Serge Latouche rechnet mit dem Wachstumswahn ab

Für den französischen Ökonomen und Philosophen Serge Latouche, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paris-Sud (Orsay), gibt es im Wesentlichen drei Aspekte, von denen die Konsumgesellschaft angetrieben wird. In seinem neuen Buch „Es reicht!“ stellt er sie vor: „Werbung, um Bedürfnisse zu wecken, Kredite, um ihre Befriedigung zu finanzieren, geplante Obsoleszenz, um den Bedarf anzukurbeln.“ Daneben rechnet Serge Latouche schonungslos mit der „Religion der Ökonomie“ ab und präsentiert zugleich ein politisches Rahmenprogramm für eine Welt jenseits des Wachstums. Mit dem Schlagwort „Degrowth“ oder Wachstumsrücknahme will Serge Latouche in erster Linie ausdrücken, dass sich die Menschheit vom Ziel des exponentiellen Wachstums verabschieden muss, da dieses Ziel nur für die Profitgier der Kapitaleigner steht – mit verheerenden Folgen für die Umwelt und für jeden einzelnen Menschen.

Die Abkehr vom Wachstum ist ein politisches Projekt

Serge Latouche favorisiert ein anderes Wirtschaftssystem: „Ziel ist der Aufbau einer Gesellschaft, die uns ein besseres Leben mit weniger Arbeit und weniger Konsum ermöglicht.“ Denn das Hyperwachstum stößt schon lange an die Grenzen der endlichen Biosphäre. Die Regenerationsfähigkeit der Erde hält nicht mehr mit dem Bedarf Schritt: „Der Mensch verwandelt die Ressourcen schneller in Abfall, als die Natur diesen Abfall wieder in neue Ressourcen umwandeln kann.“

Wachstum ist laut Serge Latouche heute nur rentabel, wenn seine Kosten auf die Natur, zukünftige Generationen, die Konsumenten, die Beschäftigten und vor allem die Länder des Südens abgewälzt werden. Alle modernen Regime stützen sich auf die Steigerung der Produktivität. Sie alle betrachten das Wirtschaftswachstum als unverzichtbaren Bestandteil ihres nicht hinterfragbaren Systems. Die Abkehr vom Wachstum ist also ein politisches Projekt im strengsten Sinn des Wortes. Serge Latouche erklärt: „Es geht darum, im Norden wie im Süden autonome, sparsame, solidarische Gesellschaften aufzubauen, wobei es sich jedoch nicht um ein Programm einer zu wählenden Partei handelt.“

Serge Latouche fordert eine drastische Senkung der Arbeitszeit

Im dritten und letzten Teil seines Buches „Es reicht!“ stellt Serge Latouche den Entwurf eines kohärenten und wünschenswerten Modells der Degrowth-Gesellschaft vor. Dies ist für ihn nicht nur eine theoretische Übung, sondern auch ein wichtiger Schritt in die Richtung ihrer politischen Umsetzung. Zur Wachstumsrücknahme gehört für Serge Latouche auch eine drastische Senkung der Arbeitszeit, was für ihn der beste Schutz gegen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit ist. Das Recht auf Arbeit muss dabei allerdings nicht nur erhalten bleiben, sondern sogar gestärkt werden.

Da Wachstum und die Entwicklung im Wesentlichen Anhäufung von Kapital und Entwicklung des Kapitalismus bedeuten, heißt die Rücknahme des Wachstums auch ganz zwangsläufig die Abschaffung der Kapitalanhäufung, des Kapitalismus, der Ausbeutung und des Raubbaus. Es genügt dabei nicht, die Akkumulation zu verlangsamen, sondern man muss das ganze Konzept in Frage stellen, um diesen zerstörerischen Prozess umzukehren. Serge Latouche fordert die Menschen dazu auf, die Diktatur der Märkte anzuprangern und zwar im Namen des Aufbaus einer autonomen Gesellschaft.

Es reicht!
Abrechnung mit dem Wachstumswahn
Serge Latouche
Verlag: Oekom
Gebundene Ausgabe: 201 Seiten, Auflage: 2015
ISBN: 978-3-86581-707-5, 14,95 Euro

Von Hans Klumbies