Die Weltbevölkerung produziert täglich 3,5 Millionen Tonnen Müll

„Reduzieren“ bedeutet für Serge Latouche zunächst einmal, eine Produktionsweise und ein Konsumverhalten zu entwickeln, die sich weniger negativ auf die Biosphäre auswirken. Dabei geht es vor allem darum, den Überkonsum zu beschränken und die weitverbreitete Wegwerfmentalität abzulegen. Serge Latouche kritisiert: „80 Prozent der auf den Markt gelangenden Güter werden, wenn überhaupt, nur ein einziges Mal benutzt, bevor sie direkt in den Abfalleimer geworfen werden.“ Im Jahr 2013 produzierte die Weltbevölkerung rund 3,5 Millionen Tonnen Müll pro Tag. Die Industrieländer in Europa und Nordamerika produzieren dabei den meisten Müll: Ein Europäer 522 Kilogramm Hausmüll pro Jahr, ein Amerikaner 675 Kilogramm. Serge Latouche ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paris-Sud. Der Ökonom und Philosoph gilt als einer der wichtigsten Vordenker des französischen Konzepts der Rücknahme des Wachstums.

Der Tourismus ist der Umweltfeind Nummer eins

Auch in anderen Bereichen wäre für Serge Latouche ein Weniger wünschenswert, angefangen bei den Gesundheitsrisiken bis hin zur Arbeitszeit: „Prävention und Vorsorge müssten ausgebaut werden, statt nur für die Behandlung von Krankheiten zu sorgen!“ Eine weitere notwendige Rücknahme müsste seiner Meinung nach im Massentourismus stattfinden, denn das goldene Zeitalter der Kilometerfresserei ist vorbei. Selbst die marktgläubige Financial Times schreibt: „Der Tourismus wird in der weltweiten Öffentlichkeit mehr und mehr als Umweltfeind Nummer eins betrachtet.

Serge Latouche bestreitet aber nicht, dass der Wunsch zu reisen und die Freude am Abenteuer zum Wesen des Menschen gehören und eine Quelle der Bereicherung sind, die nicht zum Versiegen gebracht werden sollte. Aber die legitime Neugier und Wissbegierde werden von der Tourismusindustrie ausgenutzt, um Reisen zu einem vermarktbaren Konsumgegenstand zu machen, der der Umwelt, der Kultur und dem Sozialgefüge der Zielländer schadet. Die Reisesucht, die Manie, immer schneller, immer häufiger und immer billiger in immer entferntere Gebiete zu reisen, muss heruntergeschraubt werden.

Die Menschen sollten ihre nähere Umgebung wertschätzen

Der Ökotourismus ist für Serge Latouche ein ähnlicher Widerspruch in sich wie nachhaltige Entwicklung. Denn dass der Ökotourismus zur Entwicklung des Südens beiträgt, ist für ihn nur ein Alibi, eine Täuschung. Laut „Artisans du Monde“ verbleiben bei einer Pauschalreise im Wert von 1.000 Euro weniger als 200 Euro im Gastgeberland. Serge Latouche fordert: „Angesichts von Ölknappheit und Klimawandel müssen wir die Zukunft des Reisens ganz anders denken: immer weniger weit, immer seltener, immer langsamer und immer teurer.“

Die Menschen sollten zur Weisheit vergangener Zeiten zurückkehren: die Langsamkeit genießen, die nähere Umgebung wertschätzen. Früher waren die Menschen tiefer in ihrer Heimat verwurzelt und blieben in der Regel auch dort. Ein Kirchturm im Zentrum und ein Horizont, der die Grenzen einer Landschaft markierte, reichten für ein Menschenleben. Unter tausend Möglichkeiten diejenige auszuwählen, die uns der Zufall mit dem Ort unserer Geburt anbietet, zeugt nicht unbedingt von einem Mangel an Phantasie. Man muss nicht unbedingt in die Fremde ziehen, damit die Vorstellungskraft ihre Flügel ausbreiten kann. Quelle: „Es reicht!“ von Serge Latouche

Von Hans Klumbies