Immanuel Kant revolutioniert die Philosophie

Die Sonderausgabe des Philosophie Magazins ist diesmal Immanuel Kant gewidmet. Der Philosoph, dessen Geburtstag sich am 22. April zum 300. Mal jährt, gehört zu den bedeutendsten Denkern der Philosophiegeschichte. Der israelische Philosoph Omri Boehm versteht Kant, entgegen der gängigen Klischees, als einen Philosophen des Ungehorsams, gar als Anarchisten. Er sagt: „Die wichtigste Erkenntnis Kants ist, dass es Autorität – im Gegensatz zu Macht – nur geben kann, wenn die Vernunft in der Lage ist, sich selbst ihre eigenen Regeln zu geben.“ Dadurch wird jede von außen kommende Autorität abgelehnt. Denn äußere Autorität und Autonomie schließen sich in gewisser Weise aus. Laut Omri Boehm besteht Immanuel Kants wichtigstes Vermächtnis darin, den Universalismus durch die Freiheit und nicht durch Gott oder die Natur zu begründen – im Zusammenhang mit der Menschenwürde.

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Die Deutschen sind liberaler und friedlicher geworden

Innerhalb der letzten 30 Jahren sind die Mehrheit der Deutschen und der übrigen Welt deutlich fürsorglicher, liberaler und friedlicher, kurz: progressiver geworden. Dieser Wandel veranschaulicht allerdings nicht, warum am rechten Rand der deutschen Parteienlandschaft eine Lücke aufgeklafft ist. Diese besetzt jetzt eine neue Partei, die Alternative für Deutschland (AfD). Philipp Hübl blickt zurück: „Fast alle Länder und Kulturen haben in den letzten Jahrhunderten eine Entwicklung vom kollektivistischen Stammesmodell zu modernen Gesellschaftsnormen durchgemacht.“ Die Menschen legen mehr Wert auf Individualismus und universelle Gesetze, sodass der moralische Kompass immer weniger in Richtung Autorität und Loyalität ausschlägt. Fairness und Freiheit rückt in den Vordergrund, wie der amerikanische Anthropologe Alan Fiske zeigt. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Stammesmentalität hindert oft beim klaren Denken

Menschen denken in Gruppen und drehen in Gruppen durch. Doch um wieder zu Sinnen zu kommen, ist jeder auf sich gestellt. Philipp Hübl weiß: „Unsere Stammesmentalität hindert uns oft am klaren Denken.“ Mit der progressiven Revolution legen viele Menschen insgesamt weniger Wert auf Autorität und Loyalität und sind dadurch weltweit weniger kollektivistisch. Doch gerade im Internet kann man eine „Retribalisierung“ beobachten, nämlich die Ausbildung moderner Stämme und die Radikalisierung der Etablierten. Es kämpfen neue Rechte gegen alte Linke, Veganer gegen Fleischesser, Fahrradfahrer gegen Autofahrer, Impfgegner gegen Naturwissenschaftler, Gläubige gegen Atheisten. Denn wer aus dem Blickwinkel seiner Stammesidentität lange genug hinschaut, entdeckt immer irgendwo Nachteile für die eigene Gruppe und moralische Verstöße bei den anderen Gruppen. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Freie Märkte fördern Ungleichheiten

Nur eine naive Verteidigung des freien Marktes verlässt sich vollständig auf dessen selbstheilende Kräfte. In Wahrheit pflegen in dem sich selbst überlassenen Markt außer Ungleichheit vor allem Oligopole, Monopole und Kartelle zu entstehen. Dadurch wird der Wettbewerb geschwächt und das Gegenteil des freien Marktes erreicht wird. Die Verbesserung der Produkte lässt nach, stattdessen steigen für die Konsumenten die Preise und für die Unternehmen die Gewinne. Derartige Verzerrungen des Wettbewerbs sind laut Otfried Höffe paradoxerweise von der ökonomischen Rationalität her gegeben. Denn unter der Voraussetzung der entsprechenden Macht erzielt man entweder mit gleichen Mitteln einen größeren Profit oder erreicht denselben Profit mit geringerem Einsatz. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Das Wissen hat die Welt zum Besseren verändert

