Hans Rudi Fischer reist ins Dazwischen

Die Fragen, denen Hans Rudi Fischer in seinem Buch „Ins Dazwischen“ nachgeht, führen in das Krisengebiet der Vernunft. Dabei handelt es sich um eine Gebiet, in dem man die Orientierung verliert. Denn dort reichen die klassischen Kategorien und die übliche Logik nicht mehr, um die Welt zu begreifen. Hans Rudi Fischer schreibt: „Wir geraten in ein Dazwischen, in dem die alten kognitiven Muster nicht mehr greifen und die neue noch nicht vorhanden sind. Dieser Raum des Dazwischen soll hier erkundet werden.“ Als Beispiel für dieses Dazwischen nennt Hans Rudi Fischer die Metapher. Denn sie ist weder logisch richtiges Denken noch ein Denkfehler. Sie markiert ein Dazwischen, eine Metamorphose des Zeichensystems der Menschen, mit dem sie die Welt repräsentieren. Hans Rudi Fischer ist Philosoph und Psychologe. Seit 30 Jahren arbeitet er als Lehrender Therapeut, Coach und Organisationsberater.

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Nur die Vernunft führt zur Erkenntnis

Den richtigen Weg zur Erkenntnis kann man nur mit dem richtigen Gebrauch des Logos beziehungsweise der Vernunft finden. Silvio Vietta ergänzt: „Der menschliche Geist kann, aber muss auch die Wahrheit selbst auffinden. Dies wiederum geht nur mit dem richtigen Gebrauch der Vernunft. Also ist die Freiheit des menschlichen Geistes, der auf sich gestellt den Weg finden muss zwischen dem wahren und dem falschen Weg zur Erkenntnis des Seins.“ Und wie in der Philosophie, so auch im antiken Drama. In vielen der Mythen herrscht ja ein Generationengeschick, das dem Menschen gar keine eigene Freiheit der Entscheidung lässt. Sondern sie binden ihn in ein zwanghaftes Geschehen ein, das er auf tragische Weise erfüllen muss. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Langsames Glück ist wertvoll und wenig störanfällig

Zu den faszinierendsten Phänomenen menschlichen Lebens zählt das Glück. Viele Glücksvarianten sind leicht zu identifizieren. Sie machen sofort gute Laune. Rebekka Reinhard nennt Beispiele: „Für ein Baby kann es die Muttermilch sein, für einen Teenager das Verliebtsein, für kranke Menschen das Blutbild im Normalbereich.“ Leider wird das subjektive „reine“ Gute-Laune-Glück leicht verunreinigt. Denn jedes Glück, das sofort gute Laune macht, ist „schnelles Glück“. Es kommt schnell, ist aber auch schnell wieder vorbei. Daneben existiert still und leise das „langsame Glück“. Langsames Glück ist unspektakulär, dafür aber wenig störanfällig. Wenn man seinen Wert erkennt, begleitet es einen Menschen in allem, was er tut, denkt und fühlt. Rebekka Reinhard ist Chefredakteurin des Magazins „human“ über Mensch und KI. Unter anderem ist sie bekannt durch den Podcast „Was sagen Sie dazu?“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft wbg.

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Die Redefreiheit hat sich als robust erwiesen

Jonathan Rauch ist kein Alarmist. Ganz im Gegenteil, er schreibt sein Buch „Die Verteidigung der Wahrheit“ in einem Geist der Hoffnung und des vorsichtigen Optimismus. Denn in der digitalen Medienwelt geht man mit beeindruckendem Engagement und neuen Ansätzen gegen Desinformationsangriffe vor. Und der Feind hat nicht mehr den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite. Jonathan Rauch ergänzt: „In der akademischen Welt gibt es immer noch große Bestände von wissenschaftlicher Integrität, die man anzapfen kann. Die heutigen Herausforderungen für die Verfassung der Erkenntnis sind unter historischen Gesichtspunkten betrachtet vergleichsweise harmlos. Das eigentliche Wunder ist, als wie robust sich die Redefreiheit und die liberale Wissenschaft erwiesen haben. Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.

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Schon Aristoteles fragte nach dem Zweck des Lebens

Eine der Varianten der Sinnfrage fragt ganz konkret nach dem Zweck der Existenz eines Menschen. Und das scheint Christian Uhle durchaus logisch, wenn es um das Thema Sinn geht: „In sehr vielen Fällen ist der Sinn einer Sache ja sein Zweck.“ Nach dem Zweck des menschlichen Lebens zu fragen hat eine lange Tradition in der Philosophiegeschichte. Vor mehr als zweitausend Jahren überlegte schon Aristoteles, was der „télos“ des Lebens sei. Der Begriff „télos“ lässt sich ungefähr mit Zweck oder Ziel übersetzen. Diesen Sinn, der als Zweck verstanden werden kann, bezeichnet Christian Uhle fortan als zweckhaften Sinn. Also, was ist der Zweck des menschlichen Daseins? Das Anliegen des Philosophen Christian Uhle ist es, Philosophie in das persönliche Leben einzubinden.

