Die Demokratie garantiert die freie Meinungsäußerung

Klug denken heißt, sich nicht nur auf persönliche Erfahrungen zu verlassen oder die Auffassungen höherer Institutionen blind zu übernehmen. Allan Guggenbühl erklärt: „Kluge Menschen verstehen das Wissen ihrer Kultur als Ressource für eigenständige und kritische Gedanken zu nutzen. Wie wir denken, hängt darum auch von den Einbindungen in unsere Gemeinschaft und Zivilisation ab.“ Demokratische Gesellschaften zeichnen sich durch einen öffentlichen Diskurs aus. Man hört sich die Geschichten verschiedener Gemeinschaften an und beteiligt sich an ihren Aufregungen. Am öffentlichen Diskurs darf jeder teilhaben. Bestimmte Themen werden über die Medien angestoßen, die die Menschen aufnehmen und weiterspinnen können. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die Überzeugungen der Menschen sind oft schmerzlich falsch

Die Überzeugungen eines Menschen sind zu vielen wichtigen Aspekten der Welt oft schmerzlich falsch und er begeht grundlegende Fehler bei der Art und Weise, sie zu erwerben. Die Überzeugung, dass man die Welt direkt, über die unmittelbare Wahrnehmung von Fakten, erkennt, bezeichnen Philosophen als „naiven Realismus“. Richard E. Nisbett erklärt: „Jede Vorstellung über jeden Aspekt der Welt beruht auf zahllosen Schlussfolgerungen, gezogen mit Hilfe geistiger Prozesse, die sich unserer Beobachtung entziehen.“ Der Mensch ist unabhängig von unzähligen Schemata und Heuristiken, um auch nur die einfachsten Gegenstände und Ereignisse genau kategorisieren zu können. Häufig entgeht den Menschen, welche Rolle der Kontext beim Erzeugen des Verhaltens von Menschen und sogar von physischen Objekten spielt. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Zustände des reinen Seins können Angstgefühle verursachen

Tagträume und Phantasien sind in der Regel emotionaler Natur. Auch viele Träume sind höchst emotional. In ihnen brütet der menschliche Geist die intensivsten emotionalen Erlebnisse aus, die ihm überhaupt möglich sind. Befindet sich ein Mensch im Sein in reinster Form, schwindet sogar sein Ich-Gefühl. David Gelernter erklärt: „Wir vergessen uns selbst – wir verlieren unser Ich. Wir erleben nur noch und begegnen dem Ich-losen Zustand des reinen Seins.“ Zustände des reinen Seins sind gefährlich und können Menschen Angst machen: Sie sind dann weit offen und verfügen beispielsweise in solchen Fällen keine Abwehr gegen Alpträume. Solche Zustände können Menschen auch an den Rand explosiver Euphorie bringen – oder mit tiefer Befriedigung überfluten oder für kurze Zeit eins mit dem Universum machen. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Ernst-Dieter Lanterman analysiert den Typ des Fremdenhassers

Mit seinem Hass auf Fremde kompensiert der Fanatiker Defizite, die ihn in der Vergangenheit bedrückten und an seinem Selbstwertgefühl nagten. Ernst-Dieter Lantermann erläutert: „Sein Fanatismus stillt sein lange unerfülltes Bedürfnis nach Klarheit, Einfachheit und festen Wahrheiten. Er gewährt ihm ein Sicherheits- und Verankerungssystem, das ihn gegen alle Zweifel und Unsicherheiten abschottet.“ Sein Fanatismus verschafft ihm eine unerschütterliche Identität, da er sich in seinen Gleichgesinnten wiedererkennt, sich mit ihnen zutiefst verbunden, von ihnen anerkannt und wertgeschätzt erlebt und gleichzeitig in den Ausländern das abstoßende Zerrbild eines anständigen Menschen sieht. Sein Hass gibt seinem Leben endlich wieder eine Bedeutung, einen tiefen Sinn und eine klare, selbstgewisse Orientierung des eigenen Weges. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Ulrich Schnabel stellt die Bedürfnispyramide vor