Der Glaube und das Wissen verlangen im Rahmen der notwendigen Autorität die absolute Unterwerfung der Menschen. Ein Hinterfragen der „Wahrheiten“ ist oft nicht erwünscht. Ille C. Gebeshuber stellt fest: „Natürlich hat das System Wissen dem System Glauben, das Gott in den Mittelpunkt stellt, einiges voraus.“ Die Einführung des auf der Natur aufbauenden wissenschaftlichen Systems erlaubte nicht nur die Schaffung einer gesicherten Wissensbasis, sondern auch die Vernetzung des Wissens. Die gesellschaftliche Entwicklung, die auf diesem Wissen aufbaute, führte zum Umdenken der Renaissance. Das Interesse der Menschen an ihrem Umfeld wuchs, und wer um die Dinge weiß, den kümmern sie. Das Wissen hat, durch den mit ihm zusammenhängenden Humanismus, die Welt zum Besseren verändert. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Freiheit ist tief im Leben verankert

Verschiedene Freiheitsaspekte sind für die Moderne wesentlich. Dazu zählt die Gedankenfreiheit, die jenseits von Autoritäten selbst zu denken erlaubst. Sie beschert als Freiheit von Wissenschaft und Forschung diesen eine nie nachlassende Blüte. Und jene Freiheit der Person, die sich mit den anderen Freiheitsbereichen, etwa der sozialen und politischen Freiheit, nicht zufriedengibt, sondern eine „Willensfreiheit“ innere Freiheit meint. Otfried Höffe fügt hinzu: „Zu den Merkwürdigkeiten unserer Zeit gehört, dass sich die erstgenannte Freiheit gegen die zweite wendet. Denn im Rahmen der Forschungsfreiheit werden gegen die Annahme der inneren, personalen Freiheit Einwände laut.“ Zunächst sind es Philosophen, später Einzelwissenschaftler, die sich der Annahme, der Mensch sei frei, widersetzen und die personale Freiheit rundum leugnen. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Christopher Clark kennt die Formen der Macht

Natürlich ist nicht jede Form von Macht gleich Regierungsgewalt. Doch der Aufstieg und/oder Niedergang von Regierungen zählt zu den zentralen europäischen Geschichten über Macht. Max Weber erkannte in den Beamten die Inhaber eines „Monopols legitimer, physischer Gewaltsamkeit“. Christopher Clark ergänzt: „Es kann zu einer Konzentration der Macht in Regierungen, Staaten und Bürokratien kommen, aber sie kann sich auch wieder zerstreuen.“ Einst gab es eine Welt, in der die gesamte Macht in Gestalt lokal begrenzter persönlicher Adelsherrschaft ausgeübt wurde. Aufgrund der Notwendigkeit, die Auswüchse ausbeuterischer und gewaltsamer Formen lokaler Herrschaft einzudämmen, entwickelten sich neue Regierungsformen. Das Beharren auf den Adelsprivilegien verdrängte die „Anerkennung eines kollektiven Interesses“. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine`s College in Cambridge.

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In der Zeitung begegnet die Gesellschaft sich selbst

Die Bedeutung der Medien für die Demokratie, insbesondere der Druckmedien, ist bekannt und im Prinzip unbestritten. Seit einiger Zeit findet in der Medienwelt zwar ein Strukturwandel statt. Denn „Meinungen„ bilden sich zunehmend mehr in den neuen sozialen Medien. Mit einer Prise Optimismus darf man noch immer die Zeitung das Medium nennen, „in dem sich die bürgerliche Gesellschaft selbst begegnet, die Sphäre, in der sich Politik, Ökonomie und Kultur spiegeln“. Die für die Öffentlichkeit unverzichtbaren Medien sind nicht bloß ein Forum, auf dem Interessen und Meinungen zu Wort kommen. Otfried Höffe ergänzt: „Sie sind auch eine Arena, in der um Einfluss und Macht gestritten wird. Darüber hinaus sind sie eine kritische Instanz, vor der sich die gesamte Politik, einschließlich der Gerichtsbarkeit, zu rechtfertigen hat.“ Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Der Begriff Macht ist sehr schwer zu fassen

