Robert J. Shiller ruft das Zeitalter des Finanzkapitalismus aus

Robert J. Shiller vertritt die These, dass die modernen Gesellschaften im Zeitalter des Finanzkapitalismus leben und dies auch nicht bedauern sollten. Denn Finanzinstitute können und sollten seiner Meinung nach durch Vorschriften und Einschränkungen reglementiert werden, damit sie den Interessen der Gesellschaft dienen. Robert J. Shiller bescheinigt den Finanzinstituten eine eigene Logik und Macht, die eine wesentliche Voraussetzung für ihre Funktion bilden. Allen Anschein nach gibt es für sie keine echte Alternative. Robert J. Shiller zählt seit Jahren zu den Topkandidaten für den Wirtschaftsnobelpreis und zu den bedeutendsten Vordenkern in der globalen Wirtschaft. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen „Irrationaler Überschwang“ und „Animal Spirits“, das er zusammen mit George A. Akerlof geschrieben hat. Robert J. Shiller lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Yale University.

Das Finanzwesen ist die Wissenschaft von der Zielarchitektur

Es ist die Aufgabe der Ökonomen, sowohl im Finanzsektor als auch in der Zivilgesellschaft, den Menschen zu helfen, im Wirtschaftssystem einen Sinn und einen übergeordneten gesellschaftlichen Zweck zu erkennen. Robert J. Shiller gibt zu, dass dies kein leichtes Unterfangen sei, angesichts der scheinbar absurden Konzentration von Reichtum, die das System herbeigeführt hat und angesichts der häufig verwirrenden Komplexität seiner Strukturen. Im weitesten Sinn ist seiner Meinung nach das Finanzwesen die Wissenschaft von der Zielarchitektur.

Diese Zielarchitektur beginnt bei der Strukturierung der nötigen wirtschaftlichen Voraussetzungen zum Erreichen eines bestimmten Zielkanons und endet bei der treuhänderischen Verwaltung der dafür benötigten Vermögenswerte. Robert J. Shiller ergänzt: „Dabei kann es sich um Ziele von Haushalten, Kleinunternehmen, Körperschaften, kommunalen Einrichtungen, Behörden und der Gesellschaft als Ganzes handeln.“ Sobald das jeweilige Ziel festgelegt ist, brauchen die Beteiligten die richtigen Finanzinstrumente und oft auch fachmännische Ratschläge, um sie zu verwirklichen.

Die Finanzinstitute sollten auf die Ziele und Ideale einer Gesellschaft ausgerichtet sein

Die Ziele, denen das Finanzwesen dient, kommen laut Robert J. Shiller aus den Menschen selbst. Sie spiegeln ihre beruflichen Interessen, ihre privaten Hoffnungen, ihren unternehmerischen Ehrgeiz, ihre kulturellen Ambitionen und ihre gesellschaftlichen Ideale wieder. Robert J. Shiller fügt hinzu: „Das Finanzwesen an sich sagt uns nicht, wie diese Ziele aussehen sollten. Es stellt selbst kein Ziel dar.“ Im Finanzwesen geht es seiner Meinung nach auch nicht primär darum, zum Selbstzweck „Geld zu machen“.

Vielmehr ist für Robert J. Shiller die Finanzwirtschaft insofern eine funktionelle Wissenschaft, weil sie existiert, um andere Ziele voranzutreiben, die Ziele der Gesellschaft nämlich. Für den Wirtschaftswissenschaftler besteht kein Zweifel daran, dass eine Gesellschaft desto robuster und erfolgreicher ist, je besser die Finanzinstitute einer Gesellschaft auf ihre Ziele und Ideale ausgerichtet sind. Versagen ihre Mechanismen dagegen, kann die Finanzwirtschaft solche Ziele untergraben, wie es laut Robert J. Shiller in den letzten zehn Jahren auf dem Markt für minderwertige Hypotheken geschehen ist.

Von Hans Klumbies