Philipp Bloms Plädoyer für die radikale Aufklärung

Philipp Blom entführt seine Leser in den Salon des Barons d`Holbach, wo sich wenige Jahre vor dem Ausbruch der Französischen Revolution einige der intelligentesten Denker Europas treffen. Zur illustren Runde gehören unter anderen Denis Diderot, David Hume, Laurence Sterne und Jean-Jacques Rousseau, die über eine zeitgemäße Philosophie diskutieren, die mit den Tabus der Vergangenheit bricht. Ihr Denken will die Religion hinter sich lassen, sich rein auf die Kraft des Verstandes stützen und zugleich den Leidenschaften einen angemessenen Raum zugestehen. Diese radikale Variante der Aufklärung konnte sich bis heute noch nicht in größeren Kreisen der Gesellschaft durchsetzen. Philipp Blom plädiert dafür, diesen aufklärerischen Ansatz der besten Köpfe Europas wieder aufzugreifen, denn er liefert Argumente zu einem vernunftgemäßen Umgang mit der Religion, setzt sich mit den Rollen der Geschlechter auseinander und propagiert die Idee einer wirklich menschlichen Gesellschaft.

Aus der Sinnlosigkeit der Existenz entsteht eine neue Ethik

Philipp Blom zählt Baron d`Holbach nicht nur zu den wichtigsten Antreibern der französischen Aufklärung, sondern würdigt ihn auch als Autor, der die ersten kompromisslos atheistischen Bücher seit der Antike veröffentlichte. Zusammen mit Denis Diderot vertrat er wahrhaft revolutionäre Ideen, die damals schon von Maximilien Robespierre und seinen Spießgesellen bekämpft wurden. Der Umsturz, den die beiden Männer mit ihren Freunden im Salon des Barons planten, zielte auf die Fundamente des abendländischen Denkens.

Die Vorstellung hinter dem Leben der Menschen müsse eine höhere Intelligenz stehen, wurden von den Freuden des Barons d`Holbach auf den Kopf gestellt. Philipp Blom schreibt: „Gerade aus der Sinnlosigkeit der Existenz von homo sapiens lässt sich eine Ethik gewinnen. Nur so können unsere Flucht vor Schmerzen und unsere Suche nach Genuss zum Anfang einer gemeinsamen Geschichte werden, denn sie führen zu der Einsicht, dass kein Mensch eine Insel ist, dass unsere Empathie ebenso stark ist wie unser Überlebenstrieb, dass wir nur durch Solidarität bestehen und sozial zielführende Lebensweisen finden können.“

Die Idee der radikalen Aufklärung strotzen vor Kraft und Schönheit

Im Epilog schreibt Philipp Blom, dass die Ideen der radikalen Aufklärung augenscheinlich noch immer radikal und so lebendig sind wie am Tag ihrer Entstehung. Für ihn strotzen sie immer noch vor Kraft und Schönheit. Und noch immer fordern sie die Menschen dazu heraus, sich zu hinterfragen und sich dem Risiko auszusetzen, dass dabei auch traditionelle Grundannahmen ihres Lebens beschädigt oder zerstört werden könnten. Deshalb müssen die Menschen lernen, ständig neu über sich und andere nachzudenken.

Baron d`Holbach und seine Freunde haben Geschichte geschrieben. Sie definierten die Debatte zwischen Religion und Wissenschaft, Politik und Moral neu. Schon zu Lebzeiten hatten sie erkannt, dass nur die Nachwelt ihre wahre Leistung beurteilen können wird. Denis Diderot, der sich nach der Unsterblichkeit sehnte, sagte einige Tage vor seinem Tod zu einem Besucher: „Der erste Schritt zur Philosophie ist die Ungläubigkeit“.

Kurzbiographie: Philipp Blom

Philipp Blom wurde 1970 in Hamburg geboren und studierte in Wien und Oxford. Heute lebt er als Schriftsteller und Historiker in Wien und schreibt regelmäßig für europäische und amerikanische Zeitschriften und Zeitungen. Im Jahr 2009 ist von ihm im Carl Hanser Verlag das Buch „Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914“ erschienen, für das er im selben Jahr den NDR Kultur Sachbuchpreis erhielt.

Böse Philosophen
Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung
Philipp Blom
Verlag: Hanser
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten, Auflage: 2011
ISBN: 978-3-446-23648-6, 24,90 Euro

Von Hans Klumbies