Macht ist das Thema der Geschichtsschreibung, dem man fast überall begegnet, das aber zugleich am schwersten zu fassen ist. Christopher Clark erläutert: „Machtfragen stehen im Zentrum der meisten historischen Narrative. Doch der Begriff selbst wird selten hinterfragt oder analysiert.“ Das Wesen der Macht ist begrifflich so weitreichend und unergründlich aufgebläht, dass man instinktiv dazu neigt, das Wort im Plural zu gebrauchen. „Macht“ ist keine Eigenart, die man Gruppen oder Einzelpersonen zuschreiben kann. Vielmehr drückt sich darin eine Beziehung untereinander aus. Folglich ist Macht weder eine substantielle Entität, noch eine Institution. Michel Foucault lehnte es ab, den Begriff unter einer separaten Rubrik zu behandeln. Sondern er bettete seine Überlegungen in eine Analyse der spezifischen institutionellen und disziplinarischen Kontexte und Praktiken ein. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine`s College in Cambridge.

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Taten haben den Charakter der Offenbarung

Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel sind das „Wer“, auf das man Bezug nimmt, um seine Handlungen zu rechtfertigen, jene Menschen, die gewohnheitsmäßig eine ähnliche Form des ethischen Lebens führen wie man selbst – eine kulturelle Hilfsvorrichtung, die sich im Lauf der Zeit entwickelt hat und einen sinnvollen Rahmen für die eigenen Aktivitäten darstellt. Matthew B. Crawford erklärt: „In einer solchen Welt haben Taten einen Offenbarungscharakter. Sie sprechen für sich, und zwar deswegen, weil sie sich an andere richten oder womöglich von anderen aufgenommen werden, die in derselben Kultur leben, in der die Taten mehr oder minder feststehende Bedeutungen haben.“ Das bedeutet jedoch, dass in Zeiten kultureller Veränderlichkeit und Ungewissheit, in denen keine Klarheit über die Regeln besteht, das soziale Verständnis für die individuelle Handlungsmacht auf eine grundlegende Schwierigkeit stößt. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Viele Menschen glauben an eine Führerfigur

Im Unterschied zur traditionellen Auffassung, dass Autorität in Gott begründet liegt, sowie in Immanuel Kants Überzeugung, dass der Mensch selbstständig denken muss, glauben viele Menschen, dass Autorität am besten von einer Führerfigur ausgehen sollte. Paul Verhaeghe stellt fest: „Den Glauben an einen großen Anführer, der aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften (er ist weise und gerecht) die Befehlsgewalt erwirb oder zumindest bekommt, gab es zu allen Zeiten.“ Die Idee geht zurück auf Platons Philosophenkönig, doch der wichtigste Impuls ging von Thomas Hobbes aus. Nach ihm legt Jean-Jaques Rousseau eine sehr eigene Interpretation des Gedankens vor. Und in Deutschland plädierte zu Beginn des vorigen Jahrhunderts seinerseits Max Weber für eine charismatische Führerschaft. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Ohne Mündigkeit droht die Entmenschlichung

Ulf Poschardt klagt an: „In der Erziehung kommt der mündige Einzelne zu kurz.“ Auch das versteht Theodor W. Adorno als etwas sehr Deutsches. In der Bildung scheinen Autonomie und Mündigkeit oft das Ideal zu sein. Aber zu oft sind Autorität und Bindung die Realität. Mündigkeit durch Bildung lässt sich nur in einer freien Gesellschaft vermitteln. Theodor W. Adorno versteht Bildung auch als eine Art Immunisierung gegen den Drang zum Kollektiv. Denn beim Aufgehen in einem Kollektiv kommt es zum Verlust der Mündigkeit und Autonomie. Theodor W. Adorno schreibt: „Menschen, die blind in Kollektive sich einordnen, machen sich selbst schon zu etwas mit Material, löschen sich als selbstbestimmte Wesen aus.“ Ohne Mündigkeit droht die Entmenschlichung. Für Ayn Rand war das Individuum „the smallest minority on earth“. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Die Autoritären sehnen sich nach Stärke

