Im Fall Griechenland haben der Staat und die Märkte versagt

Die Diagnose Staatsversagen trifft für den Wirtschaftsweisen Peter Bofinger auf Griechenland uneingeschränkt zu. Dem Land ist es bis zum Jahr 2007, trotz eines weit überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums nicht gelungen, sein Defizit des Budgets unter die Marke von drei Prozent zu drücken. Das Problem waren dabei nicht einmal in erster Linie die Ausgaben des griechischen Staates, da diese in Relation zur Wirtschaftsleistung in den Jahren 2000 bis 2007 mit 45,8 Prozent sogar etwas unter dem Durchschnitt des Euro-Raums mit 48 Prozent lagen. Peter Bofinger erklärt: „Das hohe Defizit resultierte vor allem aus zu geringen Staatseinnahmen. In Relation zur Wirtschaftsleistung erreichten sie einen Wert von 40,2 Prozent, was erheblich weniger war als der Durchschnitt des Euro-Raums (45,1 Prozent).“ Peter Bofinger ist seit 1992 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Seit März 2004 ist der Ökonom als sogenannter „Wirtschaftsweiser“ Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Schon im Jahr 2004 wurde gegen Griechenland ein Defizitverfahren eröffnet

Die vergleichsweise geringen Staatseinnahmen Griechenlands sind laut Peter Bofinger vor allem darauf zurückzuführen, dass das Steuereinkommen aus Unternehmensgewinnen und Einkommen in dem südeuropäischen Land geringer war als in fast allen anderen OECD-Ländern. Der Wirtschaftsweise hält jedoch die Kritik für übertrieben, Griechenland sei überhaupt nicht in der Lage, Steuereinnahmen zu generieren. Der Fall Griechenlands verdeutlicht für Peter Bofinger jedoch sehr gut die Schwächen des damaligen Stabilitäts- und Wachstumspakts.

Gegen Griechenland wurde schon im Jahr 2004 erstmals ein exzessives Defizitverfahren eröffnet. Peter Bofinger erinnert sich: „Nach mehreren Ermahnungen durch den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister wurde es im Juni 2007 eingestellt. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass es Griechenland im vorangegangenen Jahr gelungen sei, sein Defizit auf 2,6 Prozent zu reduzieren.“ Tatsächlich wies Griechenland im Jahr 2006 ein Defizit von 6 Prozent auf, aus den 2,4 Prozent des Jahres 2007 wurde am Ende 6,8 Prozent.

Nicht einmal jahrelanges Fehlverhalten wurde bestraft

Neben einer unzuverlässigen Datenbasis litt der Pakt für Stabilität und Wachstum auch darunter, dass selbst jahreslanges Fehlverhalten völlig folgenlos blieb, wenn es einem Land wieder gelang, sein Defizit unter die 3-Prozent-Marke zu führen. Im Fall Griechenland weist Peter Bofinger ausdrücklich darauf hin, dass hier nicht nur ein Versagen des Staates vorliegt, sondern auch die Märkte große Schuld auf sich geladen haben.

Peter Bofinger erklärt: „Obwohl es den Investoren möglich gewesen wäre, sich über die eklatanten Schwächen im griechischen Staatshaushalt zu informieren, zögerten sie nicht, in großem Stil griechische Staatsanleihen zu erwerben, ohne dafür einen nennenswerten Risikoaufschlag zu verlangen.“ Die Renditedifferenz zwischen langfristigen griechischen und deutschen Anleihen lag im Jahr 2006 lediglich bei 0,3 Prozentpunkten. Peter Bofinger weist darauf hin, dass das ganze Dilemma durch die Ratingagenturen noch beflügelt wurde, die Griechenland Bewertung von Mitte der neunziger Jahre bis 2006 deutlich nach oben angehoben hatten.

Von Hans Klumbies