Der ewige Friede bleibt ein unerreichbarer Menschheitstraum

Die verherrenden Wirkungen des Siebenjährigen Krieges waren nach dreißig Jahren noch spürbar. Die Ideale von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ der Französischen Revolution erstickten am Gegensatz von „Bruder“ und „Vaterlandsverräter“, hatten zu Guillotine, Diktatur und Krieg geführt. Da erscheint Immanuel Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“. Der Wille zum Frieden war allgemeine Hoffnung. Ewiger Friede aber blieb ein unerreichbarer Menschheitstraum. Paul Kirchhof schreibt: „Doch Immanuel Kant dachte radikal und kategorisch. Seine Schrift machten diesen Frieden zur Utopie – unmöglich mit einem Hauch von Hoffnung. Die Idee des Weltfriedens ist letztlich darauf angelegt, lang ersehnt und doch unverhofft verwirklicht zu werden.“ Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

Immanuel Kant vertraut der Vernunft des Menschen

Immanuel Kant denkt beherzt: Er löst sich zielstrebig und selbstbewusst von herkömmlichen Kriegserfahrungen und Friedensverträgen, entwickelt eine dem Menschen zugetane Freiheitsidee, die alle Menschen in einer Form weltweiten friedlichen Zusammenhalts einen will. Er vertraut der Vernunft des Menschen, ermutigt jeden Menschen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen, erwartet von jedem Menschen Entschlusskraft und Selbstbewusstsein, um der Gewohnheit, der Bequemlichkeit und Ängstlichkeit zu entrinnen und der Natur des Menschen nach seinem Verstand zu folgen.

Sich aus der Enge seiner Gegenwart herausdenkend, strebt Immanuel Kant eine bessere Zukunft an, in der alle Menschen als Glieder einer Gesellschaft frei sind, sie sich der Verbindlichkeit einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung unterwerfen und nach dem Gesetz der Gleichheit in einer für alle Staatsbürger gestifteten Verfassung leben. In einem „Gesellschaftsvertrag“ geben die Menschen ihre wilde, gesetzlose Freiheit auf und gründen einen Staat, wobei sie sich öffentlichen Gesetzen unterwerfen und so den Frieden für ein Leben in Freiheit und Gleichheit finden.

Adam Smith vertritt eine Freiheit aus gegenseitiger Wertschätzung

Immanuel Kant fordert einen weltweiten Friedensvertrag, der aber, da die souveränen Staaten keine Herrschaft über sich dulden, eher einem permanenten Staatenkongress nahekommt. Es sei Pflicht, zugleich „gegründete Hoffnung“, „den Zustand des öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung, wirklich zu machen“: den ewigen Frieden, der keine leere Idee sei, sondern eine Aufgabe, die, „nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele beständig näher kommt“. Der Denker aus Königsberg lebt in einer Zeit, die durch mehr Vernunft einen allgemeinen Frieden und individuelle Freiheit sichern will.

Adam Smith gibt damals einen gleichermaßen beherzten, aber grundsätzlich anderen Impuls: die Freiheit aus gegenseitiger Wertschätzung. Wenn der eigene Bruder auf der Folterbank liegt, tritt man in seiner Fantasie gleichsam in seinen Körper ein, nimmt seine Qualen in sich auf, tauscht mit dem Leidenden in der Fantasie den Platz. Paul Kirchhof ergänzt: „Wir teilen Freud und Leid mit anderen, wollen dem Glücklichen unsere Glückwünsche aussprechen, den Betrübten unseres Beileids versichern.“ Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof

Von Hans Klumbies