Gefahren lassen sich in zwei Kategorien einteilen

Die negative Freiheit ist robust und kann die individuelle Freiheit gegen Gefahren schützen. Die Vorstellung eines unangreifbaren Freiheitsraums des Individuums, so merkt Charles Taylor an, mutet wie die Errichtung einer Barriere gegen den Totalitarismus an. Die von Isaiah Berlin Ende der 1950er-Jahre geschilderten Gefahren lassen sich laut Katia Henriette Backhaus in zwei Kategorien einordnen. Erstens entsteht eine Gefährdung der Freiheit, sobald die metaphysische Annahme einer „höheren Instanz“ gemacht wird, die naturgemäß Unterwerfung verlangt. Die andere Gefahr ist weniger schillernd, aber politisch nicht weniger wirkmächtig. Nämlich die Verwechslung von Freiheit mit anderen politischen Werten wie Sicherheit oder Anerkennung. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main im Bereich der politischen Theorie promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

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Der Individualismus hat alle gleich gemacht

Das Zeitalter des ersten Individualismus erstreckte sich von 1800 bis in die 1960er Jahre. Es handelt sich dabei um jenen paradoxen Individualismus, der alle gleich gemacht hat. Isolde Charim erklärt: „Damals bedeutete Individualismus Abstraktion von Herkunft, Abstraktion von sozialer Stellung, Abstraktion von partikularen Bestimmungen. So entstand das >Individuum des Universellen<, wie Pierre Rosanvallon es nennt – die Grundlage des demokratischen Subjekts als Wähler, als juristisches Subjekt.“ Jenes Subjekt, das sich über die Abstraktion, über das Absehen von seinen konkreten Bestimmungen vergesellschaftete. Individualismus bedeutete also nicht Vereinzelung, sondern Eintritt als abstrakt Gleicher, als Citoyen in die Gesellschaft. Es war dies aber auch die Grundlage des nationalen Typus, der dem Einzelnen eine Gestalt angeboten hat. Das war eine allgemeine Gestalt jenseits seiner ganz individuellen, partikularen Bestimmung. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Man muss ein schlechtes Leben mehr fürchten als den Tod

Im Titelthema geht das neue Philosophie Magazin 01/2020 der Frage nach „Wofür es sich zu leben lohnt“. Was erfüllt das Dasein mit Sinn? Ist es die Verantwortung für das Morgen oder die Intensität des Jetzt? Antworten auf diese Fragen geben namhafte Denker und Denkerinnen wie Robert Pfaller, Barbara Vinken, Markus Gabriel oder Dieter Thomä und viele andere. Ihre Beiträge schärfen den Blick für das, was wirklich zählt. Viele Menschen ziehen die Bilanz ihres Lebens leider erst dann, wenn es schon zu spät. Läge es nicht näher, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu einem Gradmesser von Gegenwart und Zukunft zu machen. Dadurch ist man gegen spätere Gefühle der Reue weitestgehend geschützt. Der Philosoph Søren Kierkegaard unterscheidet eine ästhetische, auf Selbstgenuss und Sinnlichkeit ausgerichtete Existenz, die sich auf das Hier und Jetzt konzentriert. Und eine ethische, die sich der Verantwortung – und damit eher der Zukunft – verschreibt.

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Johann Gottfried Herder prägte die europäische Ideengeschichte

Terry Eagleton ist davon überzeugt, dass der deutsche Philosoph Johann Gottfried Herder ein Autor war, dessen Bedeutung für die Ideengeschichte kaum zu überschätzen ist: „Er war einer der erste historistischen Denker mit einem wachen Sinn für die geschichtliche Bedingtheit von Kulturen, Texten, Ereignissen und Individuen. Man hat diesen Ansatz als eine der großen intellektuellen Umwälzungen des europäischen Denkens bezeichnet.“ Darüber hinaus wurde er als Vater des modernen Nationalismus gepriesen und sogar gerühmt, den Begriff der Kultur als umfassende Lebensweise in das europäische Denken eingeführt zu haben. Und als ob das noch nicht alles eindrucksvoll genug wäre, war Johann Gottfried Herder auch einer der Begründer der modernen Literaturtheorie sowie einer der ersten Denker, der die Bedeutung der Populärkultur für das soziale Leben erkannte. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Die geistige Unabhängigkeit ist die Voraussetzung für politische Freiheit

Derjenige Mensch, der in Unverständnis verharrt, lebt in tiefster Sklaverei. In seinem Werk „Versuch über den menschlichen Verstand“ leistete John Locke einige seiner folgenreichsten Beiträge zur Befreiung des Menschen. Der kanadische Politikwissenschaftler und Philosoph Charles Taylor weist darauf hin, dass der ganze Essay gegen diejenigen gerichtet ist, die anderen Vorschriften machen wollen, indem sie trügerische und vermeintlich über jeden Zweifel erhabene Grundsätze anwenden, wie beispielsweise die angeblich angeborenen Prinzipien. Matthew B. Crawford erklärt: „Gemeint sind die Priester und Scholastiker, die Bewahrer einer verkalkten aristotelischen Tradition. Ungeachtet der Reformation waren politische und kirchliche Autorität in John Lockes Zeit eng verwoben und hingen voneinander ab.“ Folglich war die geistige Unabhängigkeit Voraussetzung für die politische Freiheit. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Die Kernfrage der Philosophie lautet: „Wie soll man leben?“

Der kanadische Philosoph Charles Taylor ist ein globaler Denker. In seinen Werken, die von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Ludwig Wittgenstein inspiriert sind, verbindet sich Ideengeschichte mit aktueller Gesellschaftsanalyse, Metaphysik mit konkreten Gesetzesvorlagen. Im Zentrum der Philosophie von Charles Taylor steht immer die Frage, was ein modernes Ich im Innersten zusammenhält. Charles Taylor zählt zu den bedeutendsten Philosophen unserer Zeit und ist gleichzeitig praktizierender Katholik. Für ihn gibt es zwei Weisen, sich zu einer Religion zu bekennen: „Die erste beruht darin, gewisse Lehrsätze für wahr zu halten und sich nach ihnen zu richten. Die andere, sie ist im Christentum besonders traditionsreich, beschreibt das religiöse Leben als einen Weg oder eine Reise – und den Gläubigen als einen Suchenden.“

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