John Locke prangert die Missstände seiner Zeit an

Der englische Philosoph John Locke, der von 1632 bis 1704 lebte, hatte wie zahlreiche andere Philosophen auch, viele Interessensgebiete. Nigel Warburton erklärt: „Er war begeistert von den revolutionären Entdeckungen seiner Freunde Robert Boyle und Isaac Newton auf dem Gebiet der Chemie, Physik und Mathematik, er engagierte sich politisch und verfasste auch Schriften über Erziehung.“ Außerdem wandte er sich in seinen Werken gegen die Missstände seiner Zeit. Er verteidigte die religiöse Toleranz oder argumentierte, dass der Versuch, Menschen durch Folter dazu zu zwingen, ihren Glauben zu wechseln, absurd sei. Darüber hinaus vertrat er die Ansicht, dass Menschen ein gottgegebenes Recht auf Leben, Freiheit, Glück und Besitz haben. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Das Wissen baut sich aus der Lebenserfahrung auf

John Locke glaubte, der Geist eines Neugeborenen sei wie ein unbeschriebenes Blatt. Wenn man auf die Welt kommt, weiß man gar nichts, und das gesamte Wissen baut sich aus der Lebenserfahrung auf. John Locke behauptete zudem, das menschliche Bewusstsein, die Selbstwahrnehmung gewährleiste, dass man kontinuierlich man selbst bleibt. In der Frage der persönlichen Identität zählt für John Locke allein die psychologische Kontinuität. Für ihn waren die Fragen der Identität einer Person mit der moralischen Verantwortung eng verbunden.

John Locke glaubte, Gott würde die Menschen nur für Verbrechen bestrafen, an die sie sich erinnern können. Jemand, der sich nicht mehr daran erinnerte, Böses getan zu haben, wäre nicht dieselbe Person, die das Verbrechen begangen hatte. Nigel Warburton fügt hinzu: „Natürlich lügen die Menschen im Alltag, wenn sie nach ihren Erinnerungen befragt werden. Die Richter zögern, jemanden die Strafe zu erlassen, der behauptet, vergessen zu haben, was er getan hat.“ Aber da Gott alles weiß, ist er fähig, zu beurteilen, wer Strafe verdient und wer nicht.

Die Identität ist eng verknüpft mit der Erinnerung

John Locke stelle klar, dass ein Mensch nach dem Tod zwar dieselbe Person ist, aber nicht derselbe Körper. Seiner Meinung nach blieb man ja dieselbe Person, wenn man dieselben Erinnerungen hatte, selbst wenn diese einen anderen Körper bewohnten. Eine Folge von John Lockes Ansicht ist, dass man vermutlich im späteren Leben nicht mehr dieselbe Person wie als Baby ist. Man ist dasselbe Individuum, derselbe Mensch, im Sinne von John Locke, aber sofern man sich nicht an sich selbst als Baby erinnern kann, kann man nicht dieselbe Person sein.

Die persönliche Identität reicht nur so weit wie die Erinnerung. Da die Erinnerungen in späten Jahren verblassen, wird sich dadurch die Identität als Person verkleinern. John Lockes Wirkung als Philosoph beruht bei weitem nicht nur auf der Untersuchung der persönlichen Identität. In seinem großen Werk „Abhandlung über den menschlichen Verstand“ aus dem Jahr 1690 legte er klar, dass man durch seine Ideen eine Vorstellung von der Welt bekommt, aber dass nur einige Aspekte dieser Welt so sind, wie sie zu sein scheinen. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton.

Von Hans Klumbies