Die berühmte „Bedürfnispyramide“ geht auf den amerikanischen Psychologen Abraham Maslow zurück. Ihr zufolge gibt es verschiedene Hierarchiestufen menschlicher Bedürfnisse, und in der Regel tendiert man dazu, immer weiter an die Spitze zu gelangen. Ulrich Schnabel erklärt: „Zunächst geht es erst einmal darum, die biologischen Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Schlafen zu sichern sowie für eine gewisse materielle Stabilität zu sorgen – Dach über dem Kopf, Einkommen.“ Ist das gewährleistest, tritt der Wunsch nach Zugehörigkeit, nach Liebe und Freundschaft in den Vordergrund. Ist auch dieser erfüllt, beginnt man nach Anerkennung und Status zu streben, definiert sich über gesellschaftlichen Erfolg und materielle Unabhängigkeit. Kaum sind diese Ziele erreicht, treten neue an deren Stelle: persönliche Selbstverwirklichung, Glück und Erfüllung – sei es im Beruf, Hobby oder in der Partnerschaft. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Hans-Peter Schwarz spricht von einer neuen Völkerwanderung nach Europa

In seinem Buch „Die neue Völkerwanderung nach Europa“ blickt Hans-Peter Schwarz auf die Konstruktionsfehler des Schengen-Raums und fügt der aktuellen Debatte eine zeithistorische Dimension hinzu. Seit der Zuspitzung der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 steht die Europäische Union (EU) zusehends vor einer Zerreißprobe. Pointiert und präzise analysiert der Autor die Schwierigkeiten dieser Jahrhundertaufgabe und entwirft fünf Leitlinien für einen neuen Kurs der Flüchtlingspolitik. Vor allem zieht Hans-Peter Schwarz auch die Lehren aus der Geschichte und verbindet seine zeithistorische Analyse mit konstruktiven Vorschlägen für ein neues Europa. In den für Gefahren blind gewordenen Demokratien Europas hätte man es sich jedenfalls niemals vorstellen können, urplötzlich mit einem Millionenheer von Flüchtlingen konfrontiert zu werden, das alle Merkmale einer neuen Völkerwanderung aufweist. Hans-Peter Schwarz zählt zu den angesehensten Politologen und Zeithistorikern in Deutschland.

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Das Leib-Seele-Problem ist noch immer nicht gelöst

Auf die Frage „Was ist Schmerz?“ kann man zwei Antworten geben. Erstens: „Schmerz ist, wenn es weh tut“, zweitens: „Schmerz ist ein Zustand, der von Gewebeverletzungen verursacht wird und der seinerseits Schmerzverhalten wie Schreien verursacht.“ Philipp Hübl erklärt: „Die erste Antwort nennt das subjektive Erleben von Schmerz aus der Innenperspektive, die zweite die objektive, von außen beschreibbare Ebene der kausalen Prozesse.“ Die Geschichte der Philosophie kennt zahlreiche Lösungsvorschläge des Leib-Seele-Problems. Doch die meisten verkennen den schwierigen Forschungsgegenstand, nämlich das phänomenale Bewusstsein. So sagen zum Beispiel die Computer-Funktionalisten, der menschliche Geist verhält sich zum Gehirn wie eine Software zu einer Hardware. Wenn man den Geist als ein Computerprogramm auffasst, kann man die Verarbeitung von Informationen im Gehirn gut veranschaulichen. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Die Deutschen leben in einer zunehmend populistischen Gesellschaft

In seinem neuen Buch „Die Stunde der Populisten“ will der Politologe Florian Hartleb Aufklärungsarbeit leisten und aufzeigen, wie man die Demagogen aufhalten kann. Er definiert Populismus wie folgt: „Populismus heißt erst mal vom Wortlaut her die ständige Beschäftigung mit dem Volk. Populismus heißt im Guten, dass man das Ohr an der Stimme des Stammtisches hat, die Belange des kleinen Mannes berücksichtigt und Politik so runterbricht, dass sie jedermann versteht.“ Im Negativen ist seiner Meinung nach der Begriff stark verbunden mit „nach dem Mund reden“ und mit Blick auf Agitation gegen „die da draußen“ sowie gegen die Eliten, indem der Populist behauptet, die politische Klasse sei korrupt. Der Passauer Politologe und Buchautor Florian Hartleb forscht seit dem Jahr 2000 zu Populismus und Radikalismus.

