Viele Menschen haben keine Vorstellung vom eigenen Glück

Auf die Frage, warum es heute so schwer ist, zu wissen, was man will, antwortet Rolf Dobelli: „Unser Hirn ist überfordert von der Komplexität der heutigen Welt.“ Die Evolution des menschlichen Gehirns hinkt seiner Meinung nach der Evolution der heutigen Lebensform weit hinterher, wodurch ein Gefühl grundlegender Desorientierung entsteht. Auch die schier unendliche Wahlvielfalt macht den Menschen zu schaffen. Als Beispiel nennt Rolf Dobelli die Wahl eines Partners. Früher gab es in einem Dorf vielleicht zehn Optionen. In den aktuellen Partnerbörsen im Internet stehen zehn Millionen Frauen und Männer zur Auswahl. Natürlich gibt es nicht den einen, der auf den Suchenden perfekt abgestimmt ist. Und selbst wenn es ihn gäbe, würde er nicht gefunden werden. Rolf Dobelli studierte Philosophie und Betriebswirtschaft. Er ist Autor zahlreicher Romane sowie der Bestseller „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“.

Negatives Wissen ist aussagekräftiger als positives Wissen

Viele Menschen gehen deshalb immer mit der Unsicherheit durch die Welt und fragen sich, ob sie nahe genug am optimalen Partner dran sind. Dieser Zweifel bedrückt und hemmt sie in vielerlei Hinsicht. Zudem wissen die meisten Menschen nicht mit Sicherheit, was sie glücklich macht. Aber sie wissen scheinbar, was sie mit Sicherheit unglücklich macht. Rolf Dobelli fügt hinzu: „Negatives Wissen – was nicht tun – ist viel aussagekräftiger als positives Wissen. Wenn ein Mensch an den Punkt kommt, wo er weiß: Das will ich nicht mehr – das ist wahnsinnig viel wert.

Rolf Dobelli kennt viele Leute, die zufrieden sind – nicht maximale Happiness –, aber sie sind zufrieden mit ihrem Leben: „Diese Menschen haben kein Bedürfnis, irgendwas Spezielles oder Großes auf die Beine zu stellen, also eine Firma zu gründen, einen weltbewegenden Film zu drehen, einen wissenschaftlichen Durchbruch zu erzielen, nein, sie sind zufrieden, haben zwei oder drei Hobbys, passt schon.“ Nur in der intellektuellen Oberschicht sind der Antrieb und damit auch das Leiden größer. Dort muss man wollen wollen.

Die Macht des Willens wird total überschätzt

Gewöhnlich glauben die Menschen, die Erfüllung gewisser existenzieller Wünsche würde das subjektive Glücksempfinden dauerhaft erhöhen. Rolf Dobelli widerspricht dieser Annahme: „Stimmt aber nicht. Wir haben in Sachen subjektives Glücksempfinden eine set-point, das heißt eine biografisch recht stabilen Grundwert.“ Außerdem wird die Macht des Willens, dieses „Du musst es nur genug wollen!“ laut Rolf Dobelli total überschätzt. Klar ist allerdings auch, dass der Mensch eine gewisse Antriebsfreude braucht, um etwas zu erreichen.

Und obwohl der Zufall im Leben häufig eine riesengroße Rolle spielt, tun viele Menschen so, als gäbe es den nicht. Auf der anderen Seite kann man das Wollen auch üben, da es in diesem Bereich durchaus erlernbare Fähigkeiten gibt. Nach den Forschungsergebnissen des Amerikaners Roy Baumeister und dessen Buch „Die Macht der Disziplin“ gleicht der Wille tatsächlich einem Muskel, der also trainiert werden kann. Willpower ist für Rolf Dobelli nichts anderes als die antrainierte Fähigkeit, den inneren Schweinehund zu überwinden – und zwar so, dass man nicht ständig daran denken muss. Quelle: Philosophie Magazin

Von Hans Klumbies