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Platons Staat hat repressive Strukturen

Barbara Schmitz weiß: „In der Philosophie finden sich bei Platon Überlegungen dazu, dass es bestimmte Arten des Lebens gibt, die nicht wert sind, gelebt zu werden.“ Platon entwirft in der „Politeia“ einen Staat, der sich nicht nur durch repressive Strukturen auszeichnet. Im Hinblick auf Menschen mit Behinderung stellt Platon fest: „Wer körperlich nicht wohlgeraten ist, den sollen sie sterben lassen. Wer seelisch missraten und unheilbar ist, den sollen sie sogar töten.“ Hintergrund ist für Platon nicht nur das Ideal von Schönheit und Jugendlichkeit, das das Denken der Antike vielfach prägte. Barbara Schmitz ist habilitierte Philosophin. Sie lehrte und forschte an den Universitäten in Basel, Oxford, Freiburg i. Br., Tromsø und Princeton. Sie lebt als Privatdozentin, Lehrbeauftragte und Gymnasiallehrerin in Basel.

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William Shakespeare schrieb Tragödien und Komödien

Ágnes Heller weiß: „In der Neuzeit war die strikte Trennung zwischen tragischem Dichter und komischem Dichter bereits überholt.“ Sokrates schlug vor, dass derselbe Dichter Tragödie und Komödie schreiben sollte. Dabei bezog er sich offensichtlich auf seine eigenen philosophischen Dialoge, die sowohl tragisch als auch komisch waren. Doch der erste Dichter, der sowohl Tragödien als auch Komödien und darüber auch „Romanzen“ schrieb, war William Shakespeare. Und er tat noch etwas Unerhörtes: Es gab komische Szenen in seinen Tragödien als auch tragische Szenen in seinen Komödien. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Soziale Verbundenheit könnte ein Idealzustand sein

Das Assimilationsideal strebt nach sozialem Zusammenhalt, opfert aber dafür das Bedürfnis des Einzelnen, mit seiner Herkunftsgemeinschaft in Verbindung zu bleiben. Das Multikulturalismusideal wertet diese Verbindung zu diesen Herkunftsgemeinschaften auf Kosten sowohl eines vernünftigen Identitätsverständnisses als auch der wertvollen Fluidität sozialer Bindungen auf. Danielle Allen stellt fest: „Das Ideal sozialer Verbundenheit und einer vernetzten Gesellschaft wart dagegen die Autonomie.“ Eine Assoziationsökologie, die das Bauen von Brücken maximiert, sollte egalitäre Effekte mit sich bringen. Zudem sollte sie die Wahrscheinlichkeit minimieren, dass soziale Differenz sich mit Herrschaft verknüpft. Damit hat Danielle Allen ein soziales Prinzip der Organisation formuliert. Danielle Allen ist James Bryant Conant University Professor an der Harvard University. Zudem ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

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Die Logik ist eine Wissenschaft

Die Logik ist die Lehre von der Verhältnisbestimmung zwischen Gedanken. Markus Gabriel erläutert: „Das altgriechische Wort „logos“ hat eine Bedeutungsspannweite, die Verhältnis, Maß, Aussage, Sprache, Denken, Rede, Wort und Vernunft umfasst.“ Platon und Aristoteles haben die Logik als Wissenschaft etabliert. Es geht dabei um die Frage, wie verschiedene Gedanken zusammenhängen sollen, wenn man etwas Neues durch reine Gedankenverknüpfung erkennen will. Deswegen beschäftigt sich die Logik traditionell mit den drei Themen Begriff, Urteil und Schluss. Ein Begriff ist etwas, das man aus einem Gedanken herauslösen kann, um ihn für einen anderen Gedanken weiterzuverwenden. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Hegel war der letzte Systembauer von Bedeutung

Heute geschieht mit der Philosophie etwas Ähnliches wie früher mit der Tragödie. Ágnes Heller erklärt: „Nach dem Zusammenbruch des hegelschen Systems traten mehrere repräsentative Denker in die Tradition der philosophischen Literaturgattung ein.“ Schon vor Georg Wilhelm Friedrich Hegel haben nicht alle Philosophen Systeme errichtet. Aber nach ihm gab es keine Systembauer von Bedeutung mehr. Was vom traditionellen philosophischen Denken blieb, ist die Trennung der empirischen und der transzendentalen Untersuchungsebene und die Hermeneutik als Interpretation des Anderen. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Die Philosophie ringt mit dem Guten

