Alexander Emmerich erläutert das Selbstverständnis der USA

Die amerikanische Nationalhymne wurde im Jahr 1814 von Francis Scott Key während des Zweiten Unabhängigkeitskrieges gegen Großbritannien verfasst. Francis Scott Key gab darin dem Selbstverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika als freies und demokratisches Land deutlich Ausdruck. Laut Alexander Emmerich im unausgesprochenen Gegensatz zum monarchistischen England und den übrigen europäischen Staaten. Die politischen und gesellschaftlichen Fundamente Amerikas unterscheiden sich grundsätzlich von allen anderen Nationen. Alexander Emmerich erklärt: „Sie entstanden aus einem politisch-religiösen Gründungsakt, der Glauben und Vernunft, Puritanismus und Aufklärung miteinander verband. Mehr noch, die USA wurde bewusst gegen das Grundprinzip der Alten Welt, gegen die Legitimierung durch Tradition und Geschichte sowie gegen die historische Legitimität europäischer Herrschaft gegründet.“ Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für transatlantische Kulturgeschichte.

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Philosophen glauben zunächst einmal überhaupt nichts

Die philosophische Grundfrage schlechthin lautet: „Was ist das eigentlich, die Welt?“ Eines Tages werden Menschen geboren, ohne zu wissen woher und wohin. Danach finden sie sich durch Erziehung und Gewöhnung in der Welt zurecht. Und sobald sie sich an die Welt gewöhnt haben, vergessen sie meist zu fragen, was das Ganze soll. Im Leben eines Menschen geben Begegnungen, Hoffnungen und Wünsche in der Regel einen Sinn. Philosophen betrachten die Welt laut Markus Gabriel gewissermaßen wie Außerirdische oder Kinder: „Alles ist immer wieder völlig neu. Sie misstrauen fest verwurzelten Urteilen, ja, sie misstrauen sogar den Wissensansprüchen von Experten. Philosophen glauben zunächst einmal überhaupt nichts. „ Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie an der Universität Bonn inne. Er ist Deutschlands jüngster Philosophieprofessor. Außerdem leitet er das Internationale Zentrum für Philosophie in Bonn.

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Herbert Schnädelbach begibt sich auf die Spur der Naturgesetze

Herbert Schnädelbach definiert Gesetze wie folgt: „Es handelt sich dabei um allgemein verbindliche Rechtsnormen, die von einer zur Rechtssetzung ermächtigten staatlichen Instanz als dem Gesetzgeber in einem selbst gesetzlich fixierten Verfahren erlassen wurden.“ Herbert Schnädelbach unterscheidet zwischen materialen und formalen Gesetzen. Die materialen Gesetze sind für die Regeln des sozialen Zusammenlebens der Menschen zuständig, sowohl in zivilrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht. Die formalen Gesetze dagegen umfassen alle Beschlüsse, die ein Gesetzgeber verabschiedet, zum Beispiel ein Haushaltsgesetz für ein bestimmtes Jahr. Aber nicht allen Normen, die das Leben der Menschen bestimmen, sind Rechtsnormen, sondern nur diejenigen, deren Geltung mit den Mitteln legitimer Staatsgewalt auch gegen Widerstand durchgesetzt werden kann. Vor seiner Emeritierung war Herbert Schnädelbach Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Wolfgang Röd beleuchtet der Kern philosophischer Anekdoten

Der Ausruf „Heureka!“ steht als Synonym für eine plötzliche Erkenntnis. Der Philosoph Wolfgang Röd stellt in seinem neuen Buch „Heureka!“ die besten und berühmtesten Anekdoten vor und erklärt seinen Lesern, was sie über die einprägsame Geschichte hinaus an wertvoller Einsicht und philosophischem Selbstverständnis beinhaltet. Der Autor setzt für seine Geschichten kein philosophisches Fachwissen voraus und wählt von den unzähligen Anekdoten nur diejenigen wenigen aus, von denen sich sagen lässt: „Wenn sie auch nicht wahr sind, sind sie doch gut erfunden.“ Gut erfunden ist für Wolfgang Röd eine Anekdote, wenn sie bemerkenswerte Züge des Charakters der Person, auf die sie bezogen ist. Außerdem sollte sie deren Denkweise oder ihr Verhältnis zur Umgebung zum Ausdruck bringen. Wolfgang Röd war bis zu seiner Emeritierung Ordinarius für Philosophie am Philosophischen Institut Innsbruck und ist Herausgeber und Autor der im Verlag C. H. Beck erscheinenden Reihe „Geschichte der Philosophie“.

