Das Verlangen nach Schönheit zählt zu den Grundbedürfnissen

Durch die Verbesserung ihres Aussehens hoffen viele Menschen nicht nur, den Anschein von großer Disziplin zu erwecken. Sie wollen laut Rebekka Reinhard auf diese Art und Weise ganz generell ihren Wert als gute, liebenswerte und von unerschöpflichen Möglichkeiten nur so strotzenden Menschen zur Geltung bringen. Was nur natürlich zu sein scheint, in einer Zeit, in der Individuen gesehen und bewundert werden möchten, da dies als unverzichtbare Bedingung für Ansehen und Anerkennung gilt. Wenn sich eine Frau zum Beispiel Botox spritzen lässt, geht es ihr nicht nur um eine faltenlose Stirn, sondern auch um eine existentielle Selbstvergewisserung. Sie denkt sich: „Ich sorge mich um meinen Körper, also bin ich.“ Dr. Rebekka Reinhard studierte Philosophie, Amerikanistik und Italianistik und promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Zu ihren erfolgreichen Büchern zählen „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder Die Kunst des Irrens“ und „Würde Platon Prada tragen?“

Politiker und Talkmaster sind Meister des schönen Scheins

Diese Selbstvergewisserung muss natürlich ständig wiederholt werden und von der Umwelt mit „Gefällt mir“ bestätigt werden. Dabei geht es wie Erich Fromm es formulieren würde, zu selten ums Sein und zu oft ums Haben. Rebekka Reinhard fügt hinzu: „Zu oft ist unser Körper für uns etwas, das wir haben, und zu selten etwas, was wir sind. Wer sich ständig mit dem identifiziert, was er hat, vergisst, wer er ist – wie viele der sogenannten „Celebrities“. Menschen aus Film, Fernsehen und Politik, die sich für Lichtgestalten halten.“

Politiker, Talkmaster und Topmodels sind für Rebekka Reinhard die Meister des schönen Scheins. Sie wissen genau, welche Knöpfe sie bei ihrem Publikum drücken müssen, damit es so etwas wie Authentizität bei ihren vermutet. Rebekka Reinhard ergänzt: „Die Cleversten unter ihnen haben Techniken entwickelt, die den Eindruck innerer Schönheit erwecken. Sie umgeben sich mit einer Aura, die gemäß dem kalogathia die Werte des Wahren und Guten transportiert. Werte, die Orientierung, Übersichtlichkeit, Trost und Glück verheißen.“

Schönheit ist immer auch ein Versprechen von Glück

Hier ist allerdings Vorsicht angebracht. Denn es ist laut Rebekka Reinhard leicht, Menschen als das zu sehen, was sie nicht sind, nämlich „schön“. Viele Menschen lassen sich von den selbsternannten Heroen verführen und verwechseln Schein mit Sein, Unecht mit Echt sowie Geste mit Geist. Damit bleiben ihnen die Tiefendimensionen des Schönen verschlossen. Jeder weiß, dass die Welt nicht perfekt ist. Sie ist nie so, wie sie sein sollte. Doch die Schönheit hat für Rebekka Reinhard die Macht, aus dem Chaos des Planeten Erde einen Kosmos zu machen, eine geordnete, sinnvolle Gestalt.

Rebekka Reinhard zählt das Verlangen nach Schönheit zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Sie erläutert: „Der Wunsch, gut auszusehen, und die Sehnsucht ein gutes Leben zu haben, hängen untrennbar zusammen. Schönheit ist schließlich viel mehr als die Abwesenheit von körperlichen Mängeln. Schönheit ist immer auch ein Versprechen von Glück.“ Die meisten Menschen hoffen, ein besseres Leben zu haben, indem sie sich um ihr Äußeres sorgen. Sie wollen dabei nicht einmal eine Berühmtheit sein, sondern sich einfach gut fühlen.

Von Hans Klumbies