Die Frage nach der moralischen Verantwortung stellt sich, sobald man darüber nachdenkt, wie man sein Tun an dem ausrichtet, was man für gut hält. Darin stößt man beständig auf Uneinigkeiten und kontroverse Deutungen. Diese wischte man lange Zeit mit dem Hinweis weg, dass sich das Moralische doch von selbst verstehe. Es müsse also nicht eigens zum Thema gemacht werden. Ina Schmidt weiß: „Die Philosophie ringt dennoch und weil es eben nicht evident ist, seit über zweitausend Jahren um Antworten.“ Dabei ist die Philosophie nicht einmal sicher, was dieses Gute nun eigentlich ganz genau ist. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.

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Eine gerechte Gesellschaft sehnt sich nach Erlösung

Heinz Bude stellt fest: „Für die gerechte Gesellschaft gibt es kein Bild mehr, an dem man sich mit Aristoteles oder Thomas von Aquin orientieren könnte.“ Dabei handelt es sich um eine komplexe Gefügeordnung von Gruppen mit jeweils bestimmten Aufgaben oder eine einsichtige Stufenordnung der Welt. Diese ist auf eine Idee von Erlösung ausgerichtet. Das Befinden über Gerechtigkeit folgt einem Verfahren, für das man ideale Bedingungen einer unparteilichen Beurteilung festlegt. Unter einem moralischen Gesichtspunkt kann man dann genau diejenigen Normen als gültig auszeichnen, die alle wollen könnten. Das könnten beispielsweise Bestimmungen über die Symmetrie von Einkommen sein. Aber auch Regelungen über Determinanten gefährdeter Lebenslagen oder über Ausgleichszahlungen für genau definierte Risikogruppen. Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Bude Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

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Vier Tugenden führen zu einem guten Leben

Es ist immer gut, wenn man mit sich im Reinen, oder wie Aristoteles sagt, „befreundet“ ist. Denn dann kann man besser angemessen mit den eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen der Welt umgehen. Und wie erlangt man Vortrefflichkeit? Richard David Precht antwortet: „Indem man nach Tugenden strebt, allen voran nach Gerechtigkeit, nach Weisheit, nach Tapferkeit und nach Mäßigung. Diese vier Leitsterne leuchten dem Menschen aus, was es heißt, ein gutes Leben zu führen.“ Und je stärker man sich an ihnen orientiert, umso mehr nimmt man sie in sich auf und modelliert damit seinen Charakter. Diese Vorstellung herrschte zumindest in der Antike vor. So weit, so persönlich und so individuell. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Jeder sollte die Kunst des Verstehens erlernen

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 01/2023 kreist um die Frage: „Kannst du mich verstehen?“ Denn verstanden zu werden, ist existenziell. Wenn auf Dauer keine Verbindung zwischen Innen und Außen besteht, ist Gefahr im Verzug. Auch auf der gesellschaftlichen Ebene erleben die Deutschen gerade, wie tief der Spalt sein kann, den wechselseitiges Unverständnis erzeugt. Auf kein Verständnis zu stoßen, führt im persönlichen Bereich zu Frustrationen, auf der gesellschaftlichen Ebene gar zu Hass. Umso dringender ist es, die Kunst des Verstehens zu erlernen, die Voraussetzungen ihres Gelingens zu kennen. Theresa Schouwink schreibt: „Generell fällt es leicht, in der sogenannten polarisierten Gesellschaft eine Krise des Verstehens zu diagnostizieren.“ Auch das Verstehen über Generationen hinweg, zwischen rücksichtslosen „Boomern“ und übersensiblen „Schneeflocken“, scheint zunehmen schwierig.