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Mittels Erziehung betritt der Mensch das Reich der Handlungsfreiheit

Der Mensch lebt nicht nur mit einer äußeren, sondern auch mit einer inneren Natur. Unter ihr versteht Otfried Höffe den noch nicht sozial und kulturell geformten, insofern „natürlichen“ Anteil an der Conditio humana. Da aber alle wirklichen Menschen sozial und kulturell geformt sind, ist die Rede von einem natürlichen Menschen eine Abstraktion. Sie hilft aber, die Faktoren zu bestimmen, die individuell der Neugeborene und kollektiv die Menschheit braucht, um dort zu einer eigenverantwortlichen Person, hier zu einer verantwortlichen Gesellschaft zu werden. Der dafür notwendige Prozess der Erziehung, der individuell im Fortschreiten der Biographie und kollektiv in der Menschheitsgeschichte die Selbsterziehung einschließt, ergänzt die externe und interne Kultivierung. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Eine Affäre wirkt sich extrem spaltend auf eine Ehe aus

Eine Affäre, die sowohl vollkommene Anteilnahme als auch Geschlechtsverkehr beinhaltet, ist überaus mächtig. Sie ist wie eine Schlinge aus ineinander verflochtenen Strängen von Zuneigung, geteilter Erfahrung und sexuellem Vergnügen. Es ist für Shirley P. Glass nicht schwer zu verstehen, warum Affären dieses kombinierten Typs extrem spaltend auf eine Ehe wirken und warum sie am schwierigsten zu verarbeiten sind. Shirley P. Glass erklärt: „Der Schritt zum ersten Kuss ist ein größerer als der vom Küssen zum Geschlechtsverkehr.“ Viele Männer definieren Untreue durch Geschlechtsverkehr. Andere körperliche Intimitäten „zählen nicht“. Für Frauen dagegen wird die Schwelle zur Untreue überschritten, sobald irgendeine Art sexueller Intimität stattfindet, wie zum Beispiel romantisches Küssen. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

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Ulrich Schnabel untersucht den Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl

Psychologen machen einen Unterschied zwischen den Begriffen „Mitleid“ und „Mitgefühl“. Das reine Mitleid ist dabei jene Art von teilnahmsvollen Kummer, die sich auf eine Zuschauerrolle beschränkt, passiv bleibt und einen sicheren emotionalen Abstand wahrt – es entspricht also jener Haltung, die die meisten Menschen zum Beispiel gegenüber Obdachlosen einnehmen. Ulrich Schnabel ergänzt: „Man fühlt sich betroffen, hat eventuell auch ein schlechtes Gewissen, spürt aber nicht den Antrieb oder hat nicht die nötigen Mittel, einzugreifen und die Situation des anderen substanziell zu verbessern.“ Anders hingegen ist es beim Mitgefühl, das mit der Bereitschaft einhergeht, sich persönlich zu engagieren – was zum beispielsweise der Fall ist, wenn ein naher Verwandter obdachlos wird. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Reinhard K. Sprenger deckt die Schattenseite der Vorbilder auf

Es gibt einen Trick, Menschen vom Steuer ihres Lebensautos auf die Rückbank zu drängen: das Gerede von Vorbildern. Während einerseits von Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Unternehmergeist gefordert werden, heißt es andererseits: „Wir brauchen wieder Vorbilder!“ Reinhard K. Sprenger stellt fest: „Überall werden – häufig mit den besten Absichten – Modelle von Tugend, Moral und Werten öffentlich gefordert und gegen gesellschaftlichen Werteverfall und wirtschaftliche Schieflagen aufgeboten.“ Eine vom Ideal der Vorbilder – gleich welcher Art – geprägte Kultur unterscheidet zwischen denen, die nachahmenswerte Eigenschaften aufweisen, und jenen, die sich diese aneignen sollten. Reinhard K. Sprenger spricht Klartext: „Es gibt offensichtlich viele Menschen, die ein Vorbild zum Nacheifern brauchen oder denen man ein Vorbild meint geben zu müssen.“ Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Siracusa ist der Höhepunkt einer jeden Sizilienreise

Die Liste der Top-Reiseziele auf Sizilien ist lang. Der neue Baedeker-Reiseführer Sizilien stellt die beeindruckenden Sehenswürdigkeiten wie gewohnt detailliert und faktenreich vor. Dazu zählen herausragend eingerichtete Archäologiemuseen, Großstädte, in denen das Leben pulsiert, Bergdörfer, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, fast unberührte Landschaften im Inneren Siziliens und Sand- und Felsenküsten, die zum Badeurlaub einladen. Die Hauptstadt Palermo zählt zu den ältesten Städten Europas. Die Metropole zeichnet sich aus durch großartige Denkmäler, einen ungebändigte Vitalität der Bewohner und viel Engagement bei der Restaurierung des historischen Zentrums. Zu den Touristenmagneten Palermos zählen unter anderem das Porphygrab des Stauferkaisers Friedrich II., orientalische Märkte, rote Moscheenkuppeln auf normannischen Kirchen, der mystische Goldglanz byzantinischer Mosaiken und das größte Opernhaus Italiens. Palermo gehört wegen ihres arabisch-normannischen Kulturerbes seit 2015 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

