Sigmund Freud entdeckt das Unbewusste

Sigmund Freud (1856 – 1939) war der Entdecker des Unbewussten. Er erkannte, dass vieles von dem, was ein Mensch tut, von versteckten Wünschen motiviert wird, zu denen man keinen direkten Zugang hat. Aber trotzdem beeinflussen sie die menschlichen Handlungen. Nigel Warburton erklärt: „Es gibt Dinge, die wir tun wollen, dies aber nicht erkennen. Diese Wünsche üben großen Einfluss auf unser Leben aus und auf unsere Art und Weise, die Gesellschaft zu organisieren. Sie sind die Quelle der besten und schlimmsten Aspekte der menschlichen Zivilisation.“ Sigmund Freud war verantwortlich für diese Entdeckung, auch wenn sich ähnliche Vorstellungen schon in einigen Schriften von Friedrich Nietzsche finden. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Sigmund Freud fordert seine Patienten zum „Freien Assoziieren“ auf

Sigmund Freud war fasziniert von Erscheinungsformen wie der Hysterie und anderen Neurosen. Die hysterischen Patienten, bei denen es sich meistens um Frauen handelte, litten unter Halluzinationen und bekamen teilweise Lähmungserscheinungen. Aber es war nicht bekannt, wodurch all dies verursacht wurde. Die Ärzte konnten keine physische, also körperliche Ursache für diese Symptome finden. Sigmund Freud, der den Problemschilderungen der Patienten aufmerksam zuhörte und deren persönliche Geschichte kannte, kam zu der Erkenntnis, dass die eigentliche Quelle der Probleme eine Art aufwühlende Erinnerung oder ein Wunsch war.

Diese Erinnerung oder dieser Wunsch waren unbewusst, die Patienten hatten selbst nicht die geringste Ahnung davon. Sigmund Freud ließ seine Patienten entspannt auf einer Couch liegen und über alles reden, was ihnen in den Sinn kam. Häufig bewirkte dies bereits eine deutliche Besserung, da sie ihren Gedanken freien Lauf lassen konnten. Diese Methode wird „Freies Assoziieren“ genannt. Sie brachte überraschende Ergebnisse, denn sie holte das, was vorher unbewusst war, ins Bewusstsein. Sigmund Freud bat seine Patienten auch, ihm ihre Träume zu erzählen.

Alle Menschen haben unbewusste Wünsche und Erinnerungen

Irgendwie löste diese „Sprechkur“ ihre belastenden Gedanken und ließ einige der Symptome verschwinden. Es war, als ob durch das Sprechen ein Druck entweichen würde, der sich durch die verborgenen Gedanken angestaut hatte. Das war die Geburtsstunde der Psychoanalyse. Aber nicht nur neurotische und hysterische Patienten haben unbewusste Wünsche und Erinnerungen. Sigmund Freud zufolge trifft dies auf alle Menschen zu. Und nur so ist das Zusammenleben in der Gesellschaft überhaupt möglich.

Die Menschen verbergen vor sich selbst, was sie wirklich fühlen und tun wollen. Einige dieser Gedanken sind heftig und viele sexueller Art. Sie sind zu gefährlich, um sie preiszugeben. Der Verstand verdrängt sie, drängt sie ins Unbewusste zurück. Sehr viele Ereignisse im Leben eines Kindes können im Erwachsenenalter wieder zum Vorschein kommen. Sigmund Freud glaubte zum Beispiel, dass alle Männer einen unbewussten Wunsch hätten, ihren Vater umzubringen und Sex mit ihrer Mutter zu haben. Das ist der berühmte Ödipuskomplex, benannt nach Ödipus, dem in der griechischen Mythologie genau dies prophezeit wurde: dass er seinen Vater ermorden und seine Mutter heiraten würde. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton

Von Hans Klumbies