Die Schichtarbeit ist ein extremer Raubbau an der Gesundheit

Der Wissenschaftsjournalist und Neurobiologe Peter Stork erwähnt es in seinem Buch „Wake up!“ immer wieder: „Chronischer Schlafmangel sowie Nacht- und Schichtarbeit gehören zu den größten Gesundheitsrisiken unserer Zeit. Wer regelmäßig nachts oder in wechselnden Schichten arbeiten muss, verringert seine Lebenserwartung.“ Außerdem riskiert er Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder Fettsucht, Herz-Kreislauf-Leiden, Schlaf- und Verdauungsstörungen, psychische Leiden aller Art und Krebs. Das Wochenmagazin „Der Spiegel“ schrieb schon im Jahr 1978, Schichtarbeit sei „Raubbau an der Gesundheit.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Berliner Chronobiologe Dieter Kunz bestätigt dies: „Schichtarbeiter haben ein erhöhtes Risiko für nahezu jede Erkrankung.“ Die britische Biologin Josephine Arendt urteilt: „Die Wechselschicht ist ein Killer.“ Sie hat schon viele Schichtarbeiter untersucht, unter anderem Menschen, die auf Ölbohrplattformen arbeiten und besonders stark rotierende, lange Schichten erdulden müssen.

Immer mehr Deutsche arbeiten am Wochenende oder nachts

Trotz dieser hohen Gesundheitsrisiken arbeiten immer mehr Deutsche am Wochenende oder nachts. Die Zahl der Schichtarbeiter hat sich in Deutschland zwischen den Jahren 2001 und 2011 von 4,8 auf 6 Millionen erhöht. Für Peter Stork ist das ein verheerender Trend. Das deutsche Arbeitszeitgesetz schreibt ausdrücklich vor, dass während der Nacht geleistete Arbeit durch Freizeit oder einen Lohnzuschlag ausgeglichen werden muss. Mehr Freizeit ist chronobiologisch sinnvoll. Es ist nicht nur ein attraktiver Anreiz, es schützt auch die Gesundheit.

Mehr Geld ist dagegen klar kontraproduktiv, denn es verleitet Menschen dazu, immer mehr Schichtarbeit anzunehmen, was ihr Krankheitsrisiko irgendwann exponentiell erhöht. Schon vor mehr als zehn Jahren schrieben die britischen Chronobiologinnen Josephine Arendt und Shantha Rajaratnam: „Die Kosten durch Schäden an der Volksgesundheit, die durch das Arbeiten außerhalb der Phasen unserer biologischen Uhren entstehen, sind gegenwärtig wohl unkalkulierbar.“ Fatalerweise sind die Gesundheitsrisiken noch nicht einmal der einzige Kostenfaktor.

Die Nachtarbeit muss begrenzt werden

Allein die Unfälle, die auf Übermüdung zurückzuführen sind, schlagen weltweit mit 80 Milliarden Dollar zu Buche. Schläfrigkeit gilt inzwischen als Ursache Nummer ein bei Verkehrsunfällen. Auch Produktivität und Effizienz der Arbeit zur falschen Zeit lassen zu wünschen übrig. Hinzu kommen aus der Sicht der Chronobiologinnen Josephine Arendt und Shantha Rajaratnam die sozialen Probleme und Konflikte, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben, weil sie dann arbeiten müssen, wenn andere ihre Freizeit haben.

Deshalb fordert Peter Spork, dass das Arbeiten in der Nacht, also in der Zeit von 22 bis 6 Uhr, so weit es irgend geht, begrenzt werden muss: „Nur in wenigen, besonders wichtigen Berufen, etwa bei Notärzten oder Pflegekräften, Feuerwehr und Polizei oder in der Überwachung der Versorgungsinfrastruktur sollte sie weiterhin gestattet sein.“ Außerdem gehören Schichtzulagen als finanzieller Anreiz abgeschafft und durch einen Freizeitausgleich ersetzt. Überall, wo Nachtarbeit nur dem Komfort der Bevölkerung dient, sollte sie verboten sein. Quelle: „Wake up!“ von Peter Spork

Von Hans Klumbies