Die Existenz gewinnt ihre Schönheit durch das Unberechenbare

Die aktuelle Sommerausgabe des Philosophie Magazins stellt in seinem Titelthema die Frage, ob überwiegend der Zufall das Leben der Menschen bestimmt. Für die Philosophin Svenja Flaßpöhler ist der Zufall das metaphysische Rätsel an sich, das bis heute für die tiefsten Kränkungen des menschlichen Selbstbildes verantwortlich ist. Deshalb versuchen die Menschen mit immer raffinierteren Methoden den Zufall zu kontrollieren. Es gibt zwei Fiktionen, um sich über die Zufälligkeiten des Lebens hinwegzutrösten. Die erste ist der Glaube an das Schicksal, an einen übernatürlichen Willen, der alles fügt. Sonja Flaßpöhler erläutert: „Der schicksalsgläubige Mensch vertraut auf die schützende Hand, die er über sich wähnt und die ihn genau dorthin gestellt hat, wo er sich gerade befindet.“ Der zweite Trost ist der Glaube an die Selbstbestimmung, an die überwältigende Kraft des eigenen Tuns. An die Stelle des Gottvertrauens tritt das Selbstvertrauen.  

Albert Camus verkörpert die Überzeugung: „Wahrheit braucht Mut“

Die Rubrik „Philosophen“ hat das Philosophiemagazin diesmal Albert Camus gewidmet, der wie kaum ein anderer Denker des 20. Jahrhunderts eindrücklicher die Überzeugung verkörperte. „Wahrheit braucht Mut.“ Als Philosoph, Dramatiker, Literat und Journalist stellte sich der Literaturnobelpreisträger von 1957 in verschiedenen Formen die Frage nach dem möglichen Lebenssinn in einer absurden Welt. Anstatt abstrakten Prinzipien und starren Ideologien zu folgen, fordert Albert Camus ein Leben, dass im täglichen Kampf gegen das Absurde seine menschliche Würde gewinnt.

Robert Pfaller, Professor für Philosophie an der Universität für angewandte Kunst in Wien, beschäftigt sich in seinem Artikel „Eine Packung für die Freiheit“ mit der immer mehr um sich greifenden Bevormundung der Bürger durch die Politik. Sie hat scheinbar nichts besseres zu tun, als ihre Untertanen wie kleine Kinder zu behandeln und ihnen zunehmend ihre kleinen Freuden und Laster zu verbieten. Robert Pfaller prangert die Politiker an, die dem Einzelnen lächerliche Vorschriften macht, anstatt vollends unverantwortungslos handelnde „Big Player“ daran zu hindern, Massenarmut und Jugendarbeitslosigkeit in nicht gekanntem Ausmaß zu erzeugen.

Die Philosophie wies Imre Kertész den Weg zur Literatur

Eines der vielleicht letzten Interviews hat das Philosophie Magazin mit dem Literaturnobelpreisträger Imre Kertész geführt. Es war die Philosophie, die dem Schriftsteller den Weg zur Literatur wies, allen voran Friedrich Nietzsche, Ludwig Wittgenstein und Albert Camus. Imre Kertész hat sich im Verlauf seines Lebens viele Gedanken über die Philosophie gemacht und ist unter anderem zu folgender Erkenntnis gelangt: „Nachdenken ist schwierig. Einfach denken reicht nicht, man braucht einen Gegenstand, über den man Nachdenken kann. Die Klassiker der Philosophie waren für mich dieser Gegenstand.“

Auch ansonsten hat die Ausgabe 5. / 2013 des Philosophie Magazins eine Reihe weiterer hochinteressanter Artikel im Angebot. So fordert der belgische Philosoph Philippe Van Parijs in seinem Beitrag Englisch für alle. Die ganze Welt solle seiner Meinung nach eine einheitliche Sprache sprechen. Ein Selbstversuch taucht ein in die Welt der Quantified-Self-Bewegung. Mittels technischer Geräte protokollieren die Anhänger ihren gesamten Alltag. Als Buch des Monats stellt das Philosophie Magazin „Warum es die Welt nicht gibt“ von Markus Gabriel vor.

Von Hans Klumbies