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Markus Gabriel kennt die moralischen Grundregeln

Wenn Begriffe unklar und verschwommen sind, begeht man leicht logische Fehler. Markus Gabriel stellt fest: „Es gelingt uns dann nicht, gut begründete und im besten Fall wahre und kohärente Meinungen zu formulieren. Besonders schlimm, weil lebensweltlich folgenreich, ist dies im Bereich der praktischen Philosophie, in der es um unser Handeln geht.“ Viele Menschen haben nur eine verschwommene Vorstellung von Glück, Moral, Pflichten und Rechten. Sie begehen genau deswegen oft Fehler, weil sie die grundlegenden Definitionen dieser Begriffe nicht überblicken. Eine der Hauptaufgaben der Philosophie ist deshalb die Begriffsklärung. Diese ist spätestens seit Immanuel Kant eng mit dem modernen Ideal der Aufklärung verbunden. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Justinian kodifiziert das römische Recht

Der oströmische Kaiser Justinian hat das römische Recht in der Mitte des 6. Jahrhunderts kodifiziert. Er stärkte durch seine Vereinheitlichung und Rationalisierung die Position der Herrscher und der weltlichen Herrschaft gegenüber der Kirche. Denn unter Justinian war die Kirche ein Teil der kaiserlichen Verwaltung und das Papsttum in Rom noch kein ernst zu nehmender Faktor gewesen. Volker Reinhardt erläutert: „So spielte die Wiederentdeckung und Wiedererschließung des römischen Rechts im Mittelalter den Machthabern in die Hände, die sich von der päpstlichen Oberhoheit mit ihren Bannsprüchen, der Exkommunikation und dem Interdikt, zu befreien suchten.“ Die Wiederbelegung des römischen Rechts in Bologna fügte sich nahtlos in eine gesamtitalienische Entwicklung des 12. Jahrhunderts ein. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Freie Märkte fördern Ungleichheiten

Nur eine naive Verteidigung des freien Marktes verlässt sich vollständig auf dessen selbstheilende Kräfte. In Wahrheit pflegen in dem sich selbst überlassenen Markt außer Ungleichheit vor allem Oligopole, Monopole und Kartelle zu entstehen. Dadurch wird der Wettbewerb geschwächt und das Gegenteil des freien Marktes erreicht wird. Die Verbesserung der Produkte lässt nach, stattdessen steigen für die Konsumenten die Preise und für die Unternehmen die Gewinne. Derartige Verzerrungen des Wettbewerbs sind laut Otfried Höffe paradoxerweise von der ökonomischen Rationalität her gegeben. Denn unter der Voraussetzung der entsprechenden Macht erzielt man entweder mit gleichen Mitteln einen größeren Profit oder erreicht denselben Profit mit geringerem Einsatz. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Das Drama war ein Produkt der Stadtstaaten

Die Männer, die aus dem Trojanischen Krieg zurückkamen, waren Verändernde und Veränderte. Von den Erfahrungen auf dem Schlachtfeld gezeichnet, passten sie nicht mehr ins soziale Gefüge der Orte, von denen sie ausgezogen waren. Und doch blieben sie im Gedächtnis derer Leitfiguren. Jürgen Wertheimer stellt fest: „Mit der Erfindung des Dramas findet im 5. Jahrhundert vor unserer Zeit ein entscheidender Medienwechsel statt.“ Natürlich gab es Rituale und kultische Vorführungen schon früher und an anderen Orten. Aber es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass das Drama ein Produkt der noch jungen Stadtstaaten war. Es diente als zentrale öffentliche Form der kulturellen Selbstdarstellung. Unterhalb des Burghügels der Akropolis, kann man seine Reste noch heute besichtigen. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Gott durchdringt die gesamte Materie

Zenon der Gründer der Stoa, war im Jahr 312 von Zypern nach Athen gekommen. Er und seine Anhänger wurden als Stoiker bekannt. Dies geschah aufgrund der Angewohnheit Zenons, seinen Unterricht in einer bemalten Stoa, einem Säulengang, abzuhalten. Tom Holland erklärt: „Wie bereits Aristoteles beschäftigten sie sich mit der Spannung zwischen einer himmlischen, von mathematischen Gesetzen bestimmten Ordnung und einem sublunaren Reich, das von Zufall beherrscht war.“ Ihre Lösung war ebenso radikal wie elegant. Die leugneten, dass eine solche Spannung überhaupt existierte. Die Stoiker argumentierten, dass die Natur selbst göttlich war. Gott belebte das gesamte Universum, und er war aktive Vernunft: der „Logos“. Er ist vermischt mit der Materie. Der Autor und Journalist Tom Holland studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft.

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Philosophen sind Liebhaber der Weisheit

Die Philosophen des antiken Griechenland verschmähten es, an die streitsüchtigen und unsterblichen in den zu glauben. Das beruhte meistens darauf, dass sie es vorzogen, darüber nachzudenken, was sowohl am Universum als auch an ihnen selbst wahrhaft göttlich war. Zu ergründen, was der Materie zugrunde lag. Das war gleichbedeutend damit, dass man erforschte, wie Menschen sich richtig verhalten sollten. Denn jenseits all der wimmelnden Vielfalt und der Veränderlichkeit menschlicher Bräuche existierte ein Muster für die Dinge. Tom Holland stellt fest: „Es war ewig und vollkommen und man musste es nur identifizieren. Und nicht in den Lügen der Dichter fand es sich, sondern in den Bewegungen des Kosmos.“ Der Autor und Journalist Tom Holland studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft.