Die Wähler von rechtspopulistischen Parteien hegen eine besondere Faszination für autokratische Führungspersönlichkeiten. Dazu zählt Philipp Hübl den Russen Wladimir Putin, den Ungarn Viktor Orbán und den Türken Recep Tayyip Erdoğan. Die Alternative für Deutschland (AfD) lehnt zwar den Internationalismus und damit oft auch den Amerikanismus ab. Sie bewundert aber gleichzeitig Donald Trump für sein autoritäres Auftreten. Einige Forscher beobachten bei den Neuen Rechten eine heimliche Eifersucht gegenüber den islamisch regierten Ländern. Diese sind zwar ihre erklärten Feinde, aber mit ihrer streng patriarchalischen Gesellschaftsform haben sie dennoch eine Vorbildfunktion inne. Die Autoritären sehnen sich nicht nur nach einem starken Herrscher, sondern auch nach einer starken eigenen Nation. Diese sollte auf jeden Fall internationale Bedeutung haben. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Der Kapitalismus hat seine Wuzeln im Protestantismus

Geld bedeutet heute eigentlich nichts, außer man glaubt daran. Ursprünglich waren die Menschen der Ansicht, ein Silber- oder Goldstück enthalte eine geeichte Menge Silber oder Gold. Später glaubten sie, ein Geldschein könne in Gold eingetauscht werden, weil jedes Land in seiner Staatsbank genügend Goldvorräte habe. Paul Verhaeghe ergänzt: „Heute geht es um den Glauben, dass Banken, Staaten und Institutionen ihre Schulden zurückzahlen können.“ Die Macht des Geldes liegt wie diejenige der Autorität auf dem Glauben an eine externe Grundlage. Früher war das eine greifbare Garantie, nämlich die nationale Goldreserve. Heute basiert sie auf Kreditwürdigkeit. Der Glaubensaspekt beschränkt sich nicht nur auf das Geld, sondern betrifft die gesamte Ökonomie des freien Marktes an sich. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Jeder Mensch sollte selber denken

Die kosmopolitische Erziehung findet laut Immanuel Kant in vier Stufen statt. Sie beginnt erstens mit einer Vorstufe, der Disziplinierung, setzt sich in zwei Hauptstufen, zweitens der Kultivierung und drittens der Zivilisierung, fort. Sie endet viertens in der entscheidenden, eben kosmopolitischen Erziehung, die auf die Moral abzielt. Otfried Höffe erklärt: „Dass Immanuel Kant die Erziehung letztlich auf die Moral ausrichtet, wird man von ihm, dem großen Moralphilosophen, erwarten. Bemerkenswerter sind daher die anderen drei Stufen. Diejenige der Erziehung will er nicht auf eine einzige Aufgabe, die Moral, verpflichten: Lediglich ein Moralwesen soll der Mensch nicht werden.“ Um Missverständnissen der zweiten Stufe zu entgehen, ist Immanuel Kants engerer Begriff der Kultivierung zu beachten. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Willkürliche Machtausübung bedroht die Freiheit

Wenn man über Freiheit spricht, ist das, wovon man sich befreien will, ein bewegliches Ziel. Heutige Konservative mit intellektuellen Neigungen bezeichnen sich oft als „klassische Liberale“. Ihre Vorstellung von der menschlichen Freiheit wurde von John Locke und den Begründern des modernen Liberalismus geprägt. John Locke baute seine politische Argumentation auf dem Konzept der Freiheit auf. Sein Einfluss ging weit über die politische Sphäre hinaus. Sie prägt bis heute das Ideal einer Autonomie, die für den modernen Menschen zur zweiten Natur geworden ist. Matthew B. Crawford stellt fest: „Lockes Neudefinition der Politik machte eine Neudefinition der menschlichen Natur sowie der Stellung des Menschen in der Welt erforderlich. Letzten Endes musste er neu definieren, wie wir die Welt begreifen.“ Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Die Wahrheit bestimmten die Autoritäten