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Das Leben pendelt zwischen Schmerz und Langeweile

Daniel Klein gibt zu, dass er hin und wieder Appetit auf eine gute Portion Pessimismus hat, besonders wenn ihn in seinem Leben raue Winde treffen. Der Gedanke, dass das Leben alle Welt anstinkt, ist, wenn es gerade zufällig ihn anstinkt, auf herzlose Weise tröstlich. An wen kann man sich in Zeiten wie diesen besser halten als an Mister Melancholie persönlich – an Arthur Schopenhauer? Der deutsche Philosoph schrieb: „Das Leben schwingt also, gleich einem Pendel, hin und her, zwischen dem Schmerz und der Langeweile.“ Kaum zu glauben, aber man betrachtet Arthur Schopenhauer als Hedonisten, denn er erkennt das Glücklichsein als höchstes Lebensziel an. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Kinder haben immer vor irgendetwas Angst

Kinder fürchten sich eigentlich immer vor etwas. Pubertät oder Attacken des Trotzes, Wut und Schüchternheit: Alle Eltern kennen diese Entwicklungsphasen bei ihrem Nachwuchs. Wenn Familien zugeben müssen, dass ihre Kinder keine normale schwierige Phase der Heranwachsens erleben, sondern echte Probleme haben, suchen viele Eltern den Fehler erst einmal bei sich selbst. Jakob Fertmann erklärt: „Sie fühlen sich irgendwie schuldig. Aber davon muss man sich entfernen. Studien belegen, dass die Gründe zum Beispiel für Angsterkrankungen unglaublich vielfältig sind. Das hat was zu tun mit genetischer Prädisposition, mit dem sozialen Umfeld, mit Persönlichkeitsfaktoren des Kindes, mit Dingen die Kinder erleben oder erfahren.“ Man wird also nie so ganz feststellen können, woran es jetzt gelegen hat. Genau das Gleiche gilt für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). Jakob Fertmann ist Psychologe in der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Kinderkrankenhaus in Hannover.

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Die Literatur der Spätromantik war düster und sarkastisch

Die frühromantische Aufbruchsstimmung wich in der Spätphase der Romantik einer eher düsteren, sarkastischen und gebrochenen Sicht auf die Verhältnisse. Beispielhaft für diese neue Phase der romantischen Bewegung ist das Werk von E. T. H. Hoffmann(1776 – 1822), das schon bald über Deutschland hinaus beachtet wurde und auf Autoren wie Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe entscheidende Wirkung hatte. E. T. H. Hoffmann führte ein Doppelleben wie so viele seiner Figuren, die sich in verschiedene Ichs aufspalten. Tagsüber arbeitete er in dem ungeliebten Beruf eines Kammergerichtsrats, nachts führte ein sein „eigentliches“ Leben. Seine Begabungen waren weit gespannt und machten es ihm schwer, sich zu entscheiden. Er zeichnete, musizierte und komponierte und schrieb immer wieder über jenen Zwiespalt zwischen „Künstler“ und „Philister“, dem nicht nur er, sondern dem sich auch andere romantische Autoren ausgesetzt fühlten.

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Hans-Peter Nolting sucht nach den Wurzeln der Gewalt

Die Suche nach einer gemeinsamen Wurzel von menschlicher Aggression und Gewalt weckt immer großes Interesse. Es ist faszinierend, wenn man eine breite Vielfalt auf ein einziges Grundprinzip zurückführen kann. Von solchen Bemühungen war auch die Aggressionspsychologie lange Zeit geprägt. Hans-Peter Nolting erklärt: „Ein angeborener Aggressionstrieb, Aggression als Reaktion Frustrationen oder Aggression als erlerntes Verhalten – das sind drei Grundideen von bekannten Theorien.“ Inzwischen hat sich die wissenschaftliche Debatte von der Suche nach einer generellen Aggressionserklärung für die Gattung Mensch weitgehend verabschiedet und sich stattdessen vielfältigen Ausschnitten aus dem breiten Spektrum zugewandt. „Ausschnitte“ können vor allem sein: spezielle Erscheinungsformen oder Typen hochaggressiver Menschen oder einzelne Kontextbereiche wie die Familie, die Arbeitswelt, der Sport, die Politik und so weiter. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Die Verlustaversion ruft eine Tendenz zum Status quo hervor

