Die Philosophie darf kein bloßer Luxusartikel sein

Wenn die Philosophie kühn und selbstbewusst ist, erhebt sie laut Rudolf Eucken den Anspruch, eine dem Denken innewohnende Notwendigkeit zu vertreten, besonders die Widersprüche auszutreiben, die ein gewöhnliches Weltbild enthält. Rudolf Eucken ergänzt: „Erst die Bewältigung dieser Widersprüche heißt es, gebe ihr eine zwingende Macht, eine Selbstständigkeit, ja eine Herrschaft über das sonstige Denken, nun erst entsteht eine Metaphysik und eine gründliche Umwandlung des Wirklichkeitsbildes.“ Diese Aufgabe der Philosophie scheint sich seiner Meinung nach über das bloße Subjekt hinauszuheben und ein unverwerfliches Ziel darzustellen. Aber auch dieser Ansatz enthält mehr Verwicklungen als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Die Philosophie muss die Umwandlung der Wirklichkeit bewirken

Für Rudolf Eucken zeigt die Erfahrung der Geschichte, dass über die nähere Beschaffenheit dessen, was als notwendiges Denken und Überwindung der Widersprüche zu gelten hat, keineswegs eine Übereinstimmung – auch unter großen Denkern – besteht. Es können sich hierbei völlig gegensätzliche Meinungen unversöhnlich gegenüberstehen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel zum Beispiel betrachtete die Widersprüche als eine Macht, die das Leben beherrscht und vorantreibt. Für Johann Friedrich Herbart dagegen schien diese Ansicht ganz und gar unerträglich zu sein.

Für Rudolf Eucken besteht kein Zweifel daran, dass die Philosophie einen irgendwie zwingenden Antrieb enthalten und irgendeine Umwandlung der Wirklichkeit bewirken muss, um eine Großmacht des Lebens zu bilden. Rudolf Eucken erklärt: „Sie darf nicht ein bloßer Luxusartikel, eine nebensächliche Zutat sein.“ Er zählt auch die Gefahren auf, die der Philosophie drohen könnten: erstens die Entwicklung zu einer bloßen Wissenschaft, zweitens der Weg zum Ausdruck einer bestrittenen Notwendigkeit und drittens ein Herabsinken auf den individuellen Geschmack beziehungsweise eine kulturgeschichtliche Lage.

Rudolf Eucken beschreibt die drei Lebensstufen des Menschen

Diese gefährlichen Wege führen gemäß Rudolf Eucken nicht über den bloßen Intellekt hinaus und die Denker können auf ihnen eine strenge Wahrheit in keiner Weise erreichen. Diese Verwicklungen können die Philosophen nur überwinden, wenn sie im Menschen verschiedene Lebensstufen anerkennen, die verschiedene Forderungen stellen und damit auch leicht miteinander kollidieren können. Das menschliche Leben zeigt für Rudolf Eucken drei Stufen: das Leben stellt den Menschen zuerst in eine gegebene Welt hinein und erzeugt dabei viele sinnliche Eindrücke und Antriebe. Die Entstehung dieses Seelenlebens ergibt allerdings keinerlei Erkenntnis.

Nur mit der Aufbietung der eigenen Tätigkeit erreicht der Mensch laut Rudolf Eucken die Stufe des Geisteslebens und der Kultur. Er erläutert: „Diese Stufe scheidet sich aber in eine Arbeitskultur und eine Inhaltskultur, oder wie es auch heißen könnte: in Zivilisation und in Geisteskultur.“ Die höchste Stufe ist die der selbstständigen Geistigkeit, zu der auch die Philosophie gehört. Rudolf Eucken schreibt: „Sie bildet nicht ein bloßes Abbild einer gegebenen Wirklichkeit, sie vollzieht nicht eine bloße Weiterbildung, sondern eine Umbildung des Lebens.“

Von Hans Klumbies