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Alexander Mitscherlich ist mit der Demokratie nicht zufrieden

Die Demokratie ist für Alexander Mitscherlich ein Prozess der Bewusstseinsentwicklung angesichts bisher unbekannter Probleme. Das heißt, die Demokratie dient vorerst nur dazu, ein Gleichgewicht der Interessen zu arrangieren. Der Wettstreit der Meinungen wird noch nicht dazu benutzt, die Grundprobleme der Fortexistenz der Demokratie diskutieren zu lassen. Stattdessen überbieten sich laut Alexander Mitscherlich was die Fragen der Zukunft und der Gegenwart betrifft, Regierung und Opposition in einer christlich dekorierten Unterwürfigkeit vor den Besitzern von Grund und Boden. Alexander Mitscherlich schreibt: „Jedoch könnte nur auf dem Wege über die parlamentarische Diskussion das Bewusstsein der Allgemeinheit erreicht und ihr Vorschläge einer gerechten Lösung der Eigentumsansprüche auf städtischen Grund und Boden zur Kenntnis gebracht werden.“ Ohne Zweifel würde dies allerdings die heftigsten Reaktionen auslösen.

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Der spekulative Realismus vertritt die Existenz eines Absoluten

Der Herausgeber des Buchs „Realismus Jetzt. Spekulative Philosophie und Metaphysik für das 21. Jahrhundert“ Armen Avanessian stellt die vier bedeutendsten spekulativen Realisten vor. Er zählt dazu Quentin Meillassoux, Ray Brassier, Iain Hamilton Grant und Graham Harman. „Wenn man den neuen Realisten oder Materialisten folgt, sind die gegenwärtigen experimentellen Wissenschaften in der Lage, erstmals eine Welt und ein Universum zu beschreiben, das der Emergenz der menschlichen Intelligenz vorausgeht“, schreibt Armen Avanessian in seinem Editorial. Viele Aussagen der zeitgenössischen Physik übersteigen für Quentin Meillassoux schlichtweg die konzeptionellen Möglichkeiten der korrelationistischen Philosophie. Wissenschaftliche Aussagen erfordern seiner Meinung nach deshalb einen spekulativen Materialismus oder Realismus. Er vertritt die These, dass man sich eine Welt ohne Denken vorstellen kann, wodurch ein Absolutes existieren müsste, das nicht auf ein Denken angewiesen ist, sondern unabhängig von jeder kognitiven Bezugnahme existiert.

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Hans-Werner Sinn sorgt sich um die Ersparnisse der Deutschen

Ohne die Eurokrise hätten die deutschen Bankinstitute und Kapitalsammelstellen wie zum Beispiel die Lebensversicherer im Umfang der Target-Salden deutsche Ersparnisse in marktfähige Finanztitel der anderen Euroländer investiert beziehungsweise zu risikogerechten Erlösen verliehen. Doch nun, da sie dies unter anderem auch deshalb nicht mehr tun, weil die nationalen Notenbanken sie mit Zinsen unterbieten dürfen, die das Kreditrisiko nicht gleichwertig widerspiegeln, legen die Finanzinstitute die Ersparnisse ihrer Kunden bei der Bundesbank an. Oder sie holen sich, was für Hans-Werner Sinn ein ökonomisch vergleichbarer Vorgang ist, weniger Kredite zur Refinanzierung von der Bundesbank. Hans-Werner Sinn ist seit 1984 Ordinarius in der volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1999 wurde er Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München und Leiter des CESifo-Forscher-Netzwerks, weltweit eines der größten seiner Art.

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Bail-out wird in der Währungsunion zum Gewohnheitsrecht

Bisher wurden Rettungsaktionen für überschuldete Eurostaaten mit einem systemischen Risiko für die Eurozone begründet, wenn einer dieser Staaten Insolvenz anmelden müsste. Thomas Mayer nennt Beispiele: „Deshalb half man Griechenland und Portugal bei der Finanzierung ihrer Haushaltsdefizite, überredete die irische Regierung zu einer weiter gehenden Stützung ihrer Banken, als sie selbst es wollte, und griff Spanien bei der Rekapitalisierung seiner Sparkassen unter die Arme.“ Für Zypern erscheint diese Begründung allerdings mehr als fragwürdig. Doch Thomas Mayer glaubt, dass auch in diesem Fall der europäische Steuerzahler in Haftung genommen werden wird, denn inzwischen scheint der Anspruch auf Finanzhilfe für verschuldete Staaten im Euroland zum Gewohnheitsrecht mutiert zu sein. Thomas Mayer ist Senior Fellow am Center for Financial Studies der Universität Frankfurt und Berater der Deutschen Bank.

