Das Leib-Seele-Problem ist noch immer nicht gelöst

Auf die Frage „Was ist Schmerz?“ kann man zwei Antworten geben. Erstens: „Schmerz ist, wenn es weh tut“, zweitens: „Schmerz ist ein Zustand, der von Gewebeverletzungen verursacht wird und der seinerseits Schmerzverhalten wie Schreien verursacht.“ Philipp Hübl erklärt: „Die erste Antwort nennt das subjektive Erleben von Schmerz aus der Innenperspektive, die zweite die objektive, von außen beschreibbare Ebene der kausalen Prozesse.“ Die Geschichte der Philosophie kennt zahlreiche Lösungsvorschläge des Leib-Seele-Problems. Doch die meisten verkennen den schwierigen Forschungsgegenstand, nämlich das phänomenale Bewusstsein. So sagen zum Beispiel die Computer-Funktionalisten, der menschliche Geist verhält sich zum Gehirn wie eine Software zu einer Hardware. Wenn man den Geist als ein Computerprogramm auffasst, kann man die Verarbeitung von Informationen im Gehirn gut veranschaulichen. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

Der Geist hängt von der Materie ab

Doch dabei bleibt man ausschließlich auf der funktionalen Ebene und lässt das Innenleben des Menschen aus. Auch der Ansatz der Behavioristen lässt den subjektiven Eindruck beispielsweise der Wut aus, den ein Mensch im Bewusstsein erlebt und der ja erst dazu führt, dass man seine Wut sichtbar herauslässt. Auch die Grundannahme des Substanz-Dualismus kann für Philipp Hübl nicht wahr sein, der zufolge Geist und Materie zwei unabhängige Substanzen sind, die sich gegenseitig beeinflussen.

Substanz-Dualisten wie René Descartes leugnen zwar nicht zwingenderweise, dass Bewusstsein existiert, aber sie behaupten, der Geist liege außerhalb von Raum und Zeit, entfalte aber dennoch Kausalkräfte, die in die Welt der Materie hineinwirken können. Philipp Hübl erläutert: „Das ist nicht nur schwer vorstellbar, sondern widerspricht auch der Beobachtung, dass unser Geist von der Materie, genauer unserem Gehirn, abhängt, denn ohne Hirn können wir nicht denken, fühlen oder wahrnehmen.

Das Bewusstsein besteht aus phänomenalen Erlebnissen

Verschiedene Fähigkeiten des Menschen wie beispielsweise das Sprechen oder das Sehen sind in spezialisierten Bereichen des Gehirns angesiedelt. Schädigt man diese Bereiche, so schädigt man auch die Fähigkeiten. So wie das Gehirn auch die Grundlage für das Bewusstsein ist, indem es Bewusstsein realisiert, gilt umgekehrt, dass Bewusstsein auf dem Gehirn superveniert, also einseitig davon abhängt. Einseitig, weil es keine Veränderung im Bewusstsein ohne eine Veränderung im Gehirn gibt, aber sehr wohl Veränderungen im Gehirn, ohne dass ihnen etwas im Bewusstsein entspricht.

Die gleichzeitige Beziehung zwischen Gehirn und Bewusstsein, die sich auf einer vertikalen Achse abspielt, bezeichnet Philipp Hübel als Supervenienz: „Supervenienz und Verursachung haben einzig gemein, dass die Abhängigkeiten asymmetrisch sind, denn sie gehen nur in eine Richtung. So hängt die Wirkung von der Ursache ab, aber nicht umgekehrt. Das Bewusstsein hängt vom Hirn ab, aber nicht umgekehrt, denn es kann Hirn ohne Bewusstsein, aber nicht Bewusstsein ohne Hirn geben.“ Das Bewusstsein besteht aus phänomenalen Erlebnissen und nicht aus Molekülen. Quelle: „Der Untergrund des Denkens“ von Philipp Hübl

Von Hans Klumbies