Die Schmerztherapie in Deutschland hinkt hinterher

Laut Professor Hajo Schneck, Anästhesist und Schmerztherapeut im Landkreis Ebersberg, kommt es in Deutschland sehr häufig vor, dass Menschen unnötig Schmerzen erleiden. Er sagt: „Was Schmerztherapie angeht, war Deutschland jahrelang Schlusslicht im Vergleich mit anderen Ländern. Im Opiat-Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung liegen wir inzwischen im unteren europäischen Mittelfeld, im Vergleich zum Jahr 2000 haben wir etwas aufgeholt.“ Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass rund 80 Prozent der Weltbevölkerung keinen oder nicht genügend Zugang zu Schmerzmitteln haben. Hajo Schneck vertritt die Auffassung, dass sowohl praktische als auch emotionale Gründe dafür verantwortlich sind, dass in Deutschland die Schmerztherapie so ein Schattendasein führt. Er erklärt: „Schmerztherapie wird in den Köpfen oft mit Palliativmedizin und der Sterbehilfe assoziiert.“

In der Ärzteausbildung spielt Schmerzlinderung kaum eine Rolle

Dabei verkennen viele Menschen, dass es natürlich eine Schmerzbehandlung gibt, die sich an Personen richtet, die nicht todkrank sind, sondern nur möglichst normal ohne Schmerzen leben wollen. Doch der Umgang mit Opiaten ist für Professor Hajo Schneck nach wie vor generell schwierig. Und selbst in der Approbationsordnung ist die Algesiologie immer noch kein Pflichtfach. Er bedauert: „In der Ausbildung spielt Schmerzlinderung keine große Rolle. Es geht vornehmlich ums Heilen.“

Gemäß Hajo Schneck scheuen zudem viele Ärzte den bürokratischen Aufwand, Opiate zu verschreiben, weil das Betäubungsmittelgesetz in Deutschland so kompliziert ist. Das Argument, dass Opiate süchtig machen, lässt der Schmerztherapeut nicht gelten. Er sagt: „Das ist ganz falsch. Alkohol und Nikotin, die beiden wirklich gefährlichen Drogen in unserer Kultur, machen süchtig, Opiate lediglich, wenn man sie in Suchtabsicht einnimmt.“ Selbstverständlich muss seiner Meinung nach aber die Einnahme von starken Schmerzmitteln aus verschiedenen Gründen überwacht werden.

Chronische Schmerzen zermürben die Menschen

Professor Hajo Schneck erklärt, dass eine gute Schmerztherapie sehr aufwändig ist und entsprechend viel Geld kostet. Die Beschäftigung mit dem Patienten ist sehr zeitintensiv. Zur guten Schmerztherapie kann es seiner Meinung nach auch gehören, dass Psychotherapeuten hinzugezogen werden. Er nennt die Gründe: „Entspannungsverfahren, wie autogenes Training, Biofeedback oder Meditation, stärken die psychischen Ressourcen der Patienten, die sie für die Heilung brauchen.“

Das Gesundheitssystem ist für Professor Hajo Schneck ein Teil des Problems, da es nach wie vor die „nichtsprechende“ Medizin bevorzugt. Er kritisiert: „Das Gesundheitssystem belohnt in erster Linie die schnelle Verschreibung von hochtechnischer Diagnostik und Medikamenten. Es ist kein Budget da, um mit einem Patienten ausreichend zu reden und ihn ganzheitlich zu behandeln. Wenn dann Medikamente, wie Morphin oder auch Cannabis, verschrieben werden müssen, hat der Arzt sehr viele Formulare auszufüllen.“ Ständige Schmerzen sind für Hajo Schneck deswegen so schlimm, weil der Patient das Bewusstsein hat, dass der chronische Schmerz bleibt, wodurch die Menschen mürbe werden.

Von Hans Klumbies