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Immer weniger Steuergelder kommen der Gesellschaft zugute

Die übermäßige Verschuldung des Staates hat laut Paul Kirchhof zur Folge, dass er erhebliche Haushaltsmittel für Zinszahlungen verwenden muss. Die Steuerkraft der Bürger dient in diesem Fall also nicht der Finanzierung gegenwärtiger Staatsaufgaben, sondern beschert privaten Unternehmen Einnahmen und Gewinn. Paul Kirchhof ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass der Zinsdienst im Bundeshaushalt, nach Arbeit und Soziales, zum zweitgrößten Haushaltsposten geworden ist. Er fügt hinzu: „Der Bürger erlebt, dass sein demokratischer Anspruch, das Parlament in seinem Budgetverhalten zu ermächtigen und zu kontrollieren, für einen wesentlichen Teil des Budgets nicht verwirklicht werden kann.“ Paul Kirchhof ist einer der führenden Finanzexperten und bekanntesten deutschen Autoren. Er ist Professor für Öffentliches Recht sowie Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg und war zwölf Jahre Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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Hans-Werner Sinn sieht Deutschland in der Target-Falle sitzen

Im Mittelpunkt des neuen Buches „Die Target-Falle“ von Hans-Werner Sinn steht das Thema der Target-Kredite, die im großen Stil von einigen nationalen Notenbanken des Eurosystems in Anspruch genommen wurden und in ihrer Höhe die offiziellen Rettungskredite in den Schatten stellen. Bislang verstehen laut Hans-Werner Sinn nur wenige Ökonomen, um was es hier geht. Nach der Lektüre seines Buches, so verspricht der Autor, wird die Zusammenhänge jeder verstehen. Das muss auch so sein, denn das Vermögen eines jeden einzelnen Bürgers steht bei den Target-Krediten auf dem Spiel. Hans-Werner Sinn beschränkt sich allerdings nicht nur auf das Target-Thema, sondern will das Krisengeschehen dem Leser an sich verständlich machen und Wege zu einem funktionierenden europäischen Wirtschaftssystem aufzeigen. Hans-Werner Sinn ist seit 1984 Ordinarius in der volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1999 wurde er Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München und Leiter des CESifo-Forscher-Netzwerks, weltweit eines der größten seiner Art.

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Die Vernunft setzt sich gegen das Glück der Menschen durch

Die idealistische Philosophie der bürgerlichen Epoche hatte das Allgemeine, das sich in den isolierten Menschen durchsetzen sollte, unter dem Titel der Vernunft zu verstehen versucht. Der Mensch erscheint als ein gegen die anderen in seinen Trieben, Gedanken und Interessen vereinzeltes Ich. Die Überwindung dieser Vereinzelung, der Aufbau einer gemeinsamen Welt geschieht laut Herbert Marcuse durch die Reduktion der konkreten Individualität auf das Subjekt des bloßen Denkens, das vernünftige Ich. Herbert Marcuse erklärt: „Die Gesetze der Vernunft bringen unter Menschen, deren jeder zunächst nur seinem besonderen Interesse folgt, schließlich eine Gemeinsamkeit zustande.“ Dabei können einige Formen der Anschauung und des Denkens als allgemeingültig sichergestellt werden. Aus der Vernünftigkeit eines Individuums lassen sich gewisse allgemeine Maximen des Handelns gewinnen.

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Gehard Wolf weist auf das sinkende Niveau an Hochschulen hin

Gerhard Wolf, Germanist mit den Schwerpunkten Mittelalter und Frühe Neuzeit von der Universität Bayreuth, hat Professoren über das Niveau ihrer Studenten befragt und erhielt besorgniserregende Antworten. Etwa 70 Dozenten beteiligten sich an der Studie. Die meisten von ihnen beklagten, dass viele Studenten heutzutage nicht studierfähig sind. Gerhard Wolf erklärt: „Die Defizite liegen vor allem in der Sprach-, Lese- und Schreibkompetenz, das haben alle Kollegen genannt. Damit gemeint sind Rechtschreibung, Syntax, Interpunktion, der Umgang mit den Tempora und der Wortschatz.“ Zudem verstehen viele Studenten die Aussage eines längeren Textes nicht mehr. Auch beim Schreiben und Sprechen können sie ihre eigenen Gedanken und Argumente nicht korrekt formulieren. Gerhard Wolf kritisiert, dass die Studierenden in Vorlesungen nicht einmal mehr mitschreiben.

