelbild menschlicher Handlungen und Unterlassungen, Ausdruck hochentwickelter Produktivkräfte.“ Wo Risiken die Menschen beunruhigen, liegt der Ursprung der Gefahren nicht mehr im Äußeren, sondern in der historisch gewonnenen Fähigkeit der Menschen zur Selbstvernichtung der Reproduktionsbedingungen allen Lebens auf dieser Erde. Die Quellen der Gefahren sind nicht länger Nichtwissen, sondern Wissen. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Das Internet ist ein Schauplatz von Mobbing und Hetzkampagnen

So wie das Internet jetzt ist, versagt es. Die digitale Revolution hat laut Andrew Keen alles verändert. Seiner Meinung nach wird es nie wieder eine Zeit geben, in der die Menschen offline leben. Aber es wird die Zeit kommen, in der man sich nach einem Leben ohne Internet zurücksehnt. Mit „Internet“ meint Andrew Keen übrigens nicht Kabel, Geräte und Datenmengen, sondern die vernetzte Gesellschaft. Jeder ist davon betroffen, wobei sich die Entwicklung noch in einem Anfangsstadium befindet. Für Andrew Keen gibt es momentan drei Hauptprobleme. Erstens verschärft die digitale Revolution Ungleichheiten. Der Politikwissenschaftler Andrew Keen hält weltweit Vorträge und schreibt Bücher wie „Die Stunde der Stümper“ oder aktuell „Das Digitale Debakel“ (DVA). In der grenzenlosen Macht, im „Libertarismus“ sieht Andrew Keen eine Gefahr für die Freiheit und die Menschenwürde.

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Tucholsky sieht schon 1929 das kommende Dritte Reich (8. Teil)

Literaturkritiker bezeichnen das Jahr 1928 gerne als eine Art Scheitelpunkt im Leben Kurt Tucholskys. Voller Zorn rüttelt er noch einmal an den Grundmauern der politischen Gleichgültigkeit in Deutschland. Mit seinem Buch „Deutschland, Deutschland über alles“ entfacht er noch einmal einen Trommelwirbel auf den Sturmhelmen der Reaktion, muss aber dann auf einer ausgedehnten Lesereise durch Deutschland erkennen, dass all seine Bemühungen vergeblich waren. Es war die verheerende Mischung aus Mittelmäßigkeit und Ratlosigkeit, dumpfer Gleichgültigkeit und lammfrommer Anpassungsbereitschaft breiter Bevölkerungsschichten, gepaart mit dem stillen oder offenen Verlangen nach Revanche für den Versailler Vertrag, die Kurt Tucholskys Meinung nach Deutschland zerstörte. Seine damalige Stimmung beschreibt er wie folgt: „Um mich herum verspüre ich ein leises Wandern. Sie rüsten zur Reise ins Dritte Reich.“

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Das Römische Imperium wurde von zwei Konsuln regiert

Ursprünglich war Rom eine Republik und keine vollständige Demokratie. Vom 16. bis 60. Lebensjahr hatte jeder männliche Bürger den Einberufungen zum Kriegsdienst zu folgen. Lediglich wer gar keinen Besitz hatte, wurde in der Epoche des Römischen Imperiums nicht einberufen. Politische Ämter konnte nur derjenige übernehmen, der mindestens zehn Jahre gedient hatte. Die Patrizier und die reichsten Ritter bildeten die sogenannten beiden „Orden“. Dreihundert Männer aus diesen Geschlechtern bildeten auf Lebenszeit das Oberhaus, den Senat, der über Bündnisse, Finanzen, Rechtsprechung und den Krieg entschied. Der dritte Stand, die Plebs, trat nach Einberufung durch einen Konsul oder Tribun in der Volksversammlung zusammen und stimmte entweder für oder gegen bestimmte Senatsvorlagen. Das Volk versammelte sich entweder in Stimmbezirken nach dem Besitzstand oder nach Wohnvierteln. Die Besitzlosen waren in wenigen Stimmbezirken zusammengefasst.

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Frankreich verdankt Kurt Tucholsky seine besten Jahre (6. Teil)

Schon lange war Frankreich das Land der Sehnsucht von Kurt Tucholsky. Es verkörperte für ihn die Nation der Aufklärung und der großen Revolution von 1789, die Nation der Demokratie und der republikanischen Freiheit, die Nation der Literatur und des Cabarets, des Chansons und des Theaters. Es war für ihn ein Land, in dem geistig Arbeitende ruhig, zufrieden und halbwegs geachtet leben konnten. Und dorthin wollte er als eine Art „Auslandskorrespondent für kulturelle Angelegenheiten“. Das Gehalt der „Weltbühne“ von 650 Mark hätte dazu allerdings nie gereicht, denn allein seine Wohnung in Fontainebleau kostet 300 Mark im Monat. Kurt Tucholsky muss sich also zusätzliche Verdienstmöglichkeiten erschließen. Über gute Beziehungen erhält den Auftrag für das Feuilleton der „Vossischen Zeitung“ Glossen und Beobachtungen aus Paris zu schreiben.