Adam Smith war Teil einer großen intellektuellen Bewegung im späten 18. Jahrhundert, der sogenannten Aufklärung. Diese hat man oft mit der naturwissenschaftlichen Revolution in Verbindung gebracht. Joseph Stiglitz weiß: „Sie beruhte auf Bewegungen, die in den vorangegangenen Jahrhunderten aufgekommen waren, beginnend mit der protestantischen Reformation.“ Vor der Reformation im 16. Jahrhundert, ursprünglich von Martin Luther angestoßen, war die Wahrheit etwas, was nur die Autoritäten bestimmten. Die Reformation stellte die Autorität der katholischen Kirche infrage. Und in einem 30-jährigen Krieg, der um 1618 begann, kämpften die Europäer auch darum, welche der beiden Konfessionen fortan auf dem Kontinent vorherrschen sollte. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Autorität gibt der Gesellschaft eine Struktur

Wer Macht hat, hat das Sagen. Diese Verbindung spiegelt sich laut Philipp Hübl in den Metaphern wider, mit denen man über Macht spricht. Wer „gehorcht“, der hört auf jemanden. Und wem etwas „gehört“, der hat Verfügungsgewalt darüber. Die etymologische und inhaltliche Nähe zwischen hören, gehören und gehorchen findet sich in vielen indogermanischen Sprachen. Nur wenn jemand Ansagen macht, hat eine arbeitsteilige Gruppe oder Gesellschaft eine Struktur. Genau das regelt das Prinzip der Autorität. Schon John Stuart Mill hat im Jahr 1859 festgestellt, dass neben Fortschritt auch Ordnung und Stabilität Grundbedürfnisse des Menschen sind. Mill zählte zu den Gründervätern des Liberalismus. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Philipp Hübl erkennt einen Bruch zwischen Stadt und Land

Überall auf der Welt tun sich die gleichen Brüche auf. Die jungen und progressiven Städter wollen Freiheit und Offenheit. Dagegen sehnt sich die konservative, eher ältere Landbevölkerung nach Autorität und Tradition. Bei vielen Wahlen der letzten Jahre war dies der Fall. Beim Brexit wollten beispielsweise die jungen Londoner in der Europäischen Union bleiben, die alten Bauern aus Wales hingegen austreten. Philipp Hübl nennt ein weiteres Beispiel: „In den USA wählten vor allem die Alten im Mittleren Westen Donald Trump, die Jungen in den Küstenstädten stimmten für Hillary Clinton.“ Bei den Wahlerfolgen der Rechtspopulisten in Frankreich, Deutschland und Österreich im Jahr 2017 war der Bruch zwischen Stadt und Land nicht anders. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Die Demokratie kann niemals vollständig realisiert werden

Als politische Ordnung will die Demokratie möglichst vielen Menschen möglichst viel Gleichheit bieten. Doch zugleich will sie der individuellen Freiheit eines jeden Rechnung tragen. Paul Verhaeghe ergänzt: „Im Streben nach und womöglich im Erzwingen von Gleichheit wird dem Individuum jedoch Gewalt angetan. Umgekehrt wird durch das Respektieren von Individualität die Gleichheit angegriffen.“ Jacques Derridas pragmatische Schlussfolgerung lautet, dass Demokratie niemals vollständig realisiert werden kann, es geht ausschließlich immer um eine kommende Demokratie. Sie kommt in Etappen und ohne einen definitiven Endpunkt. Demokratisierung ist nach wie vor „work in progress“, ein Prozess, bei dem man vor allem das Ziel vor Augen haben muss. Das Ziel ist, dass der „demos“, das Volk sich selbst regiert. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Autorität funktioniert durch freiwillige Unterwerfung

Die Suche nach dem Ursprung von Autorität führt laut Paul Verhaeghe zu keiner überzeugenden Antwort. Sämtliche Versuche laufen ins Leere und haben sogar den entgegengesetzten Effekt. Am erhellendsten beschreibt dies Hannah Arendt. Autorität beruht ihrer Meinung nach auf einer externen und höheren Instanz, von der man die Befehlsgewalt beziehen kann, die sie einem jedoch auch wieder entziehen kann. Das „Höhere“ bewirkt, dass Autorität nach einer Pyramidenstruktur funktioniert. Wer am oberen Ende der Pyramide steht, ist dem Allerhöchsten am Nächsten und besitzt daher die meiste Befehlsgewalt. Die Autorität nimmt ab, je weiter man in der Pyramide nach unten geht. Zudem sind die verschiedenen Ebenen eng integriert und miteinander verbunden. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Autorität beruht auf Unterschied und Abstand