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Ethiken beschreiben die Regeln des Zusammenlebens

Die Ethik beschäftigt sich seit der Antike auf der einen Seite in erster Linie mit den Regeln des Zusammenlebens. Auf der anderen Seite fragt sie laut Hans-Martin Schönherr-Mann auch danach, wie sich ein Mensch ethisch selber formt, das heißt, wie er sein Leben ethisch führt. Dabei entwickeln sich im Verlauf der Geschichte verschiedene Formen der Ethik, die zumeist Sammlungen von Regeln, Geboten und Verboten für den Einzelnen sowie deren Begründungen zusammenfasst. Hans-Martin Schönherr-Mann nennt als Beispiele die Ethik des alten Testaments mit den mosaischen Geboten, die antiken Ethiken der Griechen, die christliche, die islamische, die protestantische und jene der Aufklärung. Prof. Dr. Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann ist seit 2003 Professor für Politische Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

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Der Grat zwischen Macht und Machtmissbrauch ist sehr schmal

Die meisten Bürger, die Politiker und Wirtschaftsmanager für korrupt halten, finden in der Tat für diese Einschätzung fast täglich in den Medien eine Bestätigung. Michael Schmitz, der Psychologie und Management an der Lauder Business School in Wien lehrt, weist als Beispiel auf den Fall des Politikers Stefan Mappus hin, der sich mit einem großen Coup als Ministerpräsident von Baden-Württemberg an der Macht halten wollte. Er pokerte dabei um den Rückkauf von Anteilen am Energieunternehmen EnBW, ohne die vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsprüfung anzuordnen. Er verspekulierte sich – für 800 Millionen Euro muss jetzt der Steuerzahler aufkommen. Als zweites Beispiel nennt Michael Schmitz den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der zurücktreten musste, als bekannt wurde, dass er Sonderkredite zur Finanzierung seines Privathauses angenommen hatte.

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Theodor W. Adorno macht sich Gedanken über den Fortschritt

Theodor W. Adorno ist fest davon überzeugt, dass man den Begriff Fortschritt gar nicht grob genug verwenden kann. Denn Pedanterie in seinem Gebrauch betrügt seiner Meinung nach nur um das, was er verheißt, Antwort auf den Zweifel und die Hoffnung, dass es endlich besser werde, dass die Menschen einmal aufatmen dürfen. Theodor W. Adorno schreibt: „Schon darum lässt nicht genau sich sagen, was sie unter Fortschritt sich vorstellen sollen, weil es die Not des Zustandes ist, dass jeder diese fühlt, während das lösende Wort fehlt. Wahrheit haben nur solche Reflexionen über den Fortschritt, die in ihn sich versenken und doch Distanz halten, zurücktreten von lähmenden Fakten und Spezialbedeutungen.“ Theodor W. Adorno, geboren am 11. September 1903 in Frankfurt am Main, gestorben am 6. August 1969, lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

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Paul Nolte würdigt das Zeitalter der klassischen Revolutionen

Für Paul Nolte, der Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin lehrt, ist ohne die Dynamik von Revolutionen die Entstehung moderner Demokratien und Republiken kaum vorstellbar. Die Sehnsucht der Menschen nach Innovationen und Freiheit kam mit dem Anspruch zusammen, Gesellschaft und Politik nach eigenen Maßstäben zu entwickeln: Politische Herrschaft sollte das Werk der Menschen selbst sein. Und schon im 18. Jahrhundert war zu erkennen, dass die Prinzipien der Demokratie die sozialen Beziehungen und das Leben im Alltag nicht unberührt lassen konnten – denn das politische Gefüge der Institutionen stand nicht am Ende des Prozesses. Paul Nolte schreibt: „Im 19. Jahrhundert beschleunigte sich die demokratische Entwicklung auch in Deutschland in einer Revolution. Selbst wenn es immer wieder stille, evolutionäre Wege der Demokratisierung gibt – die enge Verbindung mit revolutionären Ereignissen bleibt bis in die Gegenwart erhalten.“

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Das Demokratieverständnis in der Epoche der Aufklärung

