Der Glaube prägte die Gestalt und den Inhalt des Abendlandes

Vom Glauben zu sprechen müsste für Reinhold Schneider heißen, von der Zuversicht dessen zu reden, was ein Mensch erhofft, aber auch von der Freude, der Geborgenheit und der Erwartung. Das heißt auch, von der sich immer aufs Neue herstellende Sicherheit des Überwindens, von der Verklärung der Welt und des Lebens im Lichte ihres letzten Ziels. Wolfgang Schneider fügt hinzu: „Der Glaube hat als alles durchdringende, einigende, steigernde Kraft die Geschichte des Abendlandes bewirkt, vielleicht sogar geschaffen in der ihr fortan eigenen Gestalt und seinen Inhalt gegeben.“ Der Glaube hat auch die Seelen der Menschen in einer einzigartigen Weise erweckt. Der Schriftsteller Reinhold Schneider, geboren 1903 in Baden-Baden, gestorben 1958 in Freiburg/Breisgau, wurde 1956 mit dem Friedenspreis des Deutschen Bundhandels ausgezeichnet.

Fassbar ist bestenfalls der Glaube eines einzelnen Menschen

Reinhold Schneider vertritt die These, dass man die Geschichte des christlichen Abendlandes nur verstehen kann, wenn man das gesamte Vermächtnis der abendländischen Kultur miteinbezieht. Er versteht darunter die Architektur, die Musik, die Dichtung, das Denken und alle Ausdrucksformen in denen sich Christen zu heute zu äußern vermögen. Der Glaube der Völker lässt sich laut Reinhold Schneider freilich kaum mit der nötigen Bestimmtheit umschreiben. Fassbar ist seiner Meinung nach bestenfalls der Glaube eines einzelnen Menschen, dessen Standort und Lebensinhalt von der Geschichte bestimmt wird.

Es hat der Überzeugung von Reinhold Schneider nach in vergangenen Jahrhunderten Geschlechter gegeben, denen der Glaube angeboren war, die nicht ringen mussten mit sich selbst wie ihre Urväter nach der ersten Verkündung der frohen Botschaft. Selbst die Apostel mussten innere Kämpfe durchstehen, um an Christus als Sohn Gottes zu glauben. Heute ist es leicht zu sagen, dass der Glaube tot ist. Schwer zu erkennen ist allerdings, was die Worte in Wahrheit bedeuten: „Die Liebe ist abgestorben, die Seele zerschlissen; sie ist der Stille nicht mehr fähig, in der allein ihre Liebes- und Glaubenskraft sich sammelt, ihre höchste Hoffnung gedeiht.“

Der Mensch muss sich die Anwartschaft auf die ewige Gnade auf Erden verdienen

Für Reinhold Schneider ist der Glaube, der allein die Menschen mit der einzigen tatsächlichen Macht zu verbinden vermag, wohl eine Gnade. Denn der Mensch wird immer sein, was er ist und war: Bewohner eines anderen, fremden Reichs, der hier auf der Erde im Schweiße seines Angesichts sein Tagwerk vollbringen muss, sich bewähren und die Anwartschaft auf die ewige Gnade verdienen soll. Dass inzwischen viele Menschen den Glauben verloren haben, bedeutet für Reinhold Schneider nichts anderes, als dass sie ihrer selbst verlustig gegangen sind.

Der Ungläubige steht laut Reinhold Schneider zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Er ist mit der Ewigkeit nicht mehr verbunden und kann darum auch zur Erde das ihm gemäße Verhältnis nicht mehr finden. Jeder Tag der Geschichte ist ein Gerichtstag, an einem jeden geschehen Tat und Schuld, ein jeder fordert Entscheidungen. Reinhold Schneider erläutert: „Der Mensch ist in die Geschichte hineingeboren, deren eigentlicher Inhalt nicht der Aufgang und Untergang der Staaten ist, sondern der Aufgang des Reiches Gottes und das Gericht an den Feinden dieses Reichs.“

Von Hans Klumbies

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