Amerika will in Europa handfeste Interessenpolitik durchsetzen

Stefan Fröhlich, Professor für Internationale Politik an der Universität Erlangen-Nürnberg, behauptet, dass die ökonomische Grundphilosophie der amerikanischen Regierung in Deutschland oftmals unterschätzt wird. Zu ihr gehören ein gemäßigter Keynesianismus und eine undogmatische Geldpolitik, die Inflationsrisiken bewusst in Kauf nimmt, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten Wachstum zu stimulieren. Stefan Fröhlich glaubt auch die Ursachen der momentanen Krise zu kennen. Er erklärt: „Die seit 2009 anhaltende Wirtschaftskrise entstand nicht zuletzt aus dem amerikanischen Versuch, die relativen Verlierer der Globalisierung in Amerika durch eine allzu großzügige Förderung des Wohneigentums zu entschädigen.“ Es waren seiner Meinung nach eben nicht allein deregulierte und ungezügelte Kapital- und Investmentmärkte, die mit ihren Spekulationen die Finanzkrise auslösten. Verantwortlich dafür war auch eine allzu spendable amerikanische Regierung und kurzsichtige Zentralbank in Washington, die bereits unter Präsident Bill Clinton damit begann, wachsende Unterschiede beim Einkommen durch die massive Ausweitung von Hypothekenkrediten mit geringer Bonität auszugleichen.

Amerika stimulierte die Wirtschaft durch Konjunkturprogramme und niedrige Zinsen

Eine solche Politik musste laut Stefan Fröhlich geradezu zwangsläufig das Profitstreben der Finanzindustrie bedienen. Als dann die Blase platzte, nahm die amerikanische Regierung wieder Geld in die Hand und rettete marode Industrieunternehmen, stimulierte die Wirtschaft durch Konjunkturprogramme und einer Politik des niedrigen Zinses. Stefan Fröhlich ergänzt: „Entsprechend dieses ordnungspolitischen Credos fordern amerikanische Ökonomen wie Paul Krugman nun mit Blick auf das europäische Krisenmanagement mehrheitlich das Ende einer unabhängigen Geldpolitik und einer auf fiskalische Konsolidierung setzenden Ordnungspolitik.“

Viele amerikanische Ökonomen argumentieren, dass bis auf wenige Ausnahmen wie zum Beispiel Griechenland, nicht die zügellose Verschuldung einiger Staaten der Kern des Problems sei, sondern die massive Geldnot des privaten Sektors. Auf das Platzen der Kreditblase reagierten die privaten Akteure wie folgt: sie verringerten ihre Ausgaben, eine individuell verständliche Vorgehensweise, die aber eine Krise nur noch verstärkt, wenn alle so handeln.

In Europa sollen die Staatshaushalte konsolidiert werden

Deshalb fordern die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler nach dem Kauf von Staatsanleihen durch die europäischen Notenbanken und die Europäische Zentralbank (EZB) in Europa Eurobonds, Wachstumsprogramme, die durch Kredite finanziert werden sowie eine Bankenunion. Die verschuldeten Staaten würden dadurch entlastet, wodurch Raum und Zeit für Konjunkturprogramme entstehen würde. Stefan Fröhlich weist allerdings mit Nachruck darauf hin, dass hinter dem politischen Drängen der Amerikaner nicht nur eine andere Wirtschaftsphilosophie steckt, sondern sich dahinter auch eine handfeste Interessenpolitik versteckt.

Die offizielle Doktrin der Europäischen Union dagegen lautet, dass eine wirtschaftliche Erholung und damit auch der Abbau der Ungleichgewichte innerhalb von Europa nur durch eine Verbesserung der Position im Wettbewerb und durch eine Konsolidierung des Staatshaushalts erreicht werden kann. Stefan Fröhlich fügt hinzu: „Mit anderen Worten: staatliche Sparprogramme stärken das Vertrauen in der Privatwirtschaft und entfalten so auch einen positiven Einfluss auf die Konjunktur.“

Von Hans Klumbies