Um das Jahr 1800 herum begann eine neue Epoche der Weltgeschichte, moderne Zeiten brachen an, gegenüber denen das Mittelalter und die Frühe Neuzeit altmodisch und rückständig wirkten. Dabei wirkte die Französische Revolution von 1789 beschleunigend auf diesen Umbruch. Auch im Bereich der Wirtschaft gab es Innovationen. Paul Nolte schreibt: „Neben die herkömmlichen Bereiche der ländlichen Agrarwirtschaft und des städtischen Gewerbes und Handels traten neue Formen der gewerblichen Produktion, in der Manufaktur oder der ländlichen Heimindustrie. Märkte und kommerzielle Beziehungen begannen den Alltag zu durchdringen.“ Die Kaufleute und Unternehmer wurden zur Vorhut des neuen Bürgertums. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen bahnbrechende Erfindungen dazu wie die Dampfmaschine, die den modernen Bergbau erst ermöglichte. Die Industrielle Revolution begann in England, andere Länder in Nordwesteuropa und Nordamerika folgten rasch dem englischen Beispiel.

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Die Kunst von Tino Sehgal existiert nur für den Augenblick

Der Berliner Künstler Tino Sehgal schafft keine Werke sonder Kunstsituationen, die von Geheimnissen umwittert sind. Inzwischen ist er so berühmt, dass er im Londoner Museum Tate Modern mit seiner Auffassung von Kunst auftreten darf. Momentan ist seine neueste Arbeit in der Turbinenhalle, einer der größten geschlossenen Kunsträume der Welt zu bestaunen. Vom Eingang führt eine Betonrampe zu den höheren Stockwerken hinauf. Auf dem Weg nach oben werden die Museumsbesucher von Menschen angesprochen, die leise reden, Geschichten erzählen, niemanden berühren und zum nächsten Gesprächspartner davoneilen. Das ist das neueste flüchtige Kunstwerk von Tino Sehgal, es heißt „These Associations“ und ist bis Oktober in der Turbinenhalle zu sehen und zu hören. Der 36-Jährige Künstler und Weltbürger ist inzwischen auf dem besten Weg zum Weltruhm.

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Jonathan Wolff nähert sich dem Begriff der Freiheit an

In liberalen Demokratien wird der Freiheit laut Jonathan Wolff, der am University College London Philosophie lehrt, oft der höchste Wert beigemessen. Aber was ist Freiheit überhaupt? Jonathan Wolff nähert sich der Antwort über die Unfreiheit, indem er sagt: „Alles, was mich davon abhält, etwas zu tun, verringert meine Freiheit.“ Dabei muss man allerdings zwischen dem Mangel an Fähigkeit und einem Defizit an Freiheit unterscheiden. Zu einer genaueren Bestimmung des Freiheitsbegriffs zitiert Jonathan Wolff den litauischen Philosophen Isaiah Berlin, der von 1909 bis 1997 lebte. Dieser unterschied zwischen negativer Freiheit, die die Abwesenheit äußerlicher Zwänge ist, und positiver Freiheit, die rationale Selbstbeherrschung und Meisterung der eigenen Begierden verlangt.

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Ein faszinierender Blick in die Zukunft der Menschheit

Auf der Basis von aktuellen Trends, Erkenntnisse aus der Geschichte, neuester Daten verschiedener Forschungsdisziplinen und intelligenter Modellrechnungen beschreibt der amerikanische Geowissenschaftler Laurence C.  Smith in seinem neuen Buch „Die Welt im Jahr 2050. Die Zukunft unserer Zivilisation“, wie die Menschen in knapp vier Jahrzehnten auf der Erde leben werden. Er prognostiziert, dass die Länder der nördlichen Randzone, zu denen er die acht Staaten Russland, USA, Kanada, Island, Norwegen, Finnland, Dänemark und Schweden zählt, wirtschaftlich an Macht gewinnen werden. In diesem „neuen Norden“ sieht er eine Region mit großem Potential. Der Autor ist Professor für Geographie sowie Earth and Space Sciences an der University of California in Los Angeles (UCLA).

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Max Frisch macht sich Gedanken über die Lyrik

Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch schreibt 1947 in seinem Tagebuch folgendes über die Lyriker: „Die Poeten, wenn sie Poesie machen, die hinter ihrem und unserem Bewusstsein zurückbleibt, sperrt man nur darum nicht ein, weil der Schaden, den sie anrichten, nur sie selbst trifft.“ Aber kein bewusster Zeitgenosse nimmt sie dann mehr ernst. Für Max Frisch gibt es im Gegensatz zu der modernen Lyrik in England und Frankreich, offensichtlich wenig deutsche Gedichte, die nicht schon in ihrer Metaphorik antiquiert sind. Sie klingen seiner Meinung zwar oft großartig, haben aber dennoch meistens keine Sprache. Sie durchdringen nicht sprachlich die Welt, die die Menschen umstellt.