Autorität funktioniert über eine freiwillige Unterwerfung, einen inneren Zwang. Beides kommt aber erst, wenn die Umgebung dem Nachwuchs lange genug ihre Erwartungen vorhält. Die Voraussetzung dafür liegt auf der Hand. Paul Verhaeghe erklärt: „Die beteiligten Personen müssen Tatkraft und Präsenz an den Tag legen. Nach einiger Zeit übernehmen die Kinder diese Erwartungen, und die konkrete Anwesenheit muss nicht mehr so konkret sein.“ Heute ist dieser Prozess aus zwei Gründen problematisch. Zum einen können Eltern immer weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen. Zudem schrecken viele davor zurück, eine Autoritätsposition einzunehmen und ein deutliches „Nein“ verlauten zu lassen. Einerseits meinen sei, das sei nicht angemessen, andererseits fürchten sie – oft zu Recht – eine brutale Reaktion. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Es gibt keine Freiheit inklusive Sicherheit

Das Blöde an der Freiheit ist, dass sie anstrengend ist. Viele Menschen haben gelernt, das Anstrengende zu vermeiden. Und noch blöder ist, dass an der Freiheit nichts sicher ist. Anja Förster und Peter Kreuz fügen hinzu: „Das sind verdammt schlechte Nachrichten für diejenigen, die glauben, sie könnten Freiheit inklusive Sicherheit im Paket bestellen.“ In Deutschland hat es Tradition und erscheint vielen Menschen völlig normal, ihre Freiheit zurückzuweisen. Für sie ist es völlig in Ordnung, das eigene Schicksal daran zu knüpfen, dass ein anderer etwas tut oder lässt. Viele sind das einfach so gewöhnt, im Kindergarten und in der Schule aufgerufen zu werden – oder ansonsten ihre Klappe zu halten und stillzusitzen. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Der Mensch ist alles andere als ein rationaler Optimierer

Das im 20. Jahrhundert vorherrschende Menschenbild in Ökonomie und Politik wirkt für Matthew B. Crawford im Rückblick wenig überzeugend. Es besagte, der Mensch sei ein rationales Wesen, das alle für seine Situation relevanten Informationen sammle, die besten Mittel zum Erreichen seiner Ziele auswähle und schließlich die optimale Entscheidung fälle. Die Annahme lautete, Menschen seien zu solchem Vorgehen imstande, weil sie wüssten, was sie wollten, und die Ermittlung der optimalen Entscheidung sei einfach, weil es keinen Konflikt zwischen den persönlichen Interessen gebe, die alle auf derselben, eindimensionalen „Utilitätsskala“ angesiedelt seien. Die psychologisch besser geschulten „Verhaltensökonomen“ haben diese Vorstellung vom Menschen als einem rationalen Optimierer einer gründlichen Prüfung unterzogen. In zahlreichen Arbeiten haben sie gezeigt, dass ein Mensch immer wieder Opfer des sogenannten „Planungsfehlschlusses“ wird. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Jean Paul mischte Ironie mit Gefühl und Humor

Neben den drei großen literarischen Lagern – Klassik, Romantik und Jakobinismus – gab es einige Autoren, die sich bewusst abseits hielten, sich keiner Gruppierung anschlossen und ihren eigenen unverwechselbaren Weg gingen. Aufgrund ihrer Sonderstellung führten sie, jeder auf seine Weise, ein problematisches Außenseiterleben. Bis heute hat die Forschung große Schwierigkeiten, ihre Rolle in der Kunstepoche angemessen zu bestimmen. Johann Paul Friedrich Richter (1763 – 1825), der sich als Schriftsteller Jean Paul nannte, gelang es schon zu seinen Lebzeiten, einen gleichberechtigten und anerkannten Platz neben den klassischen und romantischen Autoren zu behaupten und zu einer Autorität im literarischen Leben zu werden. Die Voraussetzungen dafür waren allerdings alles andere als günstig. Als Sohn eines armen Lehrers und Organisten lernt er die Armut früh kennen und litt sehr unter der Strenge des Vaters.

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