Eine Wirtschaftskrise wie 2008 darf sich nicht wiederholen

Philipp Blom ist fest davon überzeugt, dass sich eine Wirtschaftskrise wie 2008 nicht wiederholen darf, weder moralisch noch finanziell: „Mit der Bankenrettung verloren demokratische Regierungen ihre Legitimität in den Augen vieler Bürger, die begriffen oder zu begreifen meinten, dass hier eine Seilschaft sich selbst versorgte, während sie zahllose einfache, hart arbeitende Leute in den Abgrund stürzen ließ.“ Diese Krise hat nicht nur finanzielle Reserven nutzlos verbrannt, sondern auch sehr öffentlich und ohne jedes Schamgefühl den Glauben an die fundamentale Gerechtigkeit einer Gesellschaft, die ehrliche Arbeit belohnt und Verbrechen bestraft. Wenn die liberale Demokratie in den Augen so vieler dramatisch versagt und so offensichtlich immer weniger imstande ist, die fundamentalen Versprechen des Gesellschaftsvertrags einzuhalten, dann ist es verständlich, dass sich die Menschen nach Alternativen umsehen, die ihnen eher geeignet erscheinen, ihre Interessen zu wahren, und die auch ihrem Selbstbild besser entsprechen. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Der Liberalismus steht autoritären Tendenzen gegenüber

Phillip Blom erläutert: „So hat sich die Zukunft der reichen Welt in einen liberalen und einen autoritären Traum aufgespalten, die beide nicht notwendigerweise demokratisch sind oder Menschenrechte respektieren.“ Philipp Blom nennt diese beiden Träume den Markt und die Festung. Hinter diesen Bildern stehen keine Ideologien, sondern Haltungen zur Welt, die eine geprägt von einer grundsätzlichen Offenheit – für wen, bleibt zu fragen –, die andere vom drängenden Verlangen nach Sicherheit.

Längst hat sich gezeigt, dass diese Haltungen das politische System der Nachkriegszeit innerhalb von wenigen Jahren von der Landkarte gewischt haben. Rechts und links, konservativ und progressiv, religiös und säkular – diese Begriffe treffen nur noch unvollständig zu auf die ideologischen Allianzen und Familienähnlichkeiten zwischen unterschiedlichen Formen des Populismus, die sich als das stärkste Idiom der gesellschaftlichen Umbrüche der unmittelbaren Zukunft etablieren. Politische Debatten und Entscheidungen geschehen entlang dieser Grenze zwischen dem liberalen und dem autoritären Traum, zwischen dem Markt und der Festung.

Die Politik hatte ihr ganzes Vertrauen in die Kräfte des Marktes gesetzt

Philipp Blom weiß: „Arbeitslosigkeit und soziale Hoffnungslosigkeit durch Digitalisierung, völkischer Nationalismus als Rebellion gegen intensivierte Migration im Zuge des Klimawandels und globalen Finanzmärkte, deren nächste Krise nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, werden eine große, vielleicht sogar zu große Herausforderung für liberale Demokratien und die Durchsetzung von Menschenrechten darstellen.“ Ob und wie diese Herausforderung bewältig oder zumindest überstanden werden kann, wird davon abhängen, wie rasch die Länder und Wirtschaftsräume mit dem größten politischen und ökonomischen Einfluss gemeinsam handeln, wie entschieden sich Zivilgesellschaft und Bürger dafür einsetzen, auf wie viel Konsumenten zu verzichten bereit sind und wie akkurat die aktuellen Klimamodelle sind.

Noch ein anderer Faktor wird laut Philipp Blom eine überraschend wichtige Rolle spielen. „Ideas are back.“ Während der letzten drei Jahrzehnte wurde jedes größere soziale oder wirtschaftliche Problem an den Markt verwiesen, der jedes Ungleichgewicht wie durch Zauberei wieder ins Lot bringen würde. Der Markt aber hat nichts ins Lot gebracht, und die öffentliche Konversation findet abseits der politischen Strukturen statt, die ihr ganzes Vertrauen in die Kräfte des Marktes gesetzt hatten. Quelle: „Was auf dem Spiel steht“ von Philipp Blom

Von Hans Klumbies