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Die Geschichte Deutschlands ist im 20. Jahrhundert zweigeteilt

In Deutschland ist das 20. Jahrhundert von zwei Weltkriegen, einer gescheiterten Demokratie, der Hitler-Diktatur und dem Holocaust geprägt. Und vierzig Jahre war Deutschland ein geteiltes Land. Wer dagegen heute von Deutschland spricht, denkt unter anderem an den Sozialstaat, Wohlstand, Liberalisierung, Globalisierung, eine erfolgreiche Demokratie und die längste Friedensperiode in der europäischen Geschichte. Das Projekt Europa ist für Deutschland der einzige gangbare Weg der Gegenwart, aber die deutsche Geschichte bleibt dennoch im Nationalen verwurzelt. Ulrich Herbert erklärt, warum das so ist. Das hat seinen guten Grund, denn persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Traditionen beziehen sich in allen europäischen Ländern, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, nach wie vor zuerst auf das Land, aus dem man kommt und in dem man lebt. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Kurt Tucholsky wird als Autor für das Kabarett berühmt (5. Teil)

Kurt Tucholsky beschreibt sich selbst als immer Suchender ohne festgeprägtes Weltbild, als nie zufriedener Aufklärer, angetrieben vom ewigen Imperativ Gerechtigkeit und Freiheit. Weder das marxistische System noch die pragmatische Variante der „Formaldemokratie“ was sein Ziel, sondern ein Kulturstaat im Sinne von Johann Gottlieb Fichte und Ferdinand Lassalle. Freiheitliches Ethos, Sozialreform, das Gefühl der Gemeinschaft, internationale Friedenspolitik und kulturelle Entwicklung waren die Grundpfeiler dieser Demokratievorstellung mit einer liberal-aristokratischen Tendenz. Linksintellektuelle wie Kurt Tucholsky waren keine Politiker, sondern sozial abwägende Ethiker. Das Primat der Ethik steht dabei über allen gesellschaftlichen Realitäten. Kurt Tucholsky fragt beispielsweise: „Habt ihr nicht mehr den Mut, das Ideal zu fordern, als sei es erreichbar?“ Theodor Herzl stellt schon 1895 fest: „Die Macht einer Idee besteht darin, dass es vor ihr kein Entkommen gibt.“

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Wolfgang Streeck hat dem Kapitalismus nie über den Weg getraut

Wolfgang Streeck ist einer der bedeutendsten Sozialforscher Deutschlands. Der Zusammenbruch der Lehman-Bank am 15. September 2008 hat aus ihm einen enttäuschten Pessimisten gemacht, der zuvor nur als Skeptiker von sich reden machte. Kein anderer Sozialwissenschaftler außerhalb der Wirtschaftswissenschaften hat sich in seinem Leben so intensiv mit dem Kapitalismus beschäftigt wie Wolfgang Streeck. Er hat dieses Wirtschaftssystem immer kritisch betrachtet und ihm eigentlich nie über den Weg getraut. Wolfgang Streeck behielt immer die Sorge, dass, wenn man nicht aufpasst, Demokratie und Gesellschaft von den Märkten beschädigt werden und die Wirtschaft deshalb in die Gesellschaft eingebettet bleiben müsse. Ein reiner Markt ohne soziale und politische Kontrolle und Korrektur, so Wolfgang Streecks Befürchtung, fliegt am Ende selbst den bedingungslosen Anhängern des Marktes um die Ohren.

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Der Schriftsteller Siegfried Lenz prägt die Nachkriegszeit

Der große deutsche Schriftsteller Siegfried Lenz, der am 7. Oktober 2014 im Alter von 88 Jahren gestorben ist, hatte sich die Haltung des französischen Existentialisten, Philosophen und Literaturnobelpreisträgers Albert Camus (1913 – 1960) zu eigen gemacht: „Du musst dein Leben rechtfertigen.“ Verpflichtung und Antrieb für Siegfried Lenz waren, wie der bekannte, auch Schuldgefühle, nämlich den Zweiten Weltkrieg überlebt zu haben, während viele Altersgenossen auf den Schlachtfeldern bestialisch getötet wurden. Neben den Literaturnobelpreisträgern Günter Grass und Heinrich Böll zählte Siegfried Lenz zu den prägenden Schriftstellern der Nachkriegszeit. Die eigenen Erlebnisse im Dritten Reich und das als Marinesoldat erlebte Leid blieben ihm Zeit seines Lebens ein Quell seiner schriftstellerischen Arbeit und für sein politisches Zeugnis. Zu den Herzensanliegen des gebürtigen Ostpreußen gehörten die Versöhnung mit Israel und Polen.

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Arthur Schopenhauer verfügte über eine enorme Originalität

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) ist für Vittorio Hösle einer der größten Stilisten unter den deutschen Philosophen. Wo Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) nur sprachgewaltig ist, ist Arthur Schopenhauer zugleich unübertrefflich klar und elegant. Vittorio Hösle rät jedem, der deutsch zu schreiben wagt, seinen Essay „Über Schriftstellerei und Stil“ zu lesen. Vittorio Hösle fügt hinzu: „Sein phänomenologischer Blick ist durchdringend, die Fülle seiner Interessen ähnlich enzyklopädisch wie bei Hegel, sein architektonisches Talent beim Systembaubeachtlich.“ Die Originalität Arthur Schopenhauers ist enorm. Er ist es, der die seit den Griechen bestehende Logosphilosophie radikal herausgefordert hat, ohne auf die flache und ebenfalls seit der Antike vertraute Alternative des Materialismus zu verfallen. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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