Die Währungsunion verursacht nicht die hohe Staatsverschuldung

Das wichtigste Qualitätsmerkmal ist für den Ökonomen und Wirtschaftsweisen Peter Bofinger die Inflationsrate. Ist diese niedrig, können die Menschen sicher sein, dass ihre Geldersparnisse auf Dauer ihren Wert behalten. In der volkswirtschaftlichen Literatur sind sich die meisten Geldtheoretiker darüber einig, dass eine Inflationsrate von 2 Prozent einen guten Zielwert für eine Geldpolitik darstellt, die sich an Stabilität orientiert. Peter Bofinger erklärt, dass dieser Wert durchaus sehr ehrgeizig ist. Dies kann man daran erkennen, dass die deutsche Bundesbank in den Jahren von 1949 bis 1998, in denen sie die geldpolitische Verantwortung für Deutschland innehatte, im Durchschnitt eine Inflationsrate von 2,7 Prozent erzielte. Wer sich in der Wirtschaftsgeschichte gut auskennt, weiß allerdings auch, dass es bei einer aktuell niedrigen Inflationsrate zu einer massiven Geldentwertung kommen kann, wenn die Staatsverschuldung zu stark zunimmt. 

Die Schuldenstandsquote dient zur Beurteilung der öffentlichen Schulden

Peter Bofinger fügt hinzu: „Am Ende kann ein solcher Prozess dazu führen, dass eine Währungsreform erforderlich wird, bei der die Sparer große Teile ihres Vermögens verlieren.“ Die Höhe der Staatsverschuldung ist auch ein wichtiger Indikator für den Ausbruch einer Wirtschaftskrise. Da es laut Peter Bofinger bei der Beurteilung der öffentlichen Schulden immer auch auf die Wirtschaftsleistung eines Landes ankommt, ist der dafür geeignete Gegenstand der Betrachtung die Schuldenstandsquote.

Diese lässt sich ganz einfach errechnen, indem man den Schuldenstand eines Staates in das Verhältnis zu seinem nominellen Bruttoinlandsprodukt setzt, das ja die Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft widerspiegelt. Peter Bofinger weist darauf hin, dass hier die Länder der Europäischen Union vor langer Zeit im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts einen Schwellenwert fixiert haben, der 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) eines Landes beträgt. Peter Bofinger erläutert: „Er wurde 1990 einfach vom Mittelwert der Schuldenstandsquoten der damaligen Mitgliedsländer abgeleitet.“

Hohe Defizite bei der Leistungsbilanz gefährenden die Stabilität eines Finanzsystems

Der Leistungsbilanzsaldo bildet die Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben einer Volkswirtschaft ab. An einem Leistungsbilanzdefizit erkennt der Ökonom, dass eine Volkswirtschaft über ihre Verhältnisse gelebt hat. Peter Bofinger ergänzt: „Für die Stabilität eines Finanzsystems eines Währungsraums ist es deshalb gefährlich, wenn es über längere Zeit hinweg zu hohen Defiziten in der Leistungsbilanz kommt.“ Seiner Meinung nach ist es auch viel zu kurz gegriffen, wenn in der deutschen Debatte die Währungsunion als entscheidende Ursache für die hohe öffentliche Verschuldung verantwortlich gemacht wird.

Auch hält Peter Bofinger die pauschale Kritik an den Politikern, die einfach nicht mit öffentlichen Geldern umgehen können, für unangemessen. Vergleicht man den europäischen Währungsraum mit anderen großen Währungsräumen wie China, Indien, Japan, das Vereinigte Königreich oder den USA lässt sich vielmehr erkennen, dass es in den letzten Jahren weltweit große Verwerfungen gegeben hat, die auch in Volkswirtschaften mit einer eigenständigen nationalen Währung offensichtlich nur schwer ohne ein höhere staatliche Kreditaufnahme bewältigt werden konnten. Peter Bofinger stellt fest: „Der Euro-Raum als Ganzes ist dabei von diesen Erschütterungen weniger betroffen als andere Währungsräume.“

Von Hans Klumbies