Der große Leistungsdruck in der Schule überfordert viele Kinder

Schulkinder sind in der Regel sehr widerstandsfähig, benötigen aber ihre Auszeiten und Eltern, die Gelassenheit ausstrahlen. Doch gerade Mütter übertreiben bei der Schulerziehung oft maßlos. Sie wissen nicht, dass die für die Burn-out-Kandidaten von morgen verantwortlich sind. Weil es in Deutschland inzwischen sehr viele Schüler gibt, die mit dem Leistungsdruck nicht mehr fertig werden, werden ihnen über den ganzen Tag verteilt, Anti-Stress-Trainings angeboten. Die Techniker Krankenkasse hat durch eine Studie herausgefunden, dass Stresssymptome schon im frühen Jugendalter weit verbreitet sind. Besonders bedenkliche Ergebnisse waren: Rund 20 Prozent der Jugendlichen hat mindestens einmal in der Woche Kopfschmerzen. Sogar über 30 Prozent leiden zudem unter Bauchschmerzen oder Appetitlosigkeit. Gerd Schulte-Körne, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, vertritt die These, dass der steigende Leistungsdruck in der Schule viele Kinder in eine chronische Überforderung treibt.

Der Erwartungsdruck der Eltern lastet oft tonnenschwer auf den Schülern

Gerd Schulte-Körne sagt: „Dass jetzt schon Erstklässler Angst haben, in der Schule zu versagen, ist erschreckend.“ Er weist außerdem darauf hin, dass inzwischen schon drei Prozent der Grundschüler und sechs Prozent der Jugendlichen depressiv sind. Viele Psychiater und Psychologen sehen unzweifelhaft die Hauptursache für das weitverbreitete Stressempfinden unter Schülern in den hohen Anforderungen in der auf acht Jahre verkürzten Schulzeit auf dem Gymnasium.

Für den Bielefelder Stressforscher Arnold Lohaus wäre es deshalb wichtig den Lernstoff im Gymnasium zu reduzieren. Seiner Meinung nach haben die Schüler wegen G8 zudem weniger Freizeit, die als Ausgleich für die hohe Belastung in der Schule aber enorm wichtig ist. Doch Arnold Lohaus will auch die Eltern keinesfalls aus der Verantwortung entlassen. Die Lage kann sich dramatisch zuspitzen, wenn der Erwartungsdruck der Eltern auf den Schülern lastet, die unbedingt von den Wunsch beseelt sind, dass ihr Kind mindestens das erreichen, was sie selbst erreicht haben, oder sie sogar noch übertreffen soll.

Eine Wochenarbeitszeit von bis zu 45 Stunden ist für viele Schüler ganz normal

Mit Kindern, die nicht mehr funktionieren, wie es ihre Eltern gerne hätten, hat es Alexandra Laufer in ihrer Münchner Coachpraxis zu tun. Sie sagt: „Sie kommen, wenn ihr Leistungsabfall durch Nachhilfe, Ergotherapie oder Ähnliches nicht mehr abgepuffert werden kann. Das Anliegen der Eltern: Das Kind soll wieder funktionstüchtig werden.“ Die Kinder, die zu ihr kommen, sind im Durchschnitt zwischen neun und elf Jahre alt und machen inzwischen rund ein Drittel ihrer Klienten aus.

Für Alexandra Laufer ist es in vielen Fällen fast unmöglich, mit diesen Kindern Termine auszumachen. Mit einer Führungskraft auf höchster Ebene gehe das leichter. Manchmal geht es nur am Samstagvormittag. Alexandra Laufer erzählt, dass eine Wochenarbeitszeit aus Schule, Hausaufgaben und zusätzlichem Sport- und Musikunterricht von bis zu 45 Stunden für diese Kinder zur Normalität gehört. Da bleibe keine freie Zeit mehr für die Selbstregulation. Alexandra Laufer erklärt: „Stress ist eigentlich etwas Selbstverständliches, und Kinder können lernen, damit umzugehen. Doch dafür brauchen sie Auszeiten. Sie sollen einfach mal Lust und Laune haben dürfen, einfach mal frei zu sein.“ Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung