Serge Latouche prangert die Diktatur des Wachstums an

Geld und Kredit haben laut Serge Latouche im Norden eine mächtige Diktatur des Wachstums errichtet, die sich allerdings im Süden noch viel zerstörerischer und tragischer auswirkt. Giorgio Ruffolo hat in diesem Zusammenhang vom Terror des Zinseszinses gesprochen. Der Motor der Marktwirtschaft und des Kapitalismus in all seinen Spielarten ist der Profit. Serge Latouche erklärt: „Diese Jagd nach Profit um jeden Preis wird durch die Ausdehnung von Produktion, Konsum und Kostensenkung ermöglicht.“ In jedem Kapitalisten, jedem Kapitalgeber, auch in jedem Homo oeconomicus steckt auch ein gewöhnlicher Krimineller, der sich mehr oder weniger mit der ökonomischen Banalität des Bösen einverstanden erklärt. Serge Latouche ist ein französischer Ökonom und Philosoph, Professor a.D. der Universität Paris-XI und gilt als einer der Vertreter des Konzepts der Rücknahme des Wirtschaftswachstums.

Elektromüll wird zum Ausschlachten in die Dritte Welt verfrachtet

Victor Lebow, ein amerikanischer Marktanalytiker, durchschaute die Logik des Konsumismus bereits im Jahr 1950: „Unsere ungeheuer produktive Wirtschaft verlangt, dass wir den Konsum zu unserer Lebensform machen … Wir können gar nicht anders, als Dinge zu verbrauchen und zu verbrennen, sie immer schneller und schneller zu ersetzen und wegzuwerfen.“ Mit der geplanten Obsoleszenz gibt die Wachstumsgesellschaft dem Konsumismus die perfekte Waffe in die Hand. In immer kürzeren Abständen gehen Maschinen und Gerätschaften, Glühbirnen und Brillen kaputt, weil irgendeine Kleinigkeit darauf ausgelegt ist, zu versagen.

Es ist in vielen Fällen unmöglich, ein Ersatzteil zu bekommen oder eine Reparatur in Auftrag zu geben. Gelingt es einem doch, solch ein rares Ersatzteil aufzutreiben, ist die Reparatur teurer als der Neukauf. Serge Latouche schildert die Folgen: „So kommt es, dass Berge von Computern, Fernsehern, Kühlschränken, Geschirrspülmaschinen, DVD-Geräten und Handys in Mülltonnen und auf Deponien landen, wo sie auf vielfältige Weise die Umwelt zu verschmutzen drohen: Jedes Jahr werden 37 Millionen Tonnen Elektromüll zum Ausschlachten in die Dritte Welt verfrachtet, die Schwermetalle und andere Giftstoffe enthalten.“

Der maßlose Konsum mündet in ein beschädigtes Glück

Die meisten Menschen im Westen sind zu Süchtigen des Giftstoffs Wachstum geworden. Die Giftstoffabhängigkeit zeigt sich in vielerlei Gestalt. Der konsumistischen Bulimie der Supermärkte und Warenhäuser entspricht die Arbeitssucht der Manager, der Workaholics, die Notfalls mit Überkonsum von Antidepressiva und laut englischen Studien nicht selten auch durch Kokain beflügelt werden, denn Spitzenmanager wollen natürlich immer und jederzeit „Spitze“ sein. Der maßlose Konsum des zeitgenössischen Individuums mündet in ein beschädigtes oder paradoxes Glück.

Serge Latouche behauptet: „Noch nie hat die Menschheit einen solchen Grad an Verkommenheit erreicht. Die Industrie der Tröstungsmittel sucht vergebens Linderung zu schaffen.“ Die Diagnose von Professor Dominique Belpomme lautet: „Das Wachstum ist zum Krebsgeschwür der Menschheit geworden.“ Deshalb stellt Serge Latouche die Frage, ob denn irgendjemand wirklich glaubt, dass es auf einem begrenzten Planeten grenzenloses Wachstum geben kann. Quelle: „Es reicht!“ von Serge Latouche

Von Hans Klumbies