Revolutionstheorien von Ralf Dahrendorf und Karl Marx

In gewisser Weise ist Revolution für Ralf Dahrendorf ja nur ein anderes Wort für Hoffnung, jenes unentbehrlichen Prinzips des Lebens. Die Fragen und Erwägungen, ob die Amerikanische Revolution oder die Revolution von 1989 in den kommunistischen Ländern Europas ein Erfolg waren sind für ihn im Grunde gleichgültig. Ralf Dahrendorf schreibt: „Menschen werden nicht gefragt, ob sie Revolutionen wollen oder nicht. Revolutionen finden statt, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Sie sind in der Tat wie ein Gewitter oder ein Erdbeben.“ Revolutionen werden zwar von Menschen gemacht, aber diese handeln laut Ralf Dahrendorf immer unter Umständen, die sie nur höchst bedingt unter Kontrolle haben.“

Die Theorie der Revolution von Karl Marx

Ralf Dahrendorf zitiert Karl Marx, der geschrieben hat: „Die Menschheit stellt sich notwenig nur Aufgaben, die sie auch lösen kann.“ Die Erklärung der Revolutionen von Karl Marx hält Ralf Dahrendorf zwar für brillant, aber dennoch für einen Irrtum. Der erste Teil der Theorie der Revolution von Karl Marx hat laut Ralf Dahrendorf mit den sozialen Klassen zu tun. In jeder geschichtlichen Epoche stehen sich demnach zwei Klassen gegenüber. Die herrschende Klasse ist von Beginn an bereit zum Kampf, die unterdrückte Klasse dagegen muss erst diverse Phasen der Formierung durchlaufen, ehe sie den Kampf aufnehmen kann.

Anschließend beginnt für Karl Marx der Endkampf, in dem eine revolutionäre Umwälzung eine Epoche zum Abschluss bringt. Die alte herrschende Klasse verschwindet in den unendlichen Weiten der Geschichte, die alte unterdrückte Klasse übernimmt die Herrschaft. Der zweite Teil der Theorie von Karl Marx geht davon aus, dass die herrschende Klasse die jeweils charakteristischen Produktionsverhältnisse einer Epoche repräsentiert. Die unterdrückten Klassen dagegen ziehen ihre Stärke aus neuen Produktivkräften, aus allem was Zukunft hat und Wandel bewirkt.

Kleine Veränderungen können die revolutionäre Explosion auslösen

Ralf Dahrendorf schreibt: „Revolutionen sind nicht nur extreme Ausrucksformen des Protestes gegen unerträgliche Lebensbedingungen, sondern sie versprechen neue Weisen der gesellschaftlichen Organisation. Sie öffnen das Tor für Chancen, die ein altes Regime unterdrückt hat.“ Es gehört zur Theorie von Karl Marx, dass die revolutionäre Explosion in dem Augenblick ausbricht, in dem die Lebensumstände der Unterdrückten einen Tiefpunkt erreicht haben.

Ralf Dahrendorf widerspricht dieser These: „In Wirklichkeit ist das nicht der Fall. Die am stärksten Not Leidenden werden eher lethargisch als aktiv, und hoffnungslose Unterdrückung schafft das große Schweigen der Tyrannis.“ Explosionen finden seiner Meinung nach statt, wenn es kleine Veränderungen gibt, der Funken der Hoffnung glimmt, der von einem Funkten der Erregung unterstützt wird. Zudem muss es ein Zeichen der Schwäche auf der Seite der Mächtigen, verbunden mit einem Signal der politischen Reform, geben.

Kurzbiographie: Ralf Dahrendorf

Ralf Dahrendorf wurde am 1. Mai 1929 in Hamburg geboren. Er lehrte Soziologie in Hamburg, Tübingen und Konstanz und war seit 1969 Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Von 1974 bis 1978 war er Direktor der London School of Economics und anschließend Warden des St. Anthony`s College in Oxford.

Zu seinen bekanntesten Büchern zählen: „Soziale Klassen und Klassenkonflikte in der industriellen Gesellschaft“, „Gesellschaft und Freiheit“, „Die angewandte Aufklärung“, „Gesellschaft und Demokratie in Deutschland“, „Fragmente eines neuen Liberalismus“ und „Betrachtungen über die Revolution in Europa“. Ralf Dahrendorf starb am 17. Juni 2009 in Köln.

Von Hans Klumbies