Der Weise fürchtet weder die Menschen noch die Götter

Laut Seneca unterscheidet die törichte Habsucht der Menschen zwischen Besitz und Eigentum und zählt den öffentlichen Besitz nicht zum persönlichen Eigentum. Der Weise dagegen betrachtet gerade dies als den ureigensten Besitz, was er mit der gesamten Menschheit gemeinsam hat. Seneca erklärt: „Denn Gemeingut, das in seinen Teilen nicht auch jedem einzelnen gehörte, wäre auch kein richtiges Gemeingut. Gemeinsamkeit stiftet auch das, was nur zum kleinsten Teil Gemeingut ist.“ Da die wahren und wesentlichen Güter seiner Meinung nach nicht so verteilt sind, dass für die einzelnen auch nur ein winziger Bruchteil abfällt, gehört jedem einzelnen das Ganze. Zum Beispiel gehöre Frieden und Freiheit voll und ganz sowohl allen wie jedem einzelnen.

Rede und Tat sollten übereinstimmen

Nach Seneca lehrt die Philosophie eines ganz besonders, nämlich sich für Wohltaten verpflichtet zu fühlen und sie angemessen zu erwidern. Außerdem verlangt die Philosophie durchaus keine Absage an Geist und Witz. Trotzdem sollte man nicht zu viel Aufwand mit den Worten treiben. Seneca schreibt: „Hier unser leitender Grundsatz: sagen, was wir denken, und denken, was wir sagen. Rede und Tat sollen zusammenstimmen.“ Seiner Meinung nach hat derjenige diesen Grundsatz verinnerlicht, der sich immer gleich bleibt.

Die Rede eines Philosophen soll laut Seneca nicht unterhalten, sondern Nutzen stiften. Sie soll allein dem würdigen Inhalt dienen, nicht sich selbst. Während sich andere Wissenschaftszweige sich ganz an den Verstand der Menschen wenden, handelt es sich hierbei um eine Angelegenheit des Herzens. Für den Weisen ist es laut Seneca ein unschätzbares Gut, zu sich selbst zu finden. Das bedeutet weder Menschen noch Götter zu fürchten, weder die Schande zu wollen, noch das Übermaß. Alles in allem, sich selbst fest in der Gewalt zu haben.

Seneca verachtet den Tod

Der moralische Trost hat für Seneca Wirkungen wie ein Heilmittel. Er behauptet: „Was dich innerlich aufrichtet, nützt auch deinem Körper.“ Auch die Ermunterungen der Freunde und die Gespräche mit ihnen schaffen Linderung. Für einen Kranken kann seiner Meinung nach kaum etwas so heilsam und hilfreich sein wie die herzliche Teilnahme seiner Freunde. Nichts nimmt einem Kranken in gleichem Maße die bange Todesfurcht.

Seneca rät den Tod zu verachten. Denn wer die Todesfurcht besiegt hat, braucht keine Traurigkeit mehr fürchten. Seiner Meinung nach bringt jede Krankheit drei Schwierigkeiten mit sich: Todesfurcht, körperliche Schmerzen und den Verzicht auf Lustbefriedigung. Seneca schreibt über den Tod: „Sterben musst du, weil du lebst, nicht weil du krank bist. Auch nach deiner Gesundung erwartet dich der Tod. Der Krankheit entfliehst du durch deine Genesung, nicht dem Tode.“

Von Hans Klumbies