Die meisten Menschen besitzen die allgemeine Tendenz, nicht hergeben zu wollen, was sie besitzen – selbst in Situationen, in denen die Erwägungen der Kosten und des Nutzens für den Verzicht sprechen, weil eindeutig die Aussicht besteht, etwas Besseres zu bekommen. Diese Tendenz nennt man Verlustaversion. Richard E. Nisbett fügt hinzu: „Anscheinend macht es uns in zahlreichen ganz verschiedenen Situationen nur halb so glücklich, etwas zu gewinnen, wie es uns unglücklich macht, das Gleiche zu verlieren.“ Für die Verlustaversion bezahlen Menschen einen hohen Preis. Menschen wollen das, was sie besitzen, nicht hergeben, nicht einmal, wenn sie dafür mehr bekommen als das, was sie ursprünglich für einen fairen Preis betrachtet haben. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Jede Handlung könnte die letzte im Leben sein

Mark Aurel (121 – 180), römischer Kaiser und Philosoph, erklärt: „Verscheuche jeden anderen Gedanken, und das wirst du können, wenn du jede deiner Handlungen als die letzte deines Lebens betrachtest.“ Wenn es eine einzige Lektion gäbe, die Daniel Klein bis an seinen letzten Tag mit sich tragen möchte, dann wäre es diese. Wenn Mark Aurels Aussage auch noch heutzutage so vertraut klingt, liegt das daran, dass Philosophen und religiöse Denker von alters her mehr oder weniger das gleiche sagen. Daniel Klein erläutert: „Sei jetzt hier. Sei stets achtsam. Lebe in der Gegenwart.“ Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Selbstbewusstsein macht glücklich

Steffen Ritter beantwortet in seinem neuen Buch „Selbstbewusstsein“ unter anderem folgende Fragen: „Was machen selbstbewusste Menschen anders als andere?“ und „Wie gelingt es uns und wie lange dauert es, selbstbewusster zu werden?“ Steffen Ritter betont: „Selbstbewusstsein macht glücklich, Selbstbewusstsein schafft schöne Erlebnisse, Selbstbewusstsein macht sogar attraktiv.“ Der Autor wirft zu Beginn seines Buchs einen Blick hinter die Kulissen fehlenden Selbstbewusstseins. Gegliedert hat er sein Werk in die Teile „Selbstwert“, „Selbstvertrauen“ und „Selbstliebe“. Selbstbewusstsein ist etwas, was bei allen Menschen über viele Jahre hinweg gebildet wird – durch die Erziehung, durch das Umfeld. Die Voraussetzungen dafür, selbstbewusst werden zu können, sind definitiv nicht für alle Menschen identisch. Aber eines ist gleich: „Jeder kann sich irgendwann dafür entscheiden, an seinem Selbstbewusstsein zu arbeiten.“ Steffen Ritter ist Redner, Autor und seit 1992 Leiter des Instituts Ritter. Er trainiert Menschen auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmte Leben.

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Zu jedem Zeitpunkt zeigen Menschen Gefühle

Träumen ist Geschichtenerzählen in Bildern. Der Psychoanalytiker Stephen Grosz schreibt: „Ich denke, wir versuchen alle, dem Leben durch das Erzählen unserer Geschichte einen Sinn zu verleihen.“ Der deutsch-britische Psychiater und Psychoanalytiker S. H. Foulkes fügt hinzu: „Die fließende Visualisierung, wie sie in unseren Träumen geschieht, ist ein Denkprozess.“ Damit knüpft er an Sigmund Freud an, für den Träume nichts anderes als eine „besondere Form des Denkens“ sind. Sprache und Bilder sind für David Gelernter nicht einfach nur zwei verschiedene Ausdrucksmittel: „Zum Beispiel bringen wir Kindern das Sprechen und Schreiben bei, nicht aber in gleichem Maße das Zeichnen.“ Bei der Sprache geht es um Präzision, Prägnanz und Abstraktion. Bilder dagegen transportieren eine Fülle konkreter Details wie manchmal auch die Nuancen, die Gefühle und Atmosphäre ausmachen. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Albert Camus stellt sich sogar Sisyphos als glücklichen Menschen vor