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Das Publikum der Tragödie erlebt eine Katharsis

Doch was ist mit den Tragödien? Sind sie Manifestationen des anthropologischen Universums des Weinens? Oder sind sie Ausdruck einer anderen „tragischen universellen Erfahrung? Identifizieren Tragödien einen Menschen mit sich selbst, wurzeln sie in Selbstmitleid? Ágnes Heller antwortet: „Es ist leicht zu erkennen, dass das Gegenteil der Fall ist. Auch in diesem Punkt war Aristoteles das Genie, das das Offensichtliche erfand. Das Publikum, Zielgruppe einer Tragödie, erlebt eine „Katharsis“. Katharsis ist die Befreiung von unseren eigenen Ängsten und unserem Selbstmitleid, die „Reinigung unserer Seele“ von der Identifikation mit uns selbst.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Irrtümer beim Maßhalten sind nicht ungewöhnlich

Die alten Chinesen waren laut Albert Kitzler ebenso tiefe Denker wie die Griechen und Inder. Bedingt durch ihr Schriftzeichensystem philosophierten sie allerdings mehr mithilfe von Bildern als in fest definierten Begriffen. Ein Beispiel dafür gibt folgendes Zitat des bedeutenden Philosophen Xunzi, das sich mit den Irrtümern beim Maßhalten beschäftigt: „Darum muss der Mensch bei allem, was er tut, immer und überall zu wägen wissen, als trüge er eine Waage bei sich.“ Ist die Waage des wägenden Verstandes allerdings ungenau, so mag sich sehr wohl hinter dem wünschenswert Erscheinenden Unheil verbergen und doch für ein Glück gehalten werden. Und ebenso mag sich hinter verabscheuungswürdig Erscheinenden Glück verbergen, indes man Unheil darin wittert. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Ein Herrscher muss sich selbst im Griff haben

Institutionen allein – Verfassungen und Gesetze – genügen nicht. Mindestens so wichtig, wenn nicht wichtiger, ist die Moral der Herrschenden selbst. Für Aristoteles stellen neben der Fähigkeit und der Leistung der Herrschenden vor allem ihr Charakter, ihre Tugenden, die eigentliche Voraussetzung für ihre Sonderstellung dar. Ihre Herkunft ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für ihre Herrschaftsposition. Diese Überlegung ist für Katja Gentinetta so einfach wie einleuchtend: „Man stelle sich vor, ein Herrscher habe nicht einmal sich selbst, seine Emotionen und Triebe im Griff: Wie soll er dann über ein ganzes Volk herrschen?“ Außerdem ist – und darauf legt Aristoteles großen Wert – jeder für seine Tugenden verantwortlich. Die Politikphilosophin und Publizistin Katja Gentinetta ist Lehrbeauftragte an den Universitäten St. Gallen, Zürich und Luzern.

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Die Tragödie ist die Nachahmung der Natur

Die Tragödie ist nach Aristoteles eine Untergattung innerhalb der allgemeinen Gattung der Kunst. Sie ist Mimesis, also eine Art Imitation, und zwar in seinen Augen die Nachahmung der Natur. Ágnes Heller stellt fest: „Der Begriff umfasst nicht nur Poesie oder Drama oder Malerei, sondern auch Werkzeuge für den praktischen Gebrauch. Aristoteles betont das Offensichtliche: Von der frühen Kindheit an ahmen wir immer nach. Wir können nicht aufwachsen, ohne zu imitieren.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Die Idee der Technik entstand in Griechenland

Der Funktionalismus ist ein unglückliches Erbe der altgriechischen, von Platon und Aristoteles höchstpersönlich eingeführten Idee der Technik. Markus Gabriel erläutert: „Platon und Aristoteles bezeichnen diejenigen Funktionen, die zwei physikalisch verschiedene Dinge zu Dingen derselben Art machen, als Idee.“ Was man heute als Funktion bezeichnet, entspricht einer abgespeckten Version der platonisch-aristotelischen Idee. Aristoteles hat die Überlegung dahingehend konkretisiert, dass er den Begriff einer Funktion, eines telos, entwickelt hat. Er unterfüttert ihn mit der Lehre von den vier Ursachen. Die Technik ist heutzutage die Realisierung von Ideen, durch die man Dinge produziert, die nicht schon von Natur aus da waren. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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