Seneca singt ein Loblied auf die Freundschaft

Für den Philosophen Seneca gibt es keinen reineren und feineren Genuss als eine treue, herzliche Freundschaft. Wir gut und befriedigend ist es für einen Menschen, gleichgestimmte Herzen zu kennen, denen man jedes Geheimnis sicher anvertrauen kann, deren Mitwissen weniger zu fürchten ist als das eigene. Seneca schreibt: „Ihre Gespräche beruhigen uns, ihre Ratschläge helfen uns weiter, ihre Munterkeit vertreibt unsere trüben Gedanken, ihr bloßer Anblick macht uns Freude.“ Er rät allerdings, sich nur für solche Freunde zu entscheiden, die von lasterhaften Leidenschaften frei sind, denn diese schleichen sich unvermutet ein, greifen ganz leicht auf die nächste Umgebung über und richten gerade im persönlichen Umgang viel Schaden und Unheil an.

Sparsame Freunde sind große Lehrmeister

Ebenso sorgfältig sollten die Menschen laut Seneca bei der Prüfung des Charakters zu Werke gehen und sich Freude auswählen, di noch unverdorben sind. Er will damit allerdings nicht sagen, dass man sich ausschließlich Anschluss an und Umgang mit einem Weisen suchen sollte. Denn ist unwahrscheinlich schwer, einen solchen zu finden. Seneca sagt: „Der Beste unter den Schlechten muss schon zur ersten Wahl zählen.“ Vor allem sollte man keine Schwarzseher und Jammerpeter als Freude erwählen, die bei jeder Gelegenheit ihr Klagelied anstimmen.

Seneca gibt zwar zu, dass ein solcher Gefährte Anhänglichkeit und Verlässlichkeit garantiert, trotzdem bedroht ein innerlich aufgewühlter und immerfort klagender Freund die eigene Seelenruhe. Gute Freude dagegen sind die Sparsamen. Seneca erklärt: „Ohne Sparsamkeit ist kein Vermögen groß, kein Haus weiträumig genug.“ Von ihnen kann man lernen, die eigene Selbstbeherrschung zu steigern, den Aufwand einzuschränken, die Ruhmsucht zu zügeln, den Zorn zu mäßigen, ärmliche Verhältnisse mit Gleichmut zu betrachten, die Genügsamkeit zu pflegen sowie den Reichtum mehr von der eigenen Leistung als vom Schicksal zu erwarten.

Gute Freunde sorgen für Ablenkung und Vergnügen

Sich vor Freunden zu hüten, die das Übermaß anbeten, ist ein weiterer Ratschlag Senecas bei der Auswahl von Freuden. Er fragt: „Gibt es denn überhaupt etwas, das für den Menschen spricht, der übereifrig Bücherschränke aus Zitrusholz mit Elfenbeinverzierung sowie Werkausgaben unbekannter Durchschnittsautoren sammelt, sich aber inmitten Tausender Bücher langweilt und ausschließlich an den Titelblättern und er äußeren Aufmachung seiner Bände Freude hat?“

Gute Freunde dagegen sind solche Menschen, die in jeder Situation ihres Lebens Ablenkung, Entspannung und Vergnügen finden, weil sie sich dazu durchgerungen haben, Widrigkeiten nicht herauszufordern, sondern leicht zu nehmen. Sie haben erkannt, dass das ganze Leben ein Knechtdienst ist. Seneca schreibt: „Darum muss man sich halt an seine Lage gewöhnen, so wenig wie möglich über sie klagen und jeden sich bietenden Vorteil ausnutzen.“

Von Hans Klumbies