Eine nüchterne Art der Lebensbejahung vertritt der in Algerien geborene französische Philosoph und Schriftsteller Albert Camus (1913 – 1960). Ludger Pfeil erläutert: „Er will sich sogar Sisyphos, der zum Synonym für den erfolglosen, niemals zum Ende kommenden Arbeiter wurde, als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Die tragische Figur aus der griechischen Mythologie hatte sich dem Tod nicht ergeben wollen und muss zur Strafe für seine lebensverlängernden Tricks, die ihm immerhin einige zusätzliche Jahre beschert hatten, einen riesigen Stein einen Berg hinaufwälzen. Oben angekommen, rollt der Fels dann unvermeidlicherweise wieder hinunter, wo die Plackerei aufs Neue beginnt. Sisyphos wird so die Arbeit bis in alle Ewigkeiten nicht ausgehen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Die Wiedervereinigung des Kontinents rückte Deutschland ins Zentrum

Mit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 war die Deutsche Frage wieder offen. Vierzig Jahre lang war Deutschland geteilt gewesen, und die Konfliktlinie des Kalten Krieges war mitten durch das Land verlaufen. Auf einem Kontinent, der von zwei externen Supermächten dominiert wurde, waren beide Deutschlands verwundbar. Die Bundesrepublik war zuvor ein halbsouveräner Staat, der in Sachen Sicherheit von den USA abhing. Hans Kundnani fügt hinzu: „Deshalb war es allein schon aus sicherheitspolitischen Erwägungen erforderlich, dass die Bundesrepublik ein Teil des Westens war.“ Doch der Fall der Berliner Mauer und die anschließende Transformation Europas veränderten die Parameter deutscher Außenpolitik. Tatsächlich hatten sich mit dem Ende des Europas, das 1945 von den Großen Drei in Jalta geschaffen worden war, die geopolitischen Realitäten genauso grundlegend geändert wie damals 1871 mit der Gründung des Deutschen Reichs. Der Politikwissenschaftler Hans Kundnani ist Senior Transatlantic Fellow des German Marshall Fund.

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Nein ist das Schlüsselwort für die Definition der Identität

Dem Nein entspringt die Macht über das eigene Leben, die Chancen zur Gestaltungsfreiheit. Jedes Nein trägt in sich eine Dualität aus Ermächtigung und Abgrenzung. Dabei sind Macht und Grenzen nichts Schlechtes, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Lebens: Jeder lebendige Organismus benötigt Grenzen, um sich selbst zu schützen. Anja Förster und Peter Kreuz fügen hinzu: „Um zu überleben und zu gedeihen, muss jeder Menschen und jede Organisation in der Lage sein, Nein zu sagen zu allem, was Sicherheit, Würde und Integrität bedroht.“ Nein ist der Schlüsselbegriff zu Identität, Ordnung, Struktur und Disziplin. Regeln und Gesetze werden häufig in Form eines Nein formuliert. Zum Beispiel: „Du sollst nicht töten!“ Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Viele Kinder leben in mit Watte ausgepolsterten goldenen Käfigen

Die Anzahl der sogenannten Helikopter-Eltern, die ihren Nachwuchs ständig besorgt umkreisen und ihnen jede Form der Anstrengung abnehmen wollen, nimmt ständig zu. Auch wenn Kinder zum Beispiel längst alt genug wären, den Schulweg alleine zu meistern, bringen viele Eltern ihre Sprösslinge dennoch mit dem Auto bis vor die Schultür. Trendforscher und Psychologen gehen davon aus, dass vor allem die irrationale Angst der Eltern vor Verkehrsunfällen und Kindesentführern hinter dem Phänomen der „Shuttle-Kids“ steckt. Der Arzt und Buchautor Günther Loewit erklärt den Grund für diese extreme Vorsicht: „Über Jahrhunderte hinweg betrug die durchschnittliche Geburtenrate etwa sechs Kinder – da war ein Todesfall aufgrund von Krankheiten oder zu wenig Nahrung schon quasi eingeplant. Heute liegt sie in Österreich bei 1,4 Kindern pro Frau. Diese statistisch 1,4 Kinder müssen natürlich unendlich überbehütet werden, weil hier ein Verlust nicht verkraftbar wäre.“

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