Warum ein Staatsschuldenerlass keine nachhaltige Lösung ist

Griechenland bekommt möglicherweise zwei Jahre Aufschub, um die notwendigen Reformen zu verwirklichen und seine Schulden abzubauen. Um in diesem Zeitraum liquide bleiben zu können, benötigt die griechische Regierung weitere 20 bis 30 Milliarden Euro. Die Schulden der Griechen betragen gegenwärtig circa 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Selbst wenn Griechenland seine Wirtschaftskraft wie durch ein Wunder um 100 Prozent steigern würde, blieben immer noch 90 Prozent. Das ist die Grenze der Verschuldung, von der an es für Staaten in der Vergangenheit kaum noch möglich war, sich selbst zu finanzieren. Aber Griechenland ist nur ein Beispiel in einer Welt der enormen Staatschulden. Auch Portugal, Spanien und Italien drücken immense Schulden. Auch die USA haben die Grenze von 90 Prozent schon lange überschritten. Japan liegt über 200 Prozent und Deutschland nähert sich langsam aber sicher den 90 Prozent.

Eine Schuldenbefreiung würde automatisch zu einer Bankenkrise führen

In einer solchen prekären Lage stellen sich manche Menschen die Frage, warum sich nicht alle Staaten gegenseitig die Schulden erlassen und neu anfangen. Einer der Anhänger des Schuldenerlasses ist Albrecht Ritschl, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der London School of Economics. Er sagt: „Ein Schuldenerlass für Staaten hat sich in der Vergangenheit durchweg positiv ausgewirkt auf den Schuldner. Es gab danach regelmäßig einen stürmischen Wiederaufschwung.“ Wachstumsraten von fünf bis acht Prozent waren nach einem solchen Schritt in Ländern wie Argentinien, Russland oder Deutschland keine Seltenheit.

Die meisten Ökonomen glauben allerdings, dass eine so große Schuldenbefreiung äußerst gefährlich und für ein unvorstellbares Chaos sorgen würde. Die Schuldenkrise der Staaten würde sich rasch und automatisch in eine Bankenkrise verwandeln. Banken, die viele Staatspapiere in ihren Depots halten, würden Pleite gehen. Die negativen Auswirkungen würden auch die normalen Bürger sofort zu spüren bekommen. Albrecht Ritschl erklärt: „Die Sozialsysteme und Pensionskassen würden zusammenbrechen.“ Denn die Investitionen in Staatspapiere sichern gegenwärtig die Renten und Pensionen vieler Menschen.

Durch niedrige Zinsen können sich Industrienationen schleichend entschulden

Auf die langfristigen Folgen eines Staatsschuldenerlasses weist der Schweizer Finanzwissenschaftler Charles Blankart hin: „Wenn Staaten ihre Schulden nicht zurückzahlen, passen sich die Preise an, zu denen sie künftig Geld bekommen. Die Zinsen steigen also.“ Dadurch sinkt anschließend das Wachstum und die Investitionen fallen niedriger aus. Dazu kommt die Bedrohung des Rückfalls beim Schuldenmachen. Viele Staaten, die einmal hohe Schulden hatten, verschulden sich immer wieder neu. Ein Beispiel dafür ist Argentinien.

Da die negativen Auswirkungen überwiegen, wagt es kein Land den großen Schuldenschnitt zu machen. Lieber verringern die Staaten der Welt ihre Schulden auf unauffällige Art still und heimlich. Albrecht Ritschl erläutert: „Unsere Notenbanken halten den Zins künstlich niedrig, sodass die Staaten extrem günstig umschulden können. Damit werden die großen Industrienationen von der Zinslast befreit und können sich schleichend entschulden.“ Aber auch dies ist gefährlich, da dadurch die Geldmenge aufgebläht wird, wodurch sich die Risiken einer Inflation spürbar erhöhen.

Von Hans Klumbies