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Seneca ermahnt die Menschen zu sittlichem Verhalten

Für Seneca ist die Grundvoraussetzung eines glücklichen Lebens die sichere Seelenruhe und ein unerschütterliches Vertrauen. Stattdessen suchen leider viele Menschen nach Gründen zur Besorgnis und entfernen sich auf diese Weise immer mehr von ihrem eigentlichen Lebensziel. Je mehr Mühe sie aufwenden, desto mehr stehen sie sich selbst im Weg und gleiten rückwärts. Seneca schreibt: „Wer sein Ziel erreichen will, muss eine einheitliche Marschroute einhalten und nicht hin und her pendeln: denn das hieße nicht zielbewusst wandern, sondern umherirren.“ Oft werden die Menschen sogar von der Wirklichkeit getäuscht. Hier gilt es zu unterscheiden, wenn man sich nicht für das Schlechte anstelle des Guten entscheiden möchte.

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Gustav Mahlers Musik ist rätselhaft und doch populär

Das musikalische Werk des Komponisten Gustav Mahler umfasst neun vollendete Symphonien, eine Unvollendete, einige Liederzyklen ein paar Lieder und ein Klavierquartett. In der Gegenwart ist seine Musik so populär wie nie zuvor. Das kommt wahrscheinlich daher, dass sie in Extremen schwelgt: Überschäumendes und Entgrenztes, folkloristische Passagen sowie teilweise banale Einsprengsel wechseln einander ab. Gustav Mahlers Musik ist zudem gekennzeichnet vom Selbstmitleid und der Sehnsucht nach einer besseren Welt. Der Komponist schuf vieldeutige Partituren, die vielleicht rätselhafter sind als jede andere Musik. Als zentrales Wesensmerkmal seiner Partituren ist die Vielfalt an Auslegungsmöglichkeiten zu erkennen. Im Gegensatz zu dem Harmoniker Anton Bruckner komponiert Gustav Mahler seine Musik linear in Stimmen.

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Max Frisch macht sich Gedanken über die Eifersucht

Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch erkennt in der Eifersucht die Angst vor dem Vergleich. Die Küsse, die zärtlichen Einfälle, die Umarmungen eines anderen könnten besser sein als die eigenen. Eine Trauer kann man teilen, eine Eifersucht nicht. Max Frisch fragt sich, was ein eifersüchtiger Mensch überhaupt will. Er erhebt Anspruch auf einen Sieg ohne Wettstreit und ist verzweifelt darüber, wenn es zur Auseinandersetzung kommt. Wer von Treue redet, weiß eigentlich ganz genau, dass er sich eigentlich nicht nach der Treue, sondern der Liebe des Partners sehnt. Jeder will geliebt werden. Max Frisch schreibt: „Nur in der Eifersucht vergessen wir zuweilen, dass Liebe nicht zu fordern ist, dass auch unsere eigene Liebe, oder was wir so nennen, aufhört, ernsthaft zu sein, sobald wir daraus einen Anspruch ableiten.“

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Rebekka Reinhard setzt auf die geistige Freiheit

Viele Menschen zeichnen sich laut Rebekka Reinhard durch ein übermäßiges Sicherheitsdenken, die Verliebtheit in das eigene Ich, einen moralischen Relativismus und Phantasielosigkeit aus. Sie sind darauf geeicht, jeglichen Irrtum als Zeitverschwendung und teuren Fehlschlag einzustufen. Sie haben verlernt, im Ungewissen zu bleiben, das Unvorhergesehene und Uneindeutige nicht nur auszuhalten, sondern auch neugierig zu bejahen. Trotz seiner vielfältigen Möglichkeiten schnell und sicher von einem Ort zu einem anderen zu gelangen und Expertenwissen nutzen zu können, sind die Menschen heutzutage bemerkenswert desorientiert. Rebekka Reinhard schreibt: „Allerdings nutzen wir die Desorientierung nicht wie Odysseus dazu, das Unbekannte zu erforschen und uns und unser Leben neu zu entdecken. Wir wissen ja oft nicht einmal, dass wir desorientiert sind.“

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