Oskar Maria Graf ist der Chronist des bayerischen Dorflebens

Der bayerische Schriftsteller Oskar Maria Graf verstand es wie kein Zweiter, fern von aller Idylle und Bauerntümelei über die Menschen seiner Heimat zu schreiben. Er pflegt dabei einen Realismus, der sich durch Illusionslosigkeit und manchmal peinigende Härte auszeichnet. Zu den Figuren, die Oskar Maria Graf in seinen Romanen aufleben lässt, zählen Großbauern, Kleinhäusler, Tagelöhner, aber auch Bohemiens. Diese Protagonisten können berechnend und hundsgemein, eitel oder dumm sein. In manchen Fällen sind sie aber auch mutig, hilfsbereit, mitfühlend oder kämpferisch. Oskar Maria Graf, der sich manchmal selbst, nicht ohne damit zu kokettieren, als „Provinzschriftsteller“ bezeichnete, war auch ein politischer Schriftsteller. Nicht dass er Agitprop betrieben hätte, sondern im Stil eines genauen, gnadenlosen und selbstkritischen Beobachters, der erkannte, wie die politischen und sozialen Gegebenheiten unerbittlich das Leben der kleinen Leute prägten.

Der Roman „Wir sind Gefangene“ zählt zu den bedeutendsten von Oscar Maria Graf

Das Dorf ist in den Stücken von Oskar Maria Graf eben nicht die weltabgeschiedene Idylle, in der sich das Leben nur darum dreht, wer als nächstes heiratet, erbt oder wann eine Kuh ein Kalb auf die Welt bringt. Er beschreibt, wie es auf dem Land wirklich zugeht. Seine Erzählungen und Romane wie zum Beispiel „Das Leben meiner Mutter“ sind ein sehr genaues Porträt der Welt der bayerischen Bauern und der Dörfer, in denen sie leben. Oskar Maria Graf entstammt aus diesem Milieu, er weiß, was in den Köpfen der Menschen auf dem Land vor sich geht.

Oskar Maria Graf wird am 22. Juli 1894 als Bäckersohn in Berg am Starnberger See geboren. Im Jahr 1911 kommt er nach München und will dort Dichter werden. Er reicht Texte bei Verlagen ein und schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Nach seinem Kriegseinsatz an der Ostfront, feiert er im Jahr 1917 erste literarische Erfolge. Zu seinen bedeutendsten Romanen zählt „Wir sind Gefangene“ aus dem Jahr 1927. In ihm schildert Oscar Maria Graf die revolutionären Ereignisse von 1918 in München.

Oscar Maria Graf schmäht München als finster und kleinbürgerlich

Ende Februar 1933 begibt sich Oskar Maria Graf auf eine Vortragsreise nach Wien. Nachdem er aus Deutschland ausgebürgert worden ist, flieht er über die Tschechoslowakische Republik ins Exil nach Amerika. Als staatenloser Emigrant lebt er dort zuerst mit seiner großen Liebe Mirjam Sachs in ärmlichen Verhältnissen. Später wird seine Wohnung in New York zu einer bayerischen Enklave. Am 30. Juni 1958 kehrte Oskar Maria Graf erstmals wieder nach München zurück, der Stadt, der er vor dem Krieg einige Zeilen gewidmet hatte.

Damals schrieb Oskar Maria Graf: „Und weil wir alle, wir echten Münchner, durch unsere katholische Herkunft nihilistisch in einem herrlich wurschtigen Sinn angekränkelt sind, darum lässt sich`s hier gut leben.“ Im selben Text heißt es auch: „Unsere Stadt ist in jeder Weise finster und kleinbürgerlich.“ Mitte der 60er Jahre bemüht sich Münchens Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, den berühmten bayerischen Schriftsteller zur Heimkehr nach München zu bewegen. Doch sein Gesundheitszustand ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr der beste. Oscar Maria Graf stirbt am 28. Juni in New York. Ein Jahr später wird seine Urne auf dem Bogenhauser Friedhof beigesetzt